Gelesen: Alexandra Tobor – Minigolf Paradiso

Momentan geht es mir ja nicht wirklich so gut und da bin ich immer auf der Suche nach unterhaltenden Büchern, die mich gut ablenken. Ein solches Buch habe ich nun gerade beendet. Es ist „Minigolf Paradiso„, in dem die Autorin Alexandra Tobor die 1990er Jahre auferstehen lässt.

Alexandra Tobor ist ja keine Unbekannte auf dem Buchmarkt, seit sie im Jahr 2012 ihren Erstling „Sitzen vier Polen im Auto“ bei Ullstein veröffentlichte. Hierin erzählt sie in charmanter Art und Weise ihre Übersiedlung von Polen nach Deutschland und ihre ersten Jahre hier berichtet. Bekannt ist die Autorin natürlich auch aus ihren Podcasts „Wrintheit“ mit Holger Klein und „In trockenen Büchern“.

Auch in „Minigolf Paradiso“ steht eine polnische Aussiedlerfamilie im Mittelpunkt. Hauptfigur ist die Tochter, Malina, die in den Sommerferien 1997 alleine zu Hause bleibt, während ihre Eltern Urlaub in den Niederlanden machen. Der einzige Freund des nach eigener Aussage „unsichtbaren“ Teenagers ist ein toter Punker, dessen Grab sie regelmäßig besucht und dem sie Briefe schreibt und aus ihrem Leben berichtet. „Unsichtbar“ bezieht sich hauptsächlich auf das Verhalten ihrer Klassenkameraden ihr gegenüber. Malina ist das Mädchen in der Klasse, das nie Einladungen zu Geburtstagspartys bekommt und dessen Namen ihre Mitschüler teilweise vergessen.

Die Mutter Grazyna, die sich selbst Grace nennt, versucht alles, um ihre polnische Herkunft zu verschleiern und merkt gar nicht, wie sie damit ihrer Tochter ihre eigene Identität nimmt. Malina selbst weiß von ihrer Familie nur, dass ihre Großmutter, zu der sie keinen Kontakt mehr hat, noch in Polen lebt und der Großvater schon vor Jahren in einem See ertrunken ist.

Nachdem die Eltern abgereist sind, findet Malina allerdings die Videoaufzeichnung einer alten „Der Preis ist heiß“-Folge, in der ein recht skurriler alter Mann Kandidat ist. In der Hülle liegt noch ein Schreiben von RTL, aus dem hervorgeht, dass der alte Mann ihr Großvater ist und ihre Mutter ihn gesucht hat.

Natürlich macht sich Malina sofort auf die Suche nach ihrem Großvater und findet ihn auch als Besitzer einer abgetakelten Minigolfanlage und Gelegenheitslosverkäufer mit einem Hang zur Kleinkriminalität. Was darauf folgt ist ein herrlicher Roadtrip der beiden nach Polen, in ihre Vergangenheit.

Es ist aber nicht nur ein Roadtrip in die Vergangenheit der Familie Dudek, auf den Alexandra Tobor uns da mitnimmt, sondern auch auf einen Roadtrip mit zurück in die 1990er Jahre. Schön ist hier, dass die Autorin gerade ihre jüngeren Leserinnen und Leser auch mit dem Projekt „Betreutes Lesen“ unterstützt. Hierbei handelt es sich um ein Blog, in dem Alexandra Tobor besondere Aspekte (Dino-Wahn) oder Produkte (Alarm-Gockel, Song-Book etc.) der 1990er Jahre erklärt. Nachdem ich ja noch ein Jahrzehnt früher sozialisiert wurde, sind das natürlich auch schöne Reminiszenzen an die eigene Jugend und natürlich kommt auch die Erkenntnis, dass man ein alter Sack ist *seufz*…

Aber kommen wir wieder zurück zum Buch. Warum hat es mir so gefallen? Ich denke es liegt hauptsächlich an den Charakteren, die Alexandra Tobor hier zeichnet.

Da wäre zuerst Malina, die sich vom depressiven Teenager hin zur selbstbewussten jungen Frau entwickelt oder Opa Alois, der Schwätzer, der Märchenerzähler, der Elvis-Verschnitt, der Kleinkriminelle, der hinter seiner rauen Schale einen weichen Kern verbirgt. Und obschon es einige Zeit dauert, bis sich die beiden zusammenraufen, brauchen sich die beiden und helfen einander, ohne es zu merken. Interessant war auch der polnische Kontext des Buches. Kultur, Alltagsleben, Volksglauben werden hier sehr anschaulich und unterhaltsam dem Leser nahe gebracht.

Was uns Alexandra Tobor aber auch aufzeigt ist, wie wichtig unsere Wurzeln, unsere Familie für uns ist, jeder Mensch muss wissen, wo er herkommt. Verleugnet man diese Wurzeln, verleugnet man seine eigene Identität, seine eigene Persönlichkeit und wird zu einem blassen Abziehbild seiner selbst.

In diesem Buch wird der perfekte Spagat zwischen Humor und Unterhaltung auf der einen und Ernsthaftigkeit auf der anderen Seite geschlagen. Das Buch ist authentisch, man merkt, dass die Autorin ihre persönlichen Erfahrungen in dieses Buch einfließen hat lassen und dadurch wird der Roman auf eine ganz besondere Stufe gehoben.

Ich persönlich freue mich schon auf einen neuen Roman von Alexandra Tobor und das am liebsten gleich morgen 😉