Der starke Mann

In der letzten Zeit habe ich immer stärker das Gefühl, dass die Sehnsucht, nach einem „starken Mann“ (oder starken Frau) an der Spitze Deutschlands immer lauter werden. Einmal las ich sogar in den (a)sozialen Netzwerken den Wunsch nach einem „kleinen Diktator“. Das ist natürlich ein Irrglaube. Diktatoren bleiben niemals „klein“, ehe man es sich versieht, sind sie große Diktatoren und dann geht der ganze Kackmist, den wir schon oft genug hatten, wieder von vorne los.

Aber ich schweife ab.

Dieser „starke Mann“ soll dem Wunsch nach dann innerhalb einer Wahlperiode alle Probleme, die wir in unserem Land haben lösen. Und das ohne Einschränkungen der Lebensqualität oder persönlichen Bequemlichkeiten. Ein solcher Wunsch ist aber nicht auf Deutschland beschränkt, sondern in immer mehr Ländern zu sehen. In diesem Artikel wollen wir uns aber auf Deutschland konzentrieren.

Nun, ich selbst empfinde einen solchen Wunsch schon nicht mehr als naiv, sondern bereits als infantil, zeigt er doch, wie wenig manche Menschen bereit sind, sich selbst zu engagieren und selbst dafür zu sorgen, dass unser aller Leben besser wird. Das sind oft nur kleine Schritte, die man selber machen kann, aber viele kleine Schritte ergeben auch einen großen.

Nein, die Sehnsucht nach einem „starken Mann“ entstammt einer kindlichen Phantasie, in der jede gefühlte Ungerechtigkeit, die einem widerfährt, sofort von einem Erwachsenen (?) wieder gut gemacht wird. Wenn Torben-Tobias der Emma-Frieda das Schüppchen weggenommen hat, kommt die Mama/der Papa und schümpft! Oder so. Aber so einfach ist es nunmal nicht. Unser System ist nicht einfach. Und wer einfache Lösungen verspricht, ist ein populistischer Scharlatan.

Mich erinnert das an das Konzept des „Deus ex machina“, dem „Gott aus der Maschine“, der antiken Tragödie, der immer dann auftauchtauchte, wenn sich die Handlung in eine Ecke manövriert hat, die von den handelnden Personen nicht alleine aufgelöst werden kann. Nun möchte ich die großen antiken Dichter wie Sophokles oder Aischylos weder als naiv, noch als infantil bezeichnen, genauso wenig wie all die anderen Autor*innen, die sich dieses Kunstgriffes nach ihnen bedient haben, denn für das Theater (oder Film/Fernsehen) mag der Maschinengott ja taugen, aber für das reale Leben ist dies genauso unpraktikabel wie der starke Mann.

Allgemein habe ich mit dem Konzept des starken Mannes einige Probleme. Wir kennen ja aus der Geschichte die diversen Beispiele dieser Spezies, die ihre Länder und die Welt gewaltig in die Scheiße geritten haben. Kaiser Wilhelm, Hitler, Stalin, Mussolini you named it. Und wenn wir uns die aktuellen Beispiele anschauen, wie Orban in Ungarn, Erdogan in der Türkei oder der Kriegsverbrecher Putin in Rußland, dann sieht man doch überdeutlich, wie wenig bis gar nicht, sich die Mechanismen geändert haben. Sei es die Drangsalierung von Minderheiten, die Kollektivierung, der Populismus oder der Fanatismus. Um es mit der Bibel zu sagen: Es gibt nichts Neues unter der Sonne.

Prinzipiell bin ich ja ein liberaler Mensch. Meinetwegen kann jeder meiner Mitmenschen sein Leben so gestalten wie er es möchte, mit all seinen Interessen, Neigungen, Veranlagungen, Orientierungen und das egal, auf welcher Lebensebene. So lange niemanden anders Freiheit eingeschränkt, ist es doch egal. Mir ist egal, woher jemand kommt, welche sexuellen Neigungen jemand hat, welche Krankheiten oder Behinderungen. Alles egal, so lange er/sie mir nicht auf’n Zeiger geht.

Aber was ich nicht dulden mag (außer natürlich, wenn mir jemand auf’n Zeiger geht) ist, wenn ein Mensch oder eine Menschengruppe auf Grund dieser Eigenschaften vorsätzlich diskriminiert wird. Wir sehen es ja in Ungarn oder Rußland, wie mit den Homosexuellen oder den Transsexuellen umgegangen wird. Und das sind eben die Auswüchse, die von diesen ach so starken Männern kommen.

Genauso dumm ist es, Menschen nach ihrer Herkunft zu beurteilen. Geburtsort oder Abstammung sind weder ein Verdienst, noch ein Makel. Im Gegenteil. Es ist wohl das willkürlichste Merkmal eines Menschen, denn hierauf hat niemand Einfluss. Keine „Volksgemeinschaft“, wie es im Dritten Reich hieß, ist besser oder schlechter als die andere, und sich auf seine Abstammung etwas einzubilden ist einfach nur eines: idiotisch.

Für mich wäre es ein Gräuel, in einer uniformen und absolut homogenen „Volksgemeinschaft“ zu leben, wo derartige Willkürlichkeiten irgendeinen Einfluss auf das Leben der Menschen hat. Genauso sind mir die Menschen ein Gräuel, die die Zeit und die gesellschaftlichen Entwicklungen zurückdrehen wollen. Meine Güte, wer will denn noch in der muffigen und spießbürgerlichen Adenauer-Zeit leben?

Ja, unser aktuelles System ist nicht perfekt, das soll nicht verschwiegen werden. Und ja, wir haben einen Arsch voll Probleme am Hals, aber sich deswegen jemanden zu wünschen, der Deutschland wieder zurück in die Vergangenheit führt? Das ist schon verbrecherisch!

***

Beitragsbild: Hat der Onkel selber gemacht, mit seinen eigenen Patschehändchen

Ein Gedanke zu “Der starke Mann

  1. Was mich vor allen Dingen immer wieder schockiert, ist die unvorstellbare Dummheit der Menschen:

    Wie kommen die eigentlich darauf, dass *sie* selber nicht ins Fadenkreuz des ,,starken Mannes“ geraten?
    Gerade diejenigen, die gerne meckern, werden doch als erstes von Gestapo & Co ,,besucht“!
    Was, wenn in der Beitriebskantine Spitzel sitzen und Denunzianten etwas ,,für ihre Karriere“ tun wollen?
    Im dritten Reich ging das schnell: Im Dienstgebäude, in dem ich arbeite, war damals das Landesfinanzamt untergebracht. Da hat beim Mittagessen mal einer den Endsieg angezweifelt. Er wurde denunziert, abgeholt und hingerichtet.

    Seine Witwe musste dann übrigens noch 400 Reichsmark ,,Hinrichtungsgebühr“ bezahlen (den Kostenbescheid habe ich übrigens selber mal gesehen).

    Wenn der ,,starke Mann“ dann auf einmal Bock auf Krieg hat, wird man eben eingezogen – egal, ob man eigentlich schon zu alt ist oder nicht (s. Russland).

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