Oliver Janich, die Impfung und die Etymologie

Oliver Janich veröffentlicht auf seinem Youtube-Kanal Videos, die beispielsweise den Titel „Die Coronakrise: Eine satanische Freimaurer-Inszenierung?“, „Corona-Crash: US-Militär will Chips injizieren“ oder „Der Faschismus ist zurück: Kaufland listet Starkoch Attila Hildmann aus“ tragen.

In seinem Video „Das Pharmanetzwerk um MaiLAB“ stellt er gleich zu Beginn folgende Behauptungen auf: Erstmal sollt ihr wissen, was das Wort ‚vaccine‘ eigentlich bedeutet. Also das englische Wort für impfen. Das kommt von dem Wort ‚vaccinus‘, ‚vaccinum‘ von ‚Kühen‘, ‚Kuh‘. Das heißt, eine Impfung kommt von dem Wort, wie man früher oder immer noch Kühe markiert. Wir sind für die Elite Kühe. Vieh. Mit der Impfung werden wir markiert wie Vieh. (1)

Was steckt hier dahinter?

Der englisch Arzt Edward Jenner entwickelte die Methode zur Impfung gegen die Pocken Ende des 18. Jahrhunderts. Jenner war es auch, der den Begriff „Vaccination“ für die von ihm angewandte Technik schuf. Erstmals ist die Verwendung dieses Wortes für das Jahr 1800 nachgewiesen.(2)

Tatsächlich ist es so, dass Jenner den Begriff „Vaccination“ vom lateinischen „Vacca“ herleitete. Dies kam daher, dass der von ihm benutzte Impfstoff von Kühen gewonnen wurde. (Die gesamte Geschichte habe ich hier in diesem Artikel ausführlich beschrieben.) Zuerst benannte er seinen Impfstoff als „Vaccine“ und dann sein gesamtes Verfahren der künstlichen Immunisierung eben als „Vaccination“.

Zu Beginn wurde der Begriff „Vaccination“ nur speziell für die Impfung gegen die Pocken verwendet. Die Verwendung des Begriffs für andere Krankheiten und später auch für alle Formen der künstlichen Immunisierung geht auf den großen französischen Forscher Louis Pasteur zurück.

Zwar hat Oliver Janich mit seiner Grundbehauptung, dass der Begriff „Vaccination“ vom lateinischen Wort für die Kuh herrüht durchaus recht, so irrt er doch darin, dass dies in irgendeiner Form mit einer wie auch immer gearteten „Markierung“ von Vieh zu tun hat. Dies wird heutzutage durch Ohrmarken, Tätowierungen, Einkerbungen oder ähnlichen Systemen erledigt. Historisch dürfte wohl die Markierung von Kühen per Brandzeichen am weitesten bekannt sein. In Deutschland ist dies ja bereits seit dem ausgehenden Mittelalter bekannt.(3)

Nun kann man meine Ausführungen hier natürlich als nebensächlich abtun, warum schreibe ich trotzdem diesen Artikel? Die ausführliche Etymologie des Begriffs „Vaccination“ ist für jeden Interessierten in unter fünf Minuten online zu finden. Vor diesem Hintergrund muss ich folgende Frage stellen: Wenn Oliver Janich schon bei solchen Kleinigkeiten gar nicht oder schlampig recherchiert und trotzdem derartige Behauptungen aufstellt, wie sieht es dann mit seinen Recherchen zu seinen anderen, durchaus schwerwiegenderen Behauptungen aus?

(1) Wortprotokoll aus dem Video
(2) https://www.etymonline.com/search?q=Vaccination
(3) Schweers, Volker: Bruderschaften in Coesfeld um 1500. Münster, 2012.

6 Gedanken zu “Oliver Janich, die Impfung und die Etymologie

  1. Lieber Michael,
    so etwas ist keineswegs nebensächlich. Denn es zeigt, wie ein Konglomerat aus Frechheit, Dumpfheit, Unwissen und dem Wunsch, die vorgefasste Meinung durch jede vom Wind zufällig dahergewehte Brottüte bestätigt zu bekommen, Parolen erwachsen, die in ihrer Kürze, Prägnanz und scheinbar so einleutenden Botschaft mal eben so als Fliegenfänger ins Internet gehängt werden. Ohne Herz und Verstand (aka Moral und Hirn) wird das Netz zur gefährlichen Gegend. Q.e.d.
    Deshalb auch wieder für diesen Beitrag ein Dankeschön.

    1. Schlampige Recherche mag eine Ursache für diesen Bockmist sein, die andere wäre aber bösartiger Vorsatz. Da es sehr leicht ist, den Ursprung des Begriffes „Vaccination“ zu googeln und zu finden, gehe ich davon aus, dass der eigentliche Grund für derartige Lügen nicht im Intellekt, sondern im Charakter des Lügen Erzählers begründet liegt.

      1. Natürlich ist es bösartiger Vorsatz.
        Wäre es nur schlampige Recherche, würden die Delinquenten ja ihre Ansichten revidieren, wenn sie erkennen, dass sie aufgrund falscher Annahmen entstanden sind. So macht man das jedenfalls für gewöhnlich.

        Nein, nein. Das geschieht alles mit voller Absicht. Zumindest gilt diese Diagnose für die Wortführer des jeweiligen Schwurbels.
        Die Gefolge solch wirrer Thesen, sind einfache Gemüter, denen du einfach alles erzählen kannst, solange die Zusammenhänge nicht zu komplex werden.

        Schau dich doch einfach mal in der rechten Szene um, was da für Wortakrobatik betrieben wird, um negativ besetzte Termini umzudeuten.
        Da wird, nur um ein Beispiel zu nennen, dem „Nazi“ plötzlich eine etymologische Herkunft von „Nazarener“ angedichtet.
        Der Zweck der Nummer? Einfach nur den erklärten Gegner diskreditieren, da er ja angeblich nicht weiß wovon er redet. Und während unsereins dabei noch sprachlos facepalmiert, erklärt sich der Schwurbelkönig bereits zum Sieger der Diskussion.

        Auch der „Arier“, heute synonym für eine wie auch immer definierte „europäisch stämmige, weiße Rasse“ verwendet, findet seinen historischen Ursprung im alten Persien. Also bei Personen mit einem eher hellbraunen Farbeinschla, die auch alles andere als einer europäischen Kulturhistorie verbunden sind. Die „intellektuellen“ Nazis haben dazu sogar eine mehr oder weniger verschwurbelte Erzählung. Menschen aus dem südlichen Iran – also die historisch gesehen echten Arier – würden sie trotzdem gerne umgehend in ein Flugzeug oder ein Lager stecken.

        Sprache war schon immer und wird auch immer ein Mittel bleiben, gefährliche Gedanken in Hirne zu pflanzen und sie dort reifen zu lassen.

        Letztlich geht es solchen Menschen darum, mit Geschwurbel, Hassrede und Ausgrenzung die Welt in Brand zu setzen.

  2. >> Da es sehr leicht ist, den Ursprung des Begriffes „Vaccination“ zu googeln und zu finden…

    Tut aber keiner. Und als Profibullshitter kann man sich auch darauf verlassen, dass die Schäfchen in der Zielgruppe das nicht tun, obwohl sie das Gerät dafür schon in der Hand haben, wenn sie den Quatsch lesen. Die Methode der Bullshitter inkl Trump, Johnson und den ganzen neuen Rumtönern ist: Einfach behaupten! Egal, ob es stimmt oder nicht, Hauptsache es passt ins Narrativ.

    Wenn der Unterschied wie hier vorliegend geradezu „subtil“ ist, hat man beim Richtigstellen wenig Chancen und kann nur hoffen, dass genügend Leute hier landen, für die der ursprüngliche Bullshit einfach zu hanebüchen war.

    In diesem Sinne: Weitermachen.

    p.s. Wozu eigentlich einen zweiten Chip durchs Impfen, bei dem die Batterie doch in nullkommanichts leer ist? Den man dann nur aus nächster Nähe auslesen oder umprogrammieren könnte? Versteh ich nicht. So ein Teil trägt doch sowieso jeder schon mit sich rum und lässt sich von ihm aus großer Distanz auslesen und fernsteuern. Aargh, auch zu subtil.

  3. Vielen Dank für den Beitrag, Onkel Michael. Ich hätte mir noch eine grundsätzlich kritische Anmerkung gegenüber Etymologien als Argumente gewünscht. Ich meine nämlich, nur weil ein Wort mal diese oder jene Bedeutung hatte, ist dies kein gutes Argument dafür, dass dieses Wort heute noch die gleiche oder eine ähnliche Bedeutung hat. Etymologien haben für mich eher rhetorische Bedeutung, wenn es – wie 2xhinschauen geschrieben hat – ins Narrativ passt.

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