Le roi puant

Ludwig XIV, der „Sonnenkönig“ von Frankreich, war nicht nur der mächtigste und erfolgreichste Herrscher, den das Königreich hatte, sondern auch eine der gewaltigsten olfaktorischen Herausforderungen seiner Zeit.

Dies lag nicht an den vermeintlich schlimmen hygienischen Zuständen der damaligen Zeit im Schloss Versailles. Dass die Adligen ihre Notdurft hinter Vorhängen oder in Ecken verrichtet hätten, ist ein Mythos. Zwar gab es tatsächlich keine Toiletten, aber das lag an der damaligen Gepflogenheit, seine Notdurft auf sogenannten „Leibstühlen“, gerne auch in Gesellschaft, zu verrichten. Diese Möbel (ja Möbel, sie waren hochwertig gearbeitet und sahen bspw wie Kommoden aus) wurden in den jeweiligen Raum gebracht und später dann zur Säuberung wieder entfernt. Eigene Toiletten waren hierfür nicht notwendig.

Und von diesen Leibstühlen waren genügend vorhanden. Als während der Revolution das Interieur des Schlosses verkauft wurden, standen um die 2.000 dieser Möbel, um die 700 Badewannen und unzählige Waschgeschirre zum Verkauf. Soviel also zum Mythos der Vorhangspisser.

Über Versailles dürfte allerdings trotzdem eine Wolke bestialischen Gestanks gelegen haben, waren doch zur damaligen Zeit die Parfüms der jungen Duft-Hochburg Grasse sehr in Mode und hier besonders schwere und auffällige Ausführungen. Jeder wollte mit seinem Parfüm den anderen übertrumpfen und so gab es sicherlich eine olfaktorische Kakophonie sondersgleichen im Schloss.

Aber zurück zum König. Der roch tatsächlich wie ein überfahrenes Opossum, das zwei Wochen im Radkasten vor sich hin verfault. Und das hatte mehrere Gründe.

Fangen wir oben an, am Kopf. Ludwig XIV wurden im Jahre 1685 von seinem Leibarzt Antoine d’Aquin sämtliche Zähne gezogen. Unklar ist, ob dies geschah, um ihn vor Infektionen zu schützen oder ob die royalen Zähne schon arg kariös und eitrig waren. Aber warum auch immer, die Hackerle kamen raus. Man begann im Unterkiefer, der von d’Aquin gleich mit gebrochen wurde und mehrere Monate brauchte, um wieder zusammenzuwachsen.

Im Oberkiefer riss er einen Teil des Gaumens mit aus, wodurch eine Verbindung zwischen Mundhöhle und Nase entstand und das war sicherlich genauso schmerzhaft, wie es sich anhört. In den darauffolgenden Tagen wurde diese Verbindung vierzehn (!) Mal mit einem glühenden Eisen ausgebrannt. Um Infektionen zu vermeiden. Wir hatten das Thema schon mal.

Das Ergebnis war, dass Mahlzeiten für Ludwig nicht mehr wirklich angenehm waren. Trank er Wein, lief ein guter Teil aus der Nase wieder heraus. Dazu kam noch, dass er wegen seiner fehlenden Zähne seine Mahlzeiten nur noch unzerkaut hinunterschlingen konnte, wobei Teile der Speisen sich in dem Gang zwischen Mund und Nase festsetzten und dort nicht entfernt werden konnten. Erst wenn sie verfaulten und dadurch kleiner wurden, fielen sie aus der Nase wieder heraus. Dadurch, dass Ludwig nun immer verfaulende Speisen in seinem Mundbereich mit sich trug (und wir wissen, wie es riecht, wenn etwas verfault), umgab seine Majestät ein ganz und gar unkönigliches Odeur.

Aber das war nicht der einzige Grund. Schauen wir mal eine Etage tiefer: Magen und Darm.

Durch die fehlenden Zähne konnte der König seine Mahlzeiten nur hinunterschlingen, das war für den Magen natürlich nicht so ganz bekömmlich. Hierdurch litt der arme Kerl nun an Verdauungsschwierigkeiten, die sich in Mundgeruch, Blähungen, starkem Aufstoßen und Übergeben äußerten.

Und der König musste viel essen. Sehr viel. Für Frankreich! Man war damals überzeugt, dass der Zustand des Landes am Appetit des Monarchen abzulesen sei, deswegen musste sich Ludwig jeden Mittag vollstopfen bis zum gehtnichtmehr. Aber das machte ihn gar nichts aus.

Warum? Wir wissen, dass er seit seinen Jugendtagen an einem enormen Bandwurm litt, er konnte also essen ohne je satt zu werden. Warum wir das wissen? Weil der royale Kot von den Leibärzten aufs genaueste untersucht wurde und man darin Überbleibsel des Parasiten fand.

Und es gab einiges zu sehen, für die Ärzte des Königs. Sie behandelten ihn wegen seiner Leibschmerzen nämlich mit einem Abführmittel, dem „Bouillon purgatif“. Hierbei handelte es sich um einen Trank aus Schlangenpulver, Weihrauch und – ja das ist echt wahr – Pferdeäpfeln. Kein Wunder, dass Ludwig XIV täglich 14 bis 18 Mal einen seiner Leibstühle aufsuchen musste. Oftmals schaffte er es nicht mehr rechtzeitig. Ein weiterer Baustein zum königlichen Geruch.

Der so geschundene Hintern seiner Majestät begehrt schließlich auf und 1686 muss der Monarch wegen eines Geschwürs am Hintern operiert werden. Eine Operation, die so noch nie durchgeführt wurde.

Durchgeführt wurde sie von Professor Charles-Francois Félix de Tassy, einer Kapazität von der Sorbonne in Paris. Zur Vorbereitung wurde ganz Frankreich nach Menschen ausgesucht, die die gleiche oder ähnliche Geschwulst am Hinterteil aufweisen konnten. Diese wurden dann von Professor Félix behandelt. Manche sollen sogar überlebt haben.

Aber diese Versuche sind von Erfolg gekrönt, der Chirurg entwickelt ein spezielles Messer, mit dem er die Operation – natürlich ohne Narkose, dafür mit viel Gebeten – erfolgreich durchführte. Einen gelben Zettel gab es übrigens nicht für den König. Morgens wurde er operiert und am Nachmittag leitete er noch eine Kabinettsitzung, die zwei Stunden dauerte. Ein zäher Hund war er schon, der Ludwig.

Es grenzt an ein Wunder, dass Ludwig eine derartige Tortur aushielt und noch das hohe alter von 79 Jahren erreichte. Allerdings hätte ich auch nicht wirklich mit ihm zusammen am Tisch sitzen mögen…

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