… so schlag ich dir den Schädel ein“, sprach der Täter. Antwortet das Opfer: „Hast du mich auf die linke Wange geschlagen, so halte ich dir die auch die rechte hin!“ Eine wichtige Bemerkung zu den christlichen Moralvorschriften: Sie sind als Leitlinien für Gesellschaften oder globalisierte Staaten unbrauchbar, sie sind nur als individuelles Regelwerk – siehe dazu den Dekalog der Gebote – gedacht. Das Opfer kann auch die altjüdische Regel zitieren: „Aug‘ um Auge, Zahn um Zahn“.
Woher stammt diese Schwarz-Weiß-Malerei über Meinungsverschiedenheiten bei uns Menschen? Wir prügeln entweder alles Gegensätzliche gnadenlos nieder oder wir ordnen uns wohlmeinend den Stärkeren unter und folgen ihnen ins Verderben. Parteien, Politiker und Lobbyisten schüren schamlos die gegensätzlichen Standpunkte, um so ihre Machtpositionen zu stärken. Unterschiedsforscher sehen in diesen gegensätzlichen Positionen eher eine Polarisierung, denn weniger eine Spaltung der Gesellschaft (siehe dazu die Buchbesprechung „Eine Lanze für die deutsche Demokratie“).
Reinhard K. Sprenger zeigt in der Darstellung der Konfliktstrategien zwischen Gewalt und Niederwerfung einen dritten Weg auf. Sein Buch hat den vielversprechenden Titel: „Magie des Konflikts – warum ihn jeder braucht und wie er uns weiterbringt“. Als Einstieg sind einige Bonmots zitiert, die aus dem Interview „Verlierer mögen keine Konflikte – Sieger schon (Link zu Youtube) stammen: „Erst war Adam, dann kam Eva und mit ihr kam der Konflikt“, „Ob das Leben gelingt, entscheidet sich im Konflikt“, „Ein Leben ohne Konflikt ist möglich, aber sinnlos“ (in diesem Interview wird sein Buch „Magie des Konflikts“ ausführlich vom Autor vorgestellt!).
Wenn du bisher den Ausführungen aufmerksam gefolgt bist, wirst du einige Fragen stellen. Erstens: Was ist überhaupt ein Konflikt? Jetzt genau lesen: „Konflikt ist eine Situation, in der unterschiedliche Erwartungen aufeinanderprallen“. Da Erwartungen unser Leben entscheidend bestimmen, wird dieser Gegensatz negativ erlebt. Negative Gefühle wie Enttäuschung, Frust, Traurigkeit kommen hoch und haben die Tendenz, sich in Wut, Zorn und Aggression aufzublähen.
Zweite Frage: Wie entstehen Erwartungen? Erwartungen sind gemachte Erfahrungen aus meiner Lebensgeschichte. Da sich die guten, wie die schlechten Erfahrungen immer wieder bestätigen, rücke ich nicht davon ab und sehe den Konflikt, der durch fremde Erwartungen entsteht, als Bedrohung meiner Lebensgeschichte an.
Dritte Frage: Wie kann ich den Konflikt anders verstehen? Positiv gesehen, zeigen Konflikte die Vielschichtigkeit von Meinungen, Vorstellungen, Werten und Überzeugungen auf, die es gilt anzunehmen. Wenn du den anderen wirklich kennenlernen willst – ein echtes Interesse besitzt – hilft ein Konflikt, die Weltsicht des Gegenübers besser zu verstehen. Niemals wirst du mehr über jemanden erfahren und über das, was ihm wichtig ist, als wenn du dafür einen Konflikt in Kauf nimmst.
Letzte Frage: Und wie gehe ich einen bestehenden Konflikt an? Du hast deine Sichtweise so geändert, dass du nicht mehr den Konflikt lösen willst, sondern du betrachtest den Konflikt als Lösung. Das Ziel ist nicht eine Übereinstimmung zu suchen, sondern Verknüpfungspunkte herausarbeiten unter Beibehaltung sehr unterschiedlicher Perspektiven. Voraussetzung für diese gemeinsame Arbeit ist der Aspekt, eine gemeinsame Zukunft zu gestalten. Die ultimative Lösung lautet: Sich vom Konflikt lösen – also aus dem Weg gehen.
Merke: Wer den Konflikt gewinnt, hat in Wirklichkeit verloren!
„Willst du nicht mein Bruder sein, …“