Als ich zu meinem in Kürze erscheinenden Buch „Antisemitische Verschwörungstheorien“ recherchiert habe, sah ich auch einige alte Zeitungen durch. Dabei fand ich einige interessante Geschichten, die ich euch nicht vorenthalten will. Als erstes habe ich einen Gerichtsprozess für euch, der schon sehr an das „Königlich-Bayerische Amtsgericht“ erinnert.
Vor dem Augsburger Schwurgericht musste sich am 21. November 1931 die Bäuerin L. aus Mering wegen Brandstiftung verantworten. In den frühen Morgenstunden des 3. März 1930, einem „kalten, nebligen Tag“ wurden zwei Stadel, der Stall und damit alle Vorräte im L.‘schen Anwesen ein Raub der Flammen. Die Familie L. war im Dorf unbeliebt und so drängte sich keiner der von der Feuerglocke an den Brandplatz gerufenen bemüßigt, großen Elan an den Tag zu legen. Das machte gerade der Bäuerin nichts aus. Sie soll gesagt haben „Laßt nur brennen – bei uns ist jeder Schaufelstiel versichert!“ Insgesamt soll sich die Versicherungssumme auf 80.000 Mark belaufen haben und dass, obwohl das Anwesen laut den Nachbarn „Ein Glump“ war, verwahrlost und heruntergekommen. Keine 30.000 Mark sei es wert gewesen, so die Nachbarn.
Obwohl es die Bäuerin L. war, die vor Gericht stand, war doch eher ihr Ehemann die Person, auf die sich das meiste Interesse richtete. So schrieben die „Münchner Neuesten Nachrichten“ in ihrem Bericht: Das Erscheinen des Landwirts Peter L. aus Mering vor dem Augsburger Schwurgericht geschieht unter außergewöhnlichen Umständen. Sechzehn Zeugen, ein sachverständiger Psychiater und eine alte, geistesschwache Frau sprechen immer wieder von ihm, und es hat den Anschein, als sei der wegen Geisteskrankheit außer Verfolgung gesetzte Mann Mittelpunkt und treibend Kraft der Verhandlung geworden.
Die Zeugen beschreiben ihn als groben und gewalttätigen Familientyrannen, der Frau und Dienstboten „häufig und gründlich gezüchtigt“ habe, wodurch auch kein Dienstbote oder Knecht lange auf dem Hof geblieben ist. Er sei rechthaberisch gewesen, habe „gesponnen“ und „sich besser als seinesgleichen“ gehalten. Der Bauer Peter L. bezeichnete sich als „Geisteswissenschaftler“ und „Privatgelehrter“.
In der Presse heißt es: Wenn er von seiner Wissenschaft spricht, wird seine Rede kraus und hochfahrend: „Ein Richter kann nicht alles wissen“ – Der Vorsitzende nicht zustimmend – „die Römer und Germanen waren gescheiter als wir! Denn ich bin kein wilder Mensch, ich stehe auf geistig höherer Stufe, als Sie denken!“
Vorsitzender: „Sie sind also Geisteswissenschaftler?“
Zeuge L., laut und bestimmt: „Jawohl! Ich habe die Wundergabe der Wahrheitsermittlung. Ich habe den Radiobogen erfunden.“
Vorsitzender: „Dann wissen Sie wohl, ob Ihre Frau an der Brandstiftung beteiligt war?“
L., ein herrischer, grauhaariger Mensch, holt einen Bogen Papier und ein siderisches Pendel aus der Aktenmappe, schleppt einen Stuhl heran und beginnt zu experimentieren. Das Pendel schwingt über dem Papier, auf dem eine Gradeinteilung verzeichnet ist: „Mein liebes Pendel, sage mir an, was hat meine Frau für eine Wesenheit?“ Gelächter irritiert ihn nicht: „Wäre ich mit Schuld beladen, könnte ich nichts erkennen! – Meine Frau ist unschuldig! Sie hat das Nervensystem nicht dazu. Das erkennt doch jeder, daß die Frau zusammengeschunden ist!“
Das Gericht stellt ihn darum zur Rede, daß er es doch gewesen, der die Frau tyrannisiert habe. Auf die Fragen des Vorsitzenden gibt er präzise und scharfe Antworten, rechtfertigt er sich gewandt und intelligent. „Unangenehm intelligent“, sagte der Verteidiger der Frau L.
Obwohl das Gericht sein Möglichstes tat, konnte es den Fall nicht aufklären. Man hatte weiterhin Peter L. in Verdacht, den Brand gelegt zu haben und dass seine Frau ihm dabei geholfen hatte. Aber mangels gültiger Beweise erkannte das Augsburger Schwurgericht letztendlich auf einen Freispruch.
Und die Nachbarn und Feinde werden den Mann weiterhin hassen und – fürchten. Wenn sie ihn auch für „spinnet“ halten. Oder gerade um dessentwillen.