Dass die Medien in dieser Pandemie keine ganz so rühmliche Rolle spielen, habe ich in diesem Blog ja bereits so ein, zwei, dreimal angemerkt. Und was will ich sagen? Manche machen einfach heiter weiter und gießen noch Öl ins Feuer.
Ein weiterer unrühmlicher Höhepunkt hier ist die Berichterstattung der „Bild“ zur Diskussion um die Maskenpflicht in Schulen. Was war passiert?
Der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Dr. Thomas Fischbach, plädierte in einem Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe für die Aufhebung der Maskenpflicht in Schulen. Ins gleiche Horn stieß Ärztepräsident Dr. Klaus Reinhardt. (HIER die Langfassung in der Ärztezeitung)
Die Virologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig war da anderer Meinung und sagte der Rheinischen Post „Wenn man etwas abschaffen möchte, dessen Nutzen wissenschaftlich erwiesen ist und das fast nichts kostet, kann man das machen. Die Frage ist nur, ob es klug ist. Bei der hohen Anzahl an Nicht-Geimpften, und hierzu zählen die Kinder, halte ich diese Entscheidung für verfrüht – und ehrlich gesagt auch für ziemlich dumm.“
Nun, das ist gewiss kein großer Aufreger in einer wissenschaftlichen Diskussion und so berichtet sogar die „Welt“ (außer der Clickbait-Überschrift) recht ausgewogen über die ganze Geschichte (Hier der Artikel in der Welt).
Lediglich die „Bild“ ließ sich hinreißen und titelt: „Merkel-Beraterin beschimpft Kinderärzte“.
Nun erstmal: die „Merkel-Beraterin“ heißt Melanie Brinkmann und ist eine der Top-Virologinnen dieses Landes. Und dann: Frau Brinkmann hat die Kinderärzte durchaus nicht beschimpft, auch wenn die „Bild“ dies auf Biegen und Brechen so darstellen möchte. Frau Brinkmann sagte „… halte ich diese Entscheidung für verfrüht – und ehrlich gesagt auch für ziemlich dumm.“ Sie bezog sich, für so ziemlich jeden billig und gerecht denkenden Menschen klar erkennbar, lediglich auf diese eine Entscheidung und hat in keinster Weise irgendjemanden beleidigt.
Aber nicht genug, die leitende Redakteurin im Ressort Politik/Wirtschaft Lydia Rosenfelder, ließ sich noch zu einem Kommentar hinreißen, der meiner persönlichen Meinung nach nur als höchst polemisch zu bezeichnen ist. Darin schreibt sie: „Das ist die Arroganz der Macht. Die Virologin und Kanzleramtsberaterin Melanie Brinkmann erklärt Kinderärzte für ‚ziemlich dumm‘.“
Und wieder muss man sagen: dies entspricht nicht den Tatsachen. Trotzdem wird es hier von Frau Rosenfelder behauptet. Weiter heißt es: „Die Mediziner hatten sich für eine Lockerung der Maskenpflicht in Schulen ausgesprochen. Doch statt ihren Argumenten und Sorgen Gehör zu schenken, verhält sich die Virologin genau so, wie man es aus dem Corona-Beraterstab des Kanzleramts gewohnt ist. Anmaßend. Allwissend. Weit über das eigene Fachgebiet hinaus.“
Gerade die letzte Aussage ist umso pikanter, als sie von einer Politikjournalistin kommt und dass in der Berichterstattung zu dem Thema in der „Bild“-Zeitung die Moderatorin Annett Möller ausführlich zu Wort kommt. Soviel zum Thema „Weit über das eigene Fachgebiet hinaus.“
Aber gut, soll die „Bild“ dies ruhig weiter behaupten. Die Tatsachen sind ja leicht aufzufinden. Für mich persönlich stellt sich nur die Frage: Cui bono? – Wem nutzt dies?
Als Angehöriger „der Medien“ wehre ich mich immer gegen die Pauschalverurteilung, „die Medien“ hätten keine gute Figur gemacht in der Pandemie. Zu „den Medien“ gehören auch Podcasts wie der von Prof. Drosten oder den Quark Science Cops. Beides höchstinformative und wertvolle Medienformate im Kampf um Aufklärung und Wissensvermittlung.
Doch darum geht’s hier ja nicht – die „Bild“ hat einmal mehr gezeigt, wie dumm die Verdichtung, wie verdrehend die Zuspitzung und schlussendlich wie verfälschend die Meldung und der Kommentar sind. Nachgerade rufschädigend für Prof. Brinkmann. Die „Bild“ – und in deren Kielwasser auch die „Welt“ – haben sich in der Pandemie als Hetzblätter etabliert, als Büttel der Querdenker, als Multiplikator der vermeintlich wirklichen Wahrheiten. Zur Not auch so, dass gezielt Studienergebnisse ausgeblendet wurden.
Das ist kein Journalismus. Das ist Meinungsmache. In Anbetracht der gedruckten und der digitalen Reichweite von „Bild“ und „Welt“ in allen Kanälen, ist das brandgefährlich für unsere Demokratie.
Soviel Macht und Einfluss hat Frau Brinkmann (leider) gar nicht, sonst wäre die Pandemie hierzulande wohl konsequenter bekämpft worden und wir hätten nicht über 94.000 Coronatote zu beklagen.