Das Werk „Über die Riesen und über die Unveränderlichkeit Gottes“ von Philo von Alexandria (um 15/10 v. Chr. – nach 40 n. Chr.) ist ein antikes philosophisches und theologisches Werk, das sich mit der Bedeutung von Gottes Unveränderlichkeit und der Darstellung von „Riesen“ in der biblischen Tradition auseinandersetzt. Philo, ein jüdischer Philosoph, der in Alexandria im ersten Jahrhundert lebte, war stark von der griechischen Philosophie, insbesondere dem Platonismus, beeinflusst, und er versuchte, die jüdische Religion mit der griechischen Philosophie zu verbinden.
1. Gottes Unveränderlichkeit
Philo betont zu Beginn des Werkes die Unveränderlichkeit Gottes. In seiner Philosophie ist Gott ein absoluter, perfekter und unveränderlicher Wesen, das weder von der Zeit noch von den Ereignissen in der Welt beeinflusst wird. Diese Vorstellung steht in starkem Gegensatz zur Vorstellung von den Göttern der antiken Mythologie, die in der griechischen und römischen Religion oft als Veränderungen unterworfen dargestellt werden. Für Philo ist Gott ewig und unveränderlich; er ist jenseits aller menschlichen Begriffe und Vorstellungen, die an Veränderung und Vergänglichkeit gebunden sind. Diese Unveränderlichkeit wird als ein zentraler Aspekt des göttlichen Wesens betrachtet.
Philo zieht eine deutliche Grenze zwischen dem ewigen und vollkommenen Gott und der vergänglichen, von den Menschen erlebten Welt. Diese Unveränderlichkeit wird oft als ein Argument gegen diejenigen, die in der Geschichte oder im Alltagsleben Veränderungen und Schwankungen in Bezug auf die göttliche Natur wahrnehmen.
2. Die Riesen und ihre Symbolik
Ein wichtiger Teil des Werkes ist die Diskussion über die Riesen, die in der Bibel, insbesondere in Genesis 6,1-4, erwähnt werden. In dieser Passage heißt es, dass die „Söhne Gottes“ mit den „Töchtern der Menschen“ Gemeinschaft hatten und „Riesen“ oder „Nefilim“ zeugten. Philo deutet diese biblische Erzählung metaphorisch und symbolisch.
Für Philo sind die Riesen nicht wörtlich zu verstehen, sondern symbolisieren übermäßige menschliche Hybris und das Streben nach Macht und Größe, das über das Maß des menschlichen Daseins hinausgeht. Philo interpretiert die Riesen als eine Metapher für das Streben des Menschen, sich selbst zu Gott zu erheben oder gegen die göttliche Ordnung zu handeln. Die Riesen repräsentieren somit die Übertreibung menschlicher Ambitionen, die zu Stolz und moralischer Verderbnis führen.
Diese Geschichte, in der die Söhne Gottes (die Engel oder göttlichen Wesen) mit den Töchtern der Menschen in Beziehung treten, wird von Philo als Warnung vor den Gefahren des menschlichen Ehrgeizes und der unmäßigen Begierde verstanden. Er interpretiert die Geschichte als eine Mahnung, dass der Mensch seine Grenzen erkennen und die göttliche Ordnung respektieren sollte.
3. Die Beziehung von Gott und der Welt
Philo beschreibt auch, wie Gott in seiner Unveränderlichkeit die Welt erschaffen hat, aber nicht selbst in sie verwickelt ist. Gott ist der Schöpfer, der die Welt aus einem bestimmten, vollkommenen Plan erschaffen hat, aber seine Unveränderlichkeit bleibt in diesem Prozess unberührt. Philo vertritt die Auffassung, dass die Welt und ihre Veränderungen nicht die Unveränderlichkeit Gottes beeinträchtigen.
In der philonischen Philosophie spielt der Begriff der Vernunft (Logos) eine zentrale Rolle. Der Logos ist ein intermediärer Vermittler zwischen dem absoluten, unveränderlichen Gott und der wechselhaften, vergänglichen Welt. Der Logos stellt die göttliche Weisheit und Ordnung dar und ermöglicht den Menschen, die Welt und das Göttliche zu verstehen. Es wird deutlich, dass Philo die Welt nicht als chaotisch oder zufällig versteht, sondern als von einem ewigen, unveränderlichen Plan Gottes durchdrungen.
4. Philosophische und religiöse Dimensionen
Philo kombiniert in seinem Werk religiöse und philosophische Ansichten. Er versucht, die jüdische Tradition mit den Ideen der griechischen Philosophie, vor allem der platonischen Philosophie, zu harmonisieren. In seiner Sicht ist die Unveränderlichkeit Gottes ein philosophisches Konzept, das mit der Vorstellung von einem absoluten und vollkommenen Gott vereinbar ist, der von menschlichen Erfahrungen und Schwankungen unabhängig bleibt.
Philo lehrt, dass der Mensch in der Lage ist, in Einklang mit Gottes unveränderlicher Ordnung zu leben, aber nur durch Erkenntnis und Weisheit, die der Logos offenbart. Der Mensch soll sich nicht von den flimmernden und vergänglichen Dingen dieser Welt ablenken lassen, sondern nach einer höheren, unveränderlichen Wahrheit streben, die nur durch die Philosophie und den Glauben an den einen Gott zugänglich ist.
5. Fazit:
In „Über die Riesen und über die Unveränderlichkeit Gottes“ verbindet Philo philosophische und religiöse Themen. Er betont die Unveränderlichkeit Gottes als Grundlage des universellen Ordnungssystems und warnt vor menschlicher Hybris, die durch das Symbol der Riesen dargestellt wird. Der Mensch soll sich der göttlichen Ordnung unterwerfen und nicht versuchen, sich selbst über Gott zu erheben. Die Unveränderlichkeit Gottes ist für Philo ein zentrales Thema, das er sowohl aus der jüdischen Tradition als auch der griechischen Philosophie heraus interpretiert, und er sieht den Logos als das Mittel, durch das der Mensch zur göttlichen Wahrheit gelangt.