Tja, ne… Prinz Charles… auch so’ne Geschichte. Eigentlich finde ich ihn ja ganz putzig, diese kleine Prinzenrolle ohne Schokofüllung. Einfach, weil ich solche skurrilen Typen mag. Und irgendwie kommt er mir vor wie so eine traurige Figur, der wirklich alles schief geht.
Auf der anderen Seite ist der Prince of Wales aber auch ein knallharter Lobbyist für „alternative Heilmethoden“ und Schwurbel aller Art. Gut, die ganze Familie Windsor hängt ja der Homöopathie an, aber während bspw. Queen Elizabeth die Schirmherrin des „Royal Homoeopathic Hospital“ ist aber kein Aufheben darum macht, sucht ihr Sohn Charles die Öffentlichkeit, um für die „SchmU“, für „Scheinmedizinischen Unfug“ Werbung zu machen. Unvergessen sind ja die Briefe, die er zwischen 2007 und 2010 an verschiedene Minister und Beamte der Regierung Tony Blairs, um die Politik Großbritanniens in seinem Sinne zu beeinflussen. Für einen zukünftigen britischen König natürlich ein „No Go“.
Unumstritten ist Prinz Charles mit seinen Äußerungen allerdings nicht. Bereits im Jahr 2006, als Charles seinen oben angeführten Auftritt vor der WHO hatte, wandten sich 13 renommierte britische Ärzte und Wissenschaftler an die 476 regionalen Treuhänderschaften des National Health Service (NHS), den staatlichen Gesundheitsdienst. Darunter Michael Bau, emeritierter Professor für Chirurgie am University College London, der Nobelpreisträger James Black vom Kings College London, der Präsident der Academy of Medical Ciences Keith Peters und Edzard Ernst, erster Lehrstuhlinhaber für Komplementärmedizin in Großbritannien an der University of Exeter und Autor des vorliegenden Buches.
Die Bemühungen von Prinz Charles waren nicht so ganz von Erfolg gekrönt, beschloss das House of Commons doch 2010, dass der NHS die Homöopathie nicht mehr fördern darf und homöopathische Mittel nicht mehr als wirksam beworben werden dürfen.
Gut, die königliche Familie benutzt Homöopathika und Charles, Prince of Wales, betreibt Lobbyarbeit hierfür, was hat das Ganze jetzt aber zu sagen? Ist die Begeisterung der königlichen Familie irgendein Beleg für deren Wirksamkeit? Haben die Windsors irgendeine Autorität oder Relevanz auf diesem Gebiet? Mit Sicherheit nicht. Sie selbst sind ja keine Ärzte, geschweige denn Naturwissenschaftler und können für sich nur den Status des interessierten Laien in Anspruch nehmen.
Natürlich spekulieren die Homöopathen, die die Familie Windsor immer wieder wie Schachtelteufel hervorholen, auf einen gewissen Vorbildfaktor und sicherlich gibt es auch Menschen, die sich davon beeindrucken lassen, aber denen sei empfohlen, selbst mit dem denken zu beginnen.
Besonders deshalb, weil sich ja auch die königliche Familie auf die „Schulmedizin“ besinnt, was die zahlreichen Krankenhausaufenthalte des Prinzgemahls Philip illustrieren, die durchaus in richtigen Kliniken und nicht beispielsweise im Royal London Homoeopathic Hospital stattfanden.
Nun hat sich der emeritierte Professor für Komplementärmedizin der University of Exeter, Dr. Edzard Ernst, des Prinzen angenommen und seziert im vorliegenden Buch die Lobbyarbeit von Charles aufs genaueste. Außerdem klärt er über die vom Prinzen beworbenen scheinmedizinischen Verfahren auf und zeigt, wie gefährlich so manches davon werden kann.
Wer auch sonst, als Edzard Ernst sollte ein solches Buch auch schreiben, verbindet ihn doch seit 2005 eine ganz besondere Beziehung zu Charles Windsor. Die Wikipedia fasst dies wie folgt zusammen: 2005 kam es zu einem Skandal, als Ernst wenige Tage vor der Veröffentlichung eines Berichts zum Potenzial der Alternativmedizin für den National Health Service (NHS) aus der federführenden Expertenkommission austrat. Der Bericht wurde von Prince Charles in Auftrag gegeben und kam zu dem Schluss, dass die Substituierung mehrerer Standardtherapien mit alternativen Methoden erhebliche Kosten sparen könnte. Ernst nannte den Bericht „skandalös und voller Fehler“. Beispielsweise schlüge der Bericht vor, Asthmapatienten mit Homöopathie zu behandeln, was laut Ernst 150 Todesfälle pro Jahr verursachen würde. Prince Charles’ Büro warf Ernst eine Verletzung der Diskretionsvereinbarung vor. Es folgte eine 13-monatige Untersuchung seitens der Universität Exeter, die schließlich kein Fehlverhalten bei Ernst feststellen konnte. Laut Ernst stoppte die Universität jedoch die Finanzierung der Forschung der Abteilung. In der Folge erklärte sich Ernst unter der Bedingung der Fortsetzung der Finanzierung der Abteilung dazu bereit, in den Ruhestand zu gehen. In einer Pressekonferenz Ende Juli 2011 bezeichnete Ernst Prince Charles als „Schlangenölverkäufer“. Das House of Commons beschloss 2010, dass Homöopathie nicht mehr vom NHS gefördert und homöopathische Mittel nicht mehr als wirksam beworben werden dürfen.
Wer jetzt allerdings einfaches „nachtreten“ von Prof. Ernst gegen Prinz Charles in seinem neuen Buch erwartet, der hat sich getäuscht. Ganz der seriöse Wissenschaftler der er ist, reiht Edzard Ernst Fakten an Fakten und belegt diese natürlich auch. Ernst beschäftigt sich nicht nur mit den vom Prinzen beworbenen scheinmedizinischen Heilverfahren, sonder zeigt auch auf, wie der britische Thronanwärter versuchte, seine herausgehobene Stellung zur Lobbyarbeit für die sogenannte „Alternativmedizin“ auszunutzen.
Alles in allem kann ich das neue Buch nur rundheraus empfehlen. Aktuell ist es nur in englischer Sprache erhältlich. Es steht zu hoffen, dass dieses Buch bald einen deutschen Verleger findet.
Bibliographische Daten:
Ernst, Edzard: Charles: The Alternative Prince. An Unauthorised Biography. Exeter: Societas, 2022.
ISBN 9781788360708. £ 9,80 Pp. £ 10,44 Kindle-Edition