Ja, dich meine ich. Du trägst dich mit vielen Gedanken, wie die Welt eine bessere werden kann. Mit großem Engagement liest du die Ratschläge der Experten, siehst dir Talkshows an, in denen wichtige Politiker und Journalisten über Vorhaben diskutieren, um eine Umkehr in der Entwicklung der Menschheitsgeschichte und der Natur zu erreichen. Du denkst eigenverantwortlich über eigene Initiativen in deiner unmittelbaren Umgebung nach. So weit so gut!
Die Hürden sind riesengroß, die du zu überwinden hast, ob du einen Übungsraum für deine Musikband suchst, eine Räumlichkeit finden möchtest, in der du dich mit Freunden zu einem gemütlichen Zusammensein treffen willst, einen Sportplatz zum Fußballspielen oder einen Skaterpark. Mit mehr Schwierigkeiten wirst du rechnen, wenn du für die allgemeine Verkehrssicherheit einen Bürgersteig oder Fahrradweg in deinem Wohngebiet ins Auge fasst.
Warum nur kämpfst du gefühlsmäßig mit Windmühlenflügel bei deinem Ansinnen, die Welt ein klein bisschen wohnlicher zu gestalten? Lese bitte die folgenden Zeilen aufmerksam durch. Ich werde dir anhand des aufschlussreichen Buches „Kritik der großen Geste. Anders über gesellschaftliche Transformation nachdenken“ von Armin Nassehi aufzeigen, wie der einzelne und wie die Gesellschaft als Ganzes „ticken“. Dir werden wichtige Gespräche leichter fallen, Argumente wirst du erfolgreicher einsetzen und Vorhaben konkreter planen können.
Regel Nummer eins ist die Klarheit im Denken, heißt, Du wirst dir im ersten Schritt gedanklich und schriftlich „reinen Wein“ einschenken, was du willst. Denn: Zuvörderst wirst du dir die Schritte überlegen, ob und wie du deine Lösung in deiner Umwelt ansiedeln kannst und genau so wichtig: Wo wirst du mit Gegenreaktionen rechnen. Du hast es genau genommen mit der Trägheit jeder einzelnen Person und jeder einzelnen Gruppe zu tun. Trägheit ist ein Schutzmechanismus und ein Abwehrmechanismus gegen jede Veränderung. Gegen die Trägheit des Denkens und Verhaltens hilft dir eine klar durchdachte Strategie.
Strategisches Vorgehen bedeutet nicht: Man muss es den Leuten nur sagen, was Sache ist, und dann werden sie sich schon entsprechend verhalten und sich der Einsicht in die Notwendigkeit fügen. Wenn du von jemanden etwas willst, musst du immer mit dem Eigensinn des Gegenübers rechnen, da es nach eigenen Vorstellungen auf die Einflussnahme reagiert. Überzeugen kannst du nur die Person, die für Überzeugungen offen ist, und steuern kannst du nur das, was sich als steuerbar erweist. Also für dich: Sach- und Menschenkenntnis ansammeln!
Die nächste Frage, der du dich stellen musst: Findest du Mitstreiter, findest du Gleichgesinnte? Dabei geht es um das Problem: Hilft ein kollektives, also gemeinsames Vorgehen? Naive Kooperationspostulate stoßen fast notwendigerweise auf Widerständigkeit, Kollektive können nicht handeln, es bedarf einer Koordination von Handlungen und der Kooperation von Handlungen. Das bedeutet für dich: Du unterteilst den Plan in konkrete Aktionen und teilst diese dann auf die zusammenarbeitswilligen Personen auf. Also: Rüste deine Führungsqualitäten auf!
Und damit stehst du vor der nächsten Aufgabe: Ist der Mensch stark? Oder weist er mehr Schwächen auf? Das konservative Denken geht realistisch von der praktischen Schwäche aus. Die forschen Zeitgenossen wollen die Menschen für stark halten und belegen sie mit Gardinenpredigten, wenn sie es nicht sind. Die entscheidende Herausforderung für das Gelingen deines Vorhabens soll mitbedenken: Das Sachproblem ist zu setzen in das Verhältnis von Ziel und benötigten Mitteln, das soziale Problem in der Einbettung in die menschliche Gemeinschaft und der gesellschaftlichen Zustimmung. Mache dich also schlau über deine persönliche Einstellung zum Menschen. Die Größe deiner Aufgabe liegt tatsächlich in der Plausibilisierung der gewünschten Veränderung.
Noch ein wichtiger Hinweis zu deiner Person. Bist du überhaupt berechtigt, deine Stimme zu erheben? Wer gibt dir das Recht dazu? In der heutigen Gesellschaft hat sich der Schwerpunkt des Diskurses immer mehr auf die Sprecherpositionen konzentriert. Diese Konzentration auf Anerkennungsfragen entlastet davon, Sachfragen als solche zu behandeln. Es ist Ausdruck einer gewissen Ratlosigkeit darüber, wie mit deinem Anliegen umzugehen ist. Dieser Gedanke gibt dir die Stärke, für deinen Plan zu kämpfen. Denn viele glauben:
Ich weiß nicht viel, außer dass ich recht habe!
Nassehi, Armin: Kritik der großen Geste: Anders über gesellschaftliche Transformation nachdenken.
München: Beck, 2024. 224 S.
978-3-406-82322-0
18,00€ (Broschur) / 12,99€ (E-Book)
