Immer wieder wirft der Begriff der „Allopathie“ oder „Allöopathie“ Fragen auf ob seiner Definition und seiner Verwendung. Deshalb hier an dieser Stelle eine Aufklärung.
Den Begriff der Allopathie hat sich Samuel Hahnemann im Zuge der Erfindung der Homöopathie ausgedacht. Hahnemann hat sich ja mit der Homöopathie ein komplettes Heilsystem ausgedacht, welches natürlich vom naturwissenschaftlichen Wissen der damaligen Zeit begrenzt war. Erstmalig finden wir den Begriff dann auch im ersten Teil des Aufsatzes „Geist der neuen Heillehre“ im Allgemeinen Anzeiger der Deutschen, Nr. 62 vom 4. März 1813, Spalte 630.
In diesem Aufsatz teilt Hahnemann die Arzneien in drei Kategorien ein. Die ersten sind die allotriopathischen Arzneien, die ein andersartiges Übelbefinden als die zu heilende Krankheit auslösen. An zweiter Stelle stehen die enantiopathischen oder palliativen Arzneien, die keine dauerhafte Heilung der Krankheit, sondern nur eine Unterdrückung des Unwohlseins und des Schmerzes auslösen. Und als dritte Kategorie die homöopathischen Arzneien.
Hatte Hahnemann für seine homöopathische Heillehre den Leitsatz similia similibus curantur (Ähnliches wird durch Ähnliches geheilt) formuliert, setzte er entsprechend contraria contraiis curantur (Gegensätzliches wird mit Gegensätzlichem geheilt), was wahrscheinlich von Paracelsus stammt, für die Allopathie gegenüber.
Als Hahnemann dann drei Jahre später den zweiten Band seiner „Reinen Arzneimittellehre“ veröffentlichte, stellte er diesen Aufsatz mit einigen Überartungen seinem Buch voran. So war der Titel nun „Geist der homöopathischen Heil-Lehre“ und auf Seite 12 ist dann auch erstmalig die Rede von „allopathischen“ Arzneimitteln.
Damit könnte es nun gut sein. Aber wiederum drei Jahre später, 1819, beginnt Hahnemann, in seiner zweiten Auflage des Organon, genau gesagt im §32 damit, den Begriff der Alloopathie für die bisher gebräuchliche Medizin zu verwenden. Und in der fünften Auflage schreibt er ausdrücklich: Es gibt zwei Haupt-Curarten: … die homöopathische und … die allöopathische. Aber daneben verwendet er leider das Wort auch noch im vorherigen Sinn. Als Beispiel sie hier der §22 genannt, wo Hahnemann wieder die dreiteilige Gliederung der Arzneimittel wie im Aufsatz von 1813 verwendet. So ist Hahnemann selbst inkonsequent in der Nutzung des Wortes.
Wie wir sehen, sagt Hahnemann hier ‚allöopathisch‘, doch hat diese Form ganz denselben Sinn wie in den drei vorhergehenden Auflagen die Form ‚allopathisch‘. Das griechische Wort ‚allos‘ bedeutet ‚anders‘ und ‚alloios‘ ‚anders beschaffen, verschieden‘. Wenn Hahnemann ‚Allopathie‘ in ‚Allöopathie‘ veränderte, hatte er neben der damit gegebenen sprachlichen Angleichung wohl noch einen anderen Zweck. Seine Gegner sagten mehrfach ‚Homopathie‘, Hahnemann aber legte Wert darauf, daß ähnliche Erscheinungen erzeugende Mittel angewendet werden sollten und nicht gleiche, was meist der Sinn von ‚homos‘ war. Er wollte also mit dieser Änderung das Gedankengeleis versperren, das allzu leicht vom ‚allos‘ zum ‚homos‘ führen konnte. Hahnemann erinnert dabei auch an den berühmten Kirchenstreit zwischen Arianern und Athanasiern über die Frage, ob Gott-Vater und Gott-Sohn wesensgleich (homousios) oder wesensähnlich (homöousios) seien.
Erstmalig finden wir die „Allöopathie“ 1830 im vierten Band der „Chronischen Krankheiten“ vor. Allerdings setzte sich dieser Begriff nicht wirklich durch und schon bald kam man wieder zur Allopathie zurück.
In der Literatur zu Hahnemann und der Geschichte der Homöopathie finden wir gelegentlich die Ausführung, dass Hahnemann hier eine Trennung einführen wollte. Allopathie sollte den Wortsinn des Artikels von 1813 her haben, während die Allöopathie für die althergebrachte, also nicht-homöopathische Medizin Verwendung finden sollte.
Eine solche Trennung wäre sicherlich sinnvoll gewesen, allerdings hätte sie vorausgesetzt, dass, zuallererst von Hahnemann selbst, diese auch eingehalten worden wäre. Aber Hahnemann und seine Schüler werfen die Begriffe und ihre Bedeutungen vollkommen inkonsequent durcheinander.
Dazu kommt noch, dass von Seiten Hahnemanns und kurz darauf auch seiner Schüler, der Begriff „Allopathie“ bald auch als Kampfbegriff zur Diskreditierung jeder anderen Behandlungsart als der homöopathischen, verwendet wird. So finden wir in den Bibliotheken zahlreiche Schriften wie „Die staatlich anerkannte und bevorrechtete Medicin oder Allopathie durch sich selbst gerichtet und verurtheilt“ oder „Die Homöopathie und Allopathie auf der Wage“ oder „Die Wahrheit in der Medicin – Eine populäre Darstellung der Allopathie und Homöopathie nach ihren Heilprincipien“ und so weiter und so fort.
Heute wird der Begriff Allopathie hauptsächlich als Gegensatz zur Homöopathie gesehen und umfasst somit die reguläre wissenschaftlich-evidenzbasierte Medizin, wobei Allopathie hier gelegentlich durchaus abwertend verwendet wird, ähnlich dem Begriff „Schulmedizin“.
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