Nur der Leberkäs war Zeuge – Die Bioresonanztherapie vor Gericht

Eigentlich wäre das wirklich eine gute Sache. Man geht zum Arzt, nimmt in jede Hand ein Metalldingsi und nur ein paar Minuten später hat man sämtliche Werte vom ph-Wert des Körpers über den Blutzuckerwert bis zur Knochenmineraldichte und der Schweißfußkoinzidenz. Oder so.

Was man sich da alles sparen würde. Schon das Blutnehmen beim Arzt ist ja nicht für jeden etwas. Mir macht das als früher regelmäßigen Blutspender nichts aus, aber es soll ja auch andere Fälle geben. Und dann das ganze Laborgedöns. Alles weg. Und das nur wegen eines kleinen Gerätes.

Der einzige Nachteil daran ist halt, dass es Kokolores ist. Ja, echt, funktioniert nicht. Da kann man auch raus in Wald und ne Tanne an die Zapfen fassen, kommt das Gleiche dabei raus. Aber fangen wir am Anfang an.

Die Bioresonanztherapie geht auf zwei ältere Verfahren zurück, einmal die „Radionik“ des 1863 geborenen Pathologen Albert Abrams, und – hauptsächlich – der „Elektroakupunktion nach Voll“ des Plochinger Hausarztes Reinhold Voll zurück. Beide Verfahren gehen davon aus, dass der Körper feinstoffliche Schwingungen aussendet, die durch ein Gerät diagnostiziert (Resonanztest) und geheilt werden können. Zur Elektroakupunktion nach Voll findet ihr HIER einen Psiram-Artikel, der auch ausführlich auf die technischen Aspekte eingeht. (Und HIER der Link zum Psiram-Artikel zur Bioresonanz)

1977 betraten dann der Scientologe und ehemalige SS-Oberscharführer Franz Morell und sein Schwiegersohn, der Ingenieur Erich Rasche mit einem ersten Gerät zur Bioresonanzmessung die Bühne des Quacksalber-Theaters. Nach den ersten beiden Buchstaben ihrer Nachnamen nannten sie ihr Verfahren MORA-Therapie.

Allgemein muss man sagen, dass schon einige Hersteller und „Entwickler“ in der Bioresonanzszene mit der umstrittenen Scientology-Sekte verbandelt waren. Von daher dürfte auch die optische Ähnlichkeit zu dem von L. Ron Hubbard erfundenem und noch heute von Scientology genutztem „E-Meter“ nicht zufällig sein. Die Mediziner Dorsch und Kolt schreiben hierzu in ihrer Studie (von der im weiteren Verlauf des Artikels noch die Rede sein wird): Franz Morell, Arzt und Mitbegründer der Frankfurter Sektion von Scientology, und sein Schwiegersohn der Elektro-Ingenieur Erich Rasche, haben 1977 das Bioresonanzgerät entwickelt, das angeblich zugleich diagnostizieren und therapieren kann. Pate gestanden hat dabei das E-Meter der Scientologen und auch für den Geräteverkauf sind zum Teil hochrangige Scientologen verantwortlich. […] Im Lauf der Zeit wurde der Name [MORA] – angeblich wegen einer Weiterentwicklung der Geräte, in Wahrheit aber, um nicht weiter in die Nähe von Scientology gerückt zu werden – mehrfach geändert.

Heute gibt es einen ganzen Bau voll mit Anbietern von Bioresonanzgeräten, die sich mit hochtrabenden Namen zu überbieten versuchen. Auch hier ist aber das Prinzip das Gleiche. Angeblich sende jeder Mensch ein elektromagnetisches Feld mit einem individuellen Frequenzmuster aus, wodurch die biochemischen Vorgänge im Körper gesteuert würden. Krankheiten würden dieses Frequenzmuster dann verändern. Die Geräte sollen diese Frequenzen erkennen und wieder auf die richtige Frequenz setzen. Zur Unterstützung werden zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel angeboten, die therapiebegleitend eingenommen werden sollen.

Angeblich geschieht das Auslesen der des elektromagnetischen Körperfeldes durch einen alten Gassenhauer der alternativmedizinischen und esoterischen Szene: den Skalarwellen. Ja, ihr habt richtig gehört, die Skalarwelle, die sich Herr Meyl aus dem Ar… ääääh… aus dem Hut gezaubert hat, sind wieder am Start. Der emeritierte Professor Dr. Gerhard W. Bruhn vom Fachbereich Mathematik der Technischen Universität Darmstadt hat sich HIER und HIER intensiv mit den vermeintlichen Skalarwellen beschäftigt und kommt zu dem Ergebnis: Skalarwellen gibt es nicht, ja kann es nicht geben. Zu diesem Ergebnis kommt er übrigens nicht alleine, so ziemlich jeder Physiker, der etwas von seinem Metier versteht, schließt sich dieser Aussage an.

Also haben wir nicht existierende Skalarwellen, die ein nicht existierendes Frequenzmuster messen sollen, damit man möglichst oft Geld für eine „Therapie“ mit einem nicht funktionierenden Gerät bezahlt und sich dazu noch einen Haufen Nahrungsergänzungsmittel kaufen soll.

Und obwohl dies alles schon seit Jahren bekannt ist, in Ärztezeitungen gewarnt wird und es sogar eine Stellungnahme der Fachkommission der Schweizerischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie (SGAI) zu den Bioresonanz- und Elektroakupunktur-Geräten gibt, wird dieser Unfug noch immer (hauptsächlich) von Heilpraktikern, aber auch in Apotheken und von Ärzten angeboten. Geld frisst Moral, kann man da nur sagen.

Nur damit ihr mal eine Vorstellung habt: je nach Anbieter kostet eine Diagnostik mit dem Bioresonanzgerät zwischen 20.—und 250.—Euro. Eine Therapie kann pro Sitzung bis zu 500.—Euro kosten, wie Zeitschrift Finanz schreibt. Dazu kommen noch die Nahrungsergänzungsmittel. Also man sieht, mit so einem Spökes kann man richtig gut Kohle machen. Aber die Geräte kosten von 2.000 bis 17.500 Euro, das muss man ja auch erstmal wieder reinholen.

Bioresonanzgeräte findet man auf jeden Fall bei Heilpraktikern, gerne mal im Reformhaus, aber durchaus auch in Apotheken und bei Ärzten. Letzteres ist natürlich umso ärgerlicher, als dass diese Apotheken und Ärzte der Bioresonanz nach außen hin eine gewisse Reputation und Legitimation geben.

2018 haben der Allergologe Prof. Dr. Walter Dorsch von der Gutenberg-Universität Mainz und Dr. Andreas Kolt vom Münchener Institut für Gesundheit eine Studie zur Bioresonanz durchgeführt. Die Ergebnisse wurden 2019 im Allergo-Journal (Bd. 28, H. 4, S. 22-30) veröffentlicht.

Dorsch und Kolt hatten zwei Bioresonanzgeräte der „neuen Generation“ zur Verfügung. Als Testobjekte standen vier Frauen, fünf Männer, die jeweils gesund waren, sowie zwei Männer mit Krankheiten, eine Leiche, ein feuchtes Tuch und jeweils Leberkäse parat. Ich persönlich hätte ja noch einen Pizzaleberkäse dazu genommen, aber gut. Vielleicht gab’s den nach dem Test, man weiß es nicht.

Eingegeben wurden teilweise die richtigen Parameter der Testobjekte, also Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht, etc. aber auch vollkommen erfundene Daten. Dann wurden nach den Vorgaben der Hersteller Einzel- und Vergleichsmessungen an den neun gesunden und zwei kranken Probanden, der Leiche, dem nassen Lappen und dem Leberkäse durchgeführt. Die Messungen an der Leiche wurden übrigens im Anatomischen Institut der Münchner Universität mit Hilfe eines Präparators durchgeführt.

Die Ergebnisse werden wie folgt zusammengefasst: Bestehende Diagnosen schwer erkrankter Patienten wurden nicht erkannt, der Leiche beste Gesundheit neben einer Fülle potenzieller Gesundheitsrisiken attestiert, ebenso wie allen Probanden. Messungen an frisem Leberkäse sowie an einem feuchten Tuch unter verschiedenen Angaben zu Alter, Geschlecht, Körpergröße, Gewicht und Namen führten zu unterschiedlichsten Befunden mit relativen Standardabweichungen bis über 200%. Andererseits waren Ergebnisse, die unter gleichen Probanden- beziehungsweise Patientendaten am feuchten Tuch und dem Fleischbrät gewonnen wurden, nahezu identisch mit denen, die von den Probanden beziehungsweise Patienten erzielt wurden.

Die daraus gezogene Schlussfolgerung verwundert jetzt nicht: Die Gerätschaften waren nicht imstande, die jeweiligen Testmaterialien zu unterscheiden. Es wird vermutet, dass die Überbrückung der beiden Pole der Untersuchungssonde durch schwach leitende Materialien eine Software aktiviert, die gesundheitsrelevante Befunde erzeugt. Wir empfehlen als einfache Tests für die Validität von Bioresonanzergebnissen den Leberkäse- oder verwandte Tests.

Allerdings gibt es auch schlechte Nachrichten: über den Verbleib des Leberkäses ist nichts bekannt.

Die Studie war auch Teil einer Recherche des Magazins „report München“, die sogar bis vor Gericht ging. Angeklagt waren die Geschäftsführer und die Vertriebsleiterin eines „Instituts“, das solche Geräte herstellt. Vor einigen Tagen hat dann das Amtsgericht Reutlingen sein Urteil gefällt. Und das ist ein Urteil, das man nur als Sieg für den Verbraucher bezeichnen kann, denn die Reutlinger Richter stellten klar fest: Wer mit pseudomedizinischen Versprechen wirbt, kann wegen Betruges in Haft kommen.

Und so wurde die Vertriebsleiterin der Herstellerfirma zu einer Geldstrafe und die beiden Geschäftsführer zu Haftstrafen von drei bzw. zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt. Der Bayerische Rundfunk schreibt dazu: Das Gericht ging im Strafmaß über den Antrag der Staatsanwaltschaft weit hinaus und ließ die Angeklagten noch im Gerichtssaal verhaften: Es drohe Wiederholungsgefahr, da die Angeklagten das Gerät weiter vertrieben, sogar noch während des Prozesses, sagte Richter Eberhard Hausch in der Urteilsbegründung. Das Gerät enthalte keinerlei werthaltigen Bauteile, und könne überhaupt nichts messen. Das hätten beide Angeklagten gewusst. Deswegen wurden sie wegen gewerbsmäßigem Betrug und Verstößen gegen das Heilmittelwerbegesetz verurteilt.

Das ist doch mal erfreulich.

Interessant ist aber auch, was noch im Laufe des Prozesses festgestellt wurde: Beim Prozess in Reutlingen bestätigten Gutachter und Zeugen nun die report München-Recherchen. Das Gerät führe keine Messungen durch und könne das auch gar nicht, sagte Olaf Dösel, Professor für Medizintechnik, der als Gutachter bestellt war. Er bezifferte den Materialwert auf ca. 30 bis 50 Euro. Der mitgelieferte Laptop koste etwa 300 Euro. Verkauft wurde der Bioscan aber zu Preisen bis über 5.000 Euro.

Auf diese guten Nachrichten genehmige ich mir jetzt erstmal eine Leberkässemmel. Oder vielleicht auch zwei…

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Beitragsbild: https://www.psiram.com/de/index.php/Datei:Bioresonanz-MORAnova.jpg
Das Beitragsbild ist ein Beispiel für Bioresonanzgeräte, es ist KEINES der Geräte, über die vor Gericht verhandelt wurde.

5 Gedanken zu “Nur der Leberkäs war Zeuge – Die Bioresonanztherapie vor Gericht

    1. Prinzipiell zu wenig. Allerdings wäre eine Investition von 5.000€ in Leberkässemmeln sinnvoller als in ein Bioresonanzgerät.
      Auch geschmacklich liegt der Leberkäse weit vorne!

  1. Ja, bei Euch, edler Fremdling, kann man wegen Betrugs zur Rechenschaft gezogen werden, aber bei uns im Ösiland machen das sogar universitär ausgebildete Heilpraktiker von ihrer „Kontrollbehörde“ = „Standesvertretung“ völlig unbehelligt.
    z.B.http://www.praxis-schaufler.at/therapien-informationen/diagnose/56-bioresonanz.htmlhttps://www.docfinder.at/praktischer-arzt/1060-wien/dr-gabrielle-dienhart/leistungen/bioresonanztherapie-sowie-erweiterte-gesundenuntersuchunghttps://www.stelzig.at/
    …….

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