Kürzlich habe ich den Artikel über woken Antisemitismus geschrieben und gerade lese ich den Artikel „PC oder: Da hört die Gemütlichkeit auf“, den Dieter Zimmer am 22. Oktober 1993 im Feuilleton der Wochenzeitung „Die Zeit“ (S. 59-60) veröffentlicht hat.
Darin heißt es:
Tabu ist scheinbar (und wer könnte etwas dagegen haben?) nur die Propagierung von Rassismus und Sexismus. Aber wie das Tabu durchgesetzt wird, hat inquisitorische Züge. Es zählt nicht, ob etwas (subjektiv) rassistisch oder sexistisch gemeint war, auch nicht, ob es (objektiv) Rassismus und Sexismus befördert, und schon gar nicht, ob es richtig oder falsch ist – es genügt, daß ein Angehöriger einer Minorität (oder jemand, der in ihrem Namen zu sprechen vorgibt) sich rassistisch oder sexistisch beleidigt glaubt. Praktisch heißt das, daß die Empörung militanter Aktivisten im Verein mit dem schlechten Gewissen des liberalen Establishments bestimmt, was sein darf und was nicht. Ein schwarzer Studentenfunktionär, der erklärt hatte, er hasse die „dreckigen Juden“, wurde in einer College-Zeitschrift „bigott“ genannt; aus dieser Lappalie wurde eine Affäre, die damit endete, daß der Zeitschrift die Mittel entzogen wurden. Wer einer jener geschützten Minoritäten angehört, zu denen die Juden nicht zählen, darf eben nicht beleidigt werden, auch nicht durch die Wahrheit (daß er ein rassistischer Antirassist sei) und selbst dann nicht, wenn er andere beleidigt und sich selber gar nicht beleidigt fühlen sollte – andere nehmen es ihm professionell ab.
31 Jahre ist das nun her und geändert hat sich nichts. Im Gegenteil, die Bigotterie, die jetzt den fänzy schmänzy-Namen „Virtue Signalling“ trägt, ist noch schlimmer geworden, und obwohl sich diese Bewegung hierdurch immer mehr selbst entlarvt, scheint es so, als sei ihr Einfluss ungebrochen.