Die Bibliothek an und für sich

Heutzutage möchte man sich natürlich fragen, welche Berechtigung eine Bibliothek noch hat. Es gibt ganze Bücher mitsamt der dazugehörigen Kolleginterpretation auf CD-Rom, Literaturterroristen verramschen ganze Bücher im Internet, so daß man sie sich nur noch auf die Festplatte herunterladen muß.

Angesichts dieser massiven elektronischen Angriffe auf die Bibliothek[1] fragt man sich natürlich, was die Aufgaben einer solchen Institution sind. Zur Zeit des Assurbanipal oder des Polykrates war eine Bibliothek nur der Aufbewahrungsort für Schriftrollen oder Bücher, damit sie nicht herumlungern und arme Reisende anfallen. Mit zunehmender Wichtigkeit des geschriebenen Wortes kam dann noch das Sammeln und Hüten dazu.

Nachdem sich das Christentum etabliert hatte, die ersten Kloster gegründet wurden kam dann noch das Kopieren und Verbreiten der Schriften, zum höheren Ruhme Gottes des Herrn, hinzu, denn ein Monasterium sine libris est sicut civitas sine opibus, castrum sine numeris, coquina sine suppellectili, mensa sine cibis, hortus sine herbis, pratum sine floribus, arbor sine foliis.[2] Was natürlich einen enormen Arbeitsaufwand beinhaltete, allerdings auch die wunderschönsten Handschriftenbände hervorbrachte. Mit der Erfindung der Buchdruckerei wurde dies allerdings unnötig. Zu jener Zeit allerdings war es notwendig und so war die Bibliothek eines Klosters zum einen ein heiliger Gral, in dem die wertvollen Bücher aufbewahrt wurden und zum anderen eine Entbindungsstation, in der neue und prächtige Bücher das Licht der Welt erblickten. Direkt neu waren diese Bücher natürlich nur recht selten, sie wurden ja nur kopiert. Für den Bibliothekar, den Gralshüter, allerdings waren sie neu und nur das zählt.

Zu manchen Zeiten, vielleicht schon zwischen Augustus und Konstantin, war die Aufgabe einer Bibliothek sicher auch das Bereitstellen ihrer Bücher zum Lesen, also mehr oder weniger das, was die schöne Resolution der UNESCO besagt, in der es heißt, es sei einer der Zwecke von Bibliotheken, dem Publikum das Lesen zu ermöglichen.[3]

Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde nun begonnen, die Bibliotheken politisch zu benutzen, wie zum Beispiel die Büchereien der Arbeiterverbände. Es gab dann auch noch die Volksbüchereien, in denen die Bibliothekare hinter ihren Theken thronten und mit hoch erhobenen moralischen Zeigefinger den Leser bilden wollten, oder besser gesagt moralisch stützen wollten. Zu jener Zeit (es war der Anfang des 20. Jahrhunderts) begannen auch nun die Kirchen eigene Bibliotheken einzurichten, natürlich zum größten Teil mit moralisch-erbaulicher Literatur. Mit dem Nationalsozialismus wurden auch die Bibliotheken gleich geschaltet und erst mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnte sich das Bibliothekswesen in Deutschland frei entfalten.

Es gibt sie aber noch, die alten Bibliotheken, untergebracht in alten Schlössern und Burgen. Wie zum Beispiel die Staatsbibliothek in der alten Kaiserstadt Bamberg, beheimatet in der Neuen Residenz gegenüber des altehrwürdigen Domes, der mit seinen vier Türmen den Himmel entgegen stürmt. Obwohl der Eingangsbereich recht schmucklos ist, atmet man doch mit dem Geruch des frischen Bohnerwachses den Geist der späten 60er Jahre ein[4]. Das einzig moderne ist der Fotokopierautomat, der seinen Beitrag zur Xerozivilisation leistet.

Vor sich hat man nun einen langen, hohen Flur, nein eher schon eine Wandelhalle, mit hohen Säulen und noch so in seinem Urzustand, daß man jederzeit erwartet, bischöflichen Beamten mit wichtigen Akten unter dem Arm, über Probleme diskutierend in der Kleidung des Rokoko zu begegnen. In dieser Halle ist nun ein roter Teppich ausgelegt (so daß sich jeder Benutzer wie ein Staatsgast vorkommt), der einen den Weg weist. Die erste Tür, die sich dem Besucher anbietet ist der Lesesaal.

Dieser Lesesaal war früher das Terrassenzimmer der Bamberger Fürstbischöfe, durch das sie in ihren weltberühmten Rosengarten kamen. Schwere eherne Bücherregale erheben sich bis zur Decke, die mit den wunderschönsten Gemälden und verschwenderischen Stuck verziert ist. Über der Tür prangt das Portrait des Fürstbischofs von Franckenstein. Hell und großzügig liegt der Lesesaal vor dem mit unsicherem Schritt eintretenden Benutzer.

Während im vorderen Teil sich Tische dem Benutzer zum Studium anbieten[5], drängen sich im hinteren Teil ebenfalls eherne Bücherregale mit den wichtigsten Nachschlagewerken, besonders der Genealogie. Es ist schon eine Augenweide, die schweren ledernen Bände der Wappenbücher, die mit ihrem Goldschnitt auf dem Rücken kokettieren; der moderne Brockhaus dagegen ist ein wirklicher Stilbruch.

Folgt man dem roten Teppich, so kommt man in das Herzstück der Bibliothek, nämlich den Katalogsaal, denn Habeat Librarius et registrum omnium librorum ordinatum secundum facultates et auctores, reponatque eos separatim et ordinate cum signaturis per scripturam applicatis[6]. Mannshohe Katalogschränke stehen neben modernen Mikrofiche-Lesegeräte[7]. Die unverzichtbaren Eichenregale, die kostbare Bibliographien in sich bergen werden gut von einer Theke abgeschirmt, hinter dem der Bibliothekar seine Benutzer erwartet, um ihnen das noch so seltene Buch zu besorgen und noch so ausgefallene Wünsche zu erfüllen.

Überwindet man die Theke und tritt in den „Dienstraum“ der Bibliothekare, so muß man feststellen, daß dieser genauso prunkvoll gestaltet ist wie der Lesesaal. Fast zwei Meter hohe Karteikästen (richtig, sie haben es erraten: aus Eichenholz!), die den gesamten Altbestand der Bibliothek beinhalten[8] drängen sich in dem Raum mit einer prächtigen Aussicht auf die alte Kaiserstadt Bamberg.

Durch eine schmale Tür tritt man in die Fernleih- und Packstelle, von der aus der gesamte Regierungsbezirk Oberfranken mit wissenschaftlicher Literatur versorgt wird. Es ist nur eine unscheinbare Tür, durch die man in das Allerheiligste, den Gral, der Bibliothek tritt: das Magazin!

Zwei ganz besondere Räume schließen sich an. Ab hier möchte ich für kurze Zeit allerdings das Wort an den Direktor der Bibliothek, Herrn Dr. Bernhard Schemmel, übergeben, der in seiner Beschreibung der Staatsbibliothek ausführte: Im Bereich der (geschlossenen) Magazine befinden sich zwei Räume des ehemaligen fürstbischöflichen Archivs. Der erste, der jetzige R. B.-Raum, mit dem Bild des Fürstbischofs Adam Friedrich von Seinsheim (1757 – 1779) enthält als ein auf des Fürstbischofs „ganz eigen und wesentliche Tugenden gerichtetes Monument“ acht allegorische Figuren aus Kiefernholz, geschaffen vom Michael Trautmann 1777/1778 (von rechts nach links): die Fürstenglorie, die Freigebigkeit, die Klugheit, die Mäßigkeit, die Stärke, die Gerechtigkeit, die Hoffnung und Chronos als Historiograph (zum Teil beschädigt bzw. unvollständig).

            Der anschließende Raum, heute mit verschiedenartigen Altbeständen, einst der Repräsentationsraum des Archivs, wurde unter dem Fürstbischof Franz Konrad von Stadion und Tannhausen (1753 – 1757) geschaffen von Nikolaus Bauer und Michael Bayer. Über dem Durchgang nachträglich Supraporte mit dem Bild des Fürstbischofs vermutlich von Johann Scheubel d. J.

            Im ersten Stock, an der einstigen repräsentativen Treppe der Verwaltung, ebenfalls im geschlossenen Magazinbereich, die Räume der weltlichen Regierung der Fürstbischöfe, mit Stuck von Johann Jakob Vogel 1705. Die Eichenholzregale stammen aus dem Bamberger Dominikanerkloster, geschaffen von dem Laienbruder F. Alvarus Carl 1744 (Signatur an einer der eingelegten Nußbaumholz-Säulen). Sie wurden hier zum zweiten Mal eingebaut und ergänzt. Der Buchbestand des mittleren und hinteren Raumes ist verschiedener Herkunft, der einheitlich gebundene des vorderen, „bewacht“ von dem wittelsbachischen Herzog Karl II. August von Pfalz-Zweibrücken (1775 – 1795) stammt aus dem Schloß Karlsberg bei Homburg/Saar.

            Der alte Bibliothekssaal der neuen Residenz im obersten Geschoß des sog. Vierzehnheiligenpavillons befindet sich ebenfalls im geschlossenen Magazinbereich. Er wurde bereits 1794 unterteilt und im 19. Jahrhundert seines Stucks von 1731/1733 beraubt und weist pompejanische Scheinmalereien von 1843 auf. Vier Konsoltischchen sind nach Vorbildern im Scagliolasaal gestaltet.

            Das Vorstandszimmer bewahrt die Biedermeiermöbel Jaecks in Kirchbaumholz: Schrank mit Glastüren und Aufsatz (darauf ein Teil des nach Jaecks Testament auf ewig unveräußerlichen chinesischen Dessertservice, das „einem Gabelfrühstücke mit fremden Gelehrten zur Ehre gereichen würde“, im Innern ein Teil der Einbandsammlung unter Betonung der geschichtlich bedeutsamen Provinzen), weiter Sekretär, Kommode, kleines Schränkchen, Nachtschränkchen, Tischchen und Regal (das übrige hinzuerworben bzw. passend angefertigt). In dem Raum befindet sich außerdem aus dem Besitz des Emil Frhr. Marschalks von Ostheim eine Standuhr mit Nußbaumholzgehäuse, signiert von dem Bamberger Hofuhrmacher „Leopold Hyß / fecit Bamberg“ (1713 – 1797). An den Wänden Gemälde aus dem Besitz Joseph Hellers, im Vorraum, dem Sekretariat, Portraits vor allem ehemaliger Bibliotheksvorstände.[9]

Aber zurück zum Magazin der Bibliothek, das genauso wie der Heilige Gral das Blut Christi aufnahm, die Bücherschätze der Bibliothek in sich aufnimmt und vor allen Irrungen und Wirrungen der Gegenwart bewahrt. Denke ich an das Magazin der Staatsbibliothek zu Bamberg, so fällt mir ein Dialog aus Umberto Ecos „Der Name der Rose“ ein: „Aber nach welcher  Reihenfolge sind die Bücher hier aufgeführt?“ fragte William noch einmal. „Nach Sachgebieten doch offenbar nicht.“ Eine mögliche Reihenfolge nach Autoren gemäß der traditionellen Buchstabenfolge im Alphabet erwähnte er gar nicht, da diese sinnreiche Anordnung erst vor wenigen Jahren in manchen Bibliotheken eingeführt worden ist und damals noch kaum gebräuchlich war.

            „Die Ursprünge dieser Bibliothek liegen in der Tiefe der Zeiten“, sagte Malachias würdevoll, „und so sind die Bücher hier aufgeführt nach der Reihenfolge ihres Erwerbs, ob durch Kauf oder Schenkung, das heißt nach dem Zeitpunkt ihres Eingangs in unsere Mauern.“

            „Schwer zu finden“, bemerkte William.

            „Es genügt, daß der Bibliothekar sie kennt und bei jedem Buch weiß, wann es in die Bibliothek gekommen ist. Die anderen Mönche können sich auf sein Gedächtnis verlassen.“[10]

Heutzutage freilich greift der Bibliothekar auf seine Mikrofiches und sogar auf Computer zurück, natürlich nur dann, wenn er linientreu ist. Aber genauso wie in der monastischen Bibliothek aus Eco’s Roman sind in Bamberg die Bücher nach dem Eingang im Magazin aufgestellt, Numerus Currens, wenn man es genau nimmt. Und es ist schon ein erhebendes Gefühl, durchstreift man diese Magazinräume, in denen früher einmal fürstbischöfliche Beamte ihren Dienst taten.

Es ist ein Gefühl wie Anno Tobac am Klondyke, man weiß nie, welcher bibliophile Schatz im nächsten Regal lauert, man weiß nie, welches lange verschollene Buch man wieder findet. Ja, man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, hinter der nächsten Ecke einen Schrein vorzufinden, in seiner Mitte der Heilige Gral, eifersüchtig bewacht von Josef von Aramithea. Hier in diesen Gefilden totaler bibliophilie löst man sich gänzlich von Zeit und Raum. Betritt man das Archiv gegen Morgen und kuckt sich ein bißchen um ist es schon bald Mittag. Ein sonderbares Gefühl des Zeitverlustes beschleicht den Eindringling und immer hat er im Hinterkopf die Erzählungen der angeblichen Entführungsopfer von Aliens, auch sie beklagten einen Zeitverlust von mehreren Stunden. Und tatsächlich fühlt man sich auch so, wie nach einer lagen Reise ins Weltenall, man fühlt sich wie ein Heimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft, denn sobald man das Magazin wieder verläßt kommt dem Eindringling die Welt soviel schlechter vor; auf der anderen Seite aber viel besser. Die Welt wirkt nach einem Tag im Archiv wieder jungfräulicher, man sieht in den Kolleginnen, mit denen man eigentlich seit langem zusammen arbeitet wieder die holden Jungfrauen und kommt sich wenn man ihnen einen kleinen Handgriff abgenommen hat gleich ungemein parzivalisch vor.

Nach einem lagen Besuch in diesem Magazin, jenseits von Zeit und Raum hat man auch ein viel größeres Gefühl für die Schönheiten der Welt. Wie sehr kann man sich an einem schönen Gesicht erfreuen? Wie wunderschön sind plötzlich die Sonnendurchfluteten Lesesäle der Bibliothek, die einen vor kurzen noch verstaubt und öde vorgekommen waren. Ich selbst ertappte mich nach einem langen Vormittag im Magazin der Staatsbibliothek Bamberg wie ich meine Mittagspause gedankenverloren auf der sonnigen Terrasse des Rosengarten-Cafés verbrachte, versunken in der Betrachtung des Gesichtes einer wunderschönen Frau. Dies ist die perfekte Symbiose dieser Welt. Auf der einen Seite die totale geistige Befriedigung hinter den festen Rokoko-Mauern der Staatsbibliothek, auf der anderen Seite die totale emotionelle Befriedigung der Natur.

Der geneigte Leser möchte mich nun nicht falsch verstehen, auch wenn die Welt nach einem Tag unter Büchern weniger defloriert wirkt wie noch vorher, ist das Magazin eben jener Ort, an dem dieses Wunder geschieht. Durch die vollkommene Abgeschiedenheit von der Welt nur umgeben vom Wissen der Zeiten kann dieser Effekt eintreten. Man schicke mich mit einem Walkman in das Magazin der Staatsbibliothek Bamberg und ich habe mein Nirwana erreicht. Rossini in den Ohren alte, in Leder gebundene Bücher vor den Augen und jeder Bibliothekar bekommt einen geistigen Orgasmus.

Eine ganz besonders gut gesicherte Abteilung innerhalb dieses Magazin ist natürlich die Handschriftenabteilung. Hinter dicken Tresortüren in einem vollklimatisierten Raum finden sich hunderte von laufenden Meter alter Handschriften aus den verschiedensten Klöstern Frankens, Bayerns, Deutschlands und der restlichen mediävistischen Welt.

Ein erhabenes Gefühl beschleicht den Eindringling wenn er sich vergegenwärtigt, daß diese Bücher noch leben, noch atmen, ihr Wissen noch prostituieren, jeden der ihre eigentümlichen Schriften noch lesen kann, während diejenigen, die sie anfertigten schon lange zu Staub geworden sind. Wie jeder Venzianer ein leises Permesso murmelt, wenn er eine fremde Wohnung betritt, so möchte man sich hier schon entschuldigen, die erhabene Ruhe der Prachtbände zu stören.

Sie zu berühren kommt natürlich nicht in frage, denn ganz hinten, im letzten Winkel des Raumes, aber trotzdem mit totaler Übersicht steht der Schreibtisch des Bibliothekars. Und seine Stimme, die schon genauso brüchig ist wie das Pergament der Handschriften, holt den Eindringling aus seiner stillen Bewunderung heraus. „Wie kann ich Ihnen helfen?“, es ist mehr gemurmelt, mehr ein Windhauch aber in dieser Umgebung doch so laut wie die sieben Posaunen der johannitischen Apokalypse. Hier in dieser Umgebung totaler Stille und meditativer Einkehr klingt diese leise, höfliche Stimme wie die Glocken des Domes, den man zwar nicht hören und sehen kann, man aber genau weiß, daß er nur wenige Meter entfernt steht.

Man wendet seine Aufmerksamkeit nun auf den Bibliothekar, einem kleinen alten Mann, der in totaler Zufriedenheit hinter seinem Schreibtisch residiert. Man fragt sich, wie lange er schon an diesem Schreibtisch sitzt und man ist sich nicht sicher, ob man ihm vom Ende des Weltkrieges erzählen soll. Er würde nur die Stirn in Falten legen und fragen: „Ja und der Kaiser?“, also läßt man ihn in der Abgeschiedenheit seines totalen Nirwana und betrachtet ihn sich näher. Die ledrige Haut, das schlohweise Haar, die langen, feingliedrigen Finger. Ich schwöre jeden Eid darauf, daß dieser Bibliothekar an diesem Schreibtisch sitzt, nur damit ich heute über ihn schreiben kann, er wäre genauso vergilbt wie seine Bücher.

Auf ein freundliches Lächeln des Bibliothekars hin äußert man seinen Wunsch, nämlich die weltberühmte Handschriftensammlung zu sehen, die er jetzt seit über dreißig Jahren betreut. Sein Gesicht wird noch heller und freundlicher und so führt der Bibliothekar den Eindringling durch die Regale und zeigt mit weiß behandschuten Händen seine Prunkstücke. Und wieder überkommt den Eindringling das Gefühl der Ehrfurcht, er darf das Gebetbuch der Heiligen Kaiserin Kunigunde in Händen halten. Das selbe Buch, mit dem sie gebetet hat, während sie über die glühenden Pflugscharen lief. In wertvolles Elfenbein gebunden ist es einer der Höhepunkte der Führung.

Nach diesem Höhepunkt macht man die restliche Führung wie in Trance mit, man sieht diese Pretiosen nur noch, als wenn man in Watte gepackt wäre und plötzlich schüttelt man die Hand des Bibliothekars und steht wieder vor der dicken Tresortür. Und wieder das Phänomen des Zeitsprungs man schwört, es waren nur zwanzig Minuten, es sind aber tatsächlich mehr als drei Stunden.

[1] Ich spreche hier nicht von einer speziellen Bibliothek, sondern von DER Bibliothek im allgemeinen, die geschützt und gehegt werden muß, wie eine Pflanze in der Sahara.

[2] Ein Kloster ohne Bücher ist wie ein Staatswesen ohne Habe, eine Festung ohne Truppen, eine Küche ohne Geschirr, ein Tisch ohne Speisen, ein Garten ohne Pflanzen, eine Wiese ohne Blumen, ein Baum ohne Blätter.

[3] So spricht nicht der Herr, nein so spricht Umberto Eco in seinem Werk „Die Bibliothek“.

[4] Denn die Einrichtung ist aus dieser Zeit und ich bin mir sicher, daß in den Spinden, in denen heute Wirtschaftswissenschaftliche, Philologische und Geschichtliche Werke aufbewahrt werden zur Zeit ihrer Aufstellung Flugblätter der 68er ihre Heimat hatten. Che lebt!

[5] Über die wenigen Arbeitsplätze an den Fenstern zum Rosengarten hin, sprechen wir hier nicht, sie sind eh immer als erste besetzt und das sogar im Winter, also zählen sie eigentlich nicht.

[6] Der Bibliothekar habe ein Verzeichnis aller Bücher, geordnet nach Themen und Autoren, und er bewahre sie einzeln auf und wohlgeordnet mit schriftlich aufgebrachten Signaturen.

[7] Natürlich sind Mikrofiche-Lesegeräte nicht mehr so modern, aber man stelle sich das mal vor: Computer in so altehrwürdigen Hallen. Gewiß, es gibt sie, allerdings gut versteckt in den abgelegensten Büros einiger linientreuer Mitarbeiter.

[8] Darin finden wir auch die umfangreiche Sammlung des Marschalk von Ostheim, der seine Privatbibliothek generöser Weise der Bibliothek gespendet hat. Auch die vom ersten Bamberger Bibliothekar Jaeck begonnene Bambergense-Sammlung findet man hier.

[9] Aus Schemmel, Bernhard: Staatsbibliothek Bamberg: Handschriften, Buchdruck um 1500 in Bamberg, E. T. A. Hoffmann. – Bamberg, 1990.

[10] Aus: Eco, Umberto: Der Name der Rose: Roman. – o. O., o. J.

Beitragsbild: Von Benjamin D. Esham / Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 us, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=114211