Warum wir die Schlächter der Hamas trotz allem nicht als Tiere bezeichnen sollten

Der bestialische Angriff der Hamas-Horden auf Israel ist, während ich dies schreibe, gerade mal einen Monat und ein paar Tage her und immer neue, grauenvolle Details kommen ans Licht, wie barbarisch und brutal die Schlächter der Hamas in Israel gewütet haben. Mich macht dieser Wille nicht nur zu töten, sondern dies möglichst brutal zu tun, zu vergewaltigen und auch noch die Leichen zu schänden und wie Trophäen vorzuzeigen fassungslos, sprachlos und nimmt mich mehr mit, als ich je hätte ahnen können.

Natürlich verstehe ich jeden, der Angesichts eines solchen Grauens die Täter als Tiere bezeichnet, ist es doch nur schwer zu fassen, dass dies Menschen getan haben. Aber ich selbst tue das nicht. Warum? Ganz einfach. Tiere handeln intuitiv. Sie planen nicht Monate, wenn nicht Jahre im voraus, wie sie ihre Feinde brutalst möglich abschlachten können. Tier putschen sich auch nicht mit Drogen auf, um noch brutaler handeln zu können.

Nein, diese Menschen haben sich freiwillig und bei vollem Bewusstsein dazu entschieden, ihre Mitmenschen auf derart bestialische Weise abzuschlachten und dann noch, wie ja schon gesagt, Drogen genommen, damit sie noch brutaler und ungehemmter agieren können. Sie haben sich vollkommen vorsätzlich außerhalb jede zivilisatorischer Norm und außerhalb jeder Menschlichkeit gestellt. Deshalb müssen sie auch nun auch die Konsequenzen ihres Handelns tragen. Wer sie allerdings als Tiere bezeichnet, der entbindet sie von ihrer persönlichen Verantwortung. Nein, diese Schlächter müssen die Konsequenzen ihres Tuns tragen, egal wer sie zur Rechenschaft zieht. Gleiches gilt übrigens auch für die tausende von Hamas-Unterstützern, die jetzt als keifender Mob durch die Städte Europas ziehen. Durch die Feier, die Relativierung und die Befürwortung dieser Gräueltaten machen sie sich genauso mitschuldig. Denn wer so ein Massaker gut heißt, der stellt sich ebenfalls außerhalb jeder Menschlichkeit. Um es deutlich zu sagen: wer die Getöteten verspottet, die Bilder der von der Hamas entführten Geiseln abreißt oder sich sonst wie auf die Seite der Hamas stellt, an dessen Händen klebt ebensoviel Blut, als hätte der/diejenige am 7. Oktober mitgeschossen.

Die Aufklärung ist eine der wichtigsten Epochen der deutschen Geistesgeschichte. Sie hat uns aus der selbst gewählten Unmündigkeit befreit und uns den Mut gegeben, uns unseres eigenen Verstandes zu bedienen. Außerdem hat sie uns gezeigt, dass wir unsere Furcht nicht auf irgendwelche abstrakten Konzepte von Teufeln, Dämonen oder Hexen projizieren sollten, sondern dass das wahre, das radikale Böse im Menschen an sich steckt, und Teil seiner Natur ist. Kant schreibt dazu: Dieses Böse ist radical, weil es den Grund aller Maximen verdirbt; zugleich auch als natürlicher Hang durch menschliche Kräfte nicht zu vertilgen, weil dieses nur durch gute Maximen geschehen könnte, welches, wenn der oberste subjective Grund aller Maximen als verderbt vorausgesetzt wird, nicht statt finden kann; gleichwohl aber muß er zu überwiegen möglich sein, weil er in dem Menschen als frei handelndem Wesen angetroffen wird. Und Hannah Arendt führt dazu unter den Eindrücken des Eichmann-Prozesses aus: Das radikal Böse ist das, was nicht hätte passieren dürfen, d. h. das, womit man sich nicht versöhnen kann, was man als Schickung unter keinen Umständen akzeptieren kann, und das, woran man auch nicht schweigend vorübergehen darf. Es ist das, wofür man die Verantwortung nicht übernehmen kann, weil seine Folgerungen unabsehbar sind und weil es unter diesen Folgerungen keine Strafe gibt, die adäquat wäre. Das heißt nicht, daß jedes Böse bestraft werden muss; aber es muss, soll man sich versöhnen oder von ihm abwenden können, bestrafbar sein.

Ein Gedanke zu “Warum wir die Schlächter der Hamas trotz allem nicht als Tiere bezeichnen sollten

  1. Lieber Onkel Michael, ich folge Dir gerne und stimme Deinen Ausführungen zu. Du schreibst richtig:

    Wer sie allerdings als Tiere bezeichnet, der entbindet sie von ihrer persönlichen Verantwortung. Nein, diese Schlächter müssen die Konsequenzen ihres Tuns tragen, egal wer sie zur Rechenschaft zieht. Gleiches gilt übrigens auch für die tausende von Hamas-Unterstützern, die jetzt als keifender Mob durch die Städte Europas ziehen.

    Und gleichzeitig schreibst Du, Am Israel chai:

    Und ich sehe die jubelnden Menschen in Gaza, die sich um die geschändeten Leichen der Opfer balgen, als wären sie geifernde Hyänen.

    […]

    Was diese blutgierigen Terroristen getan haben, lässt sich durch nichts erklären, relativieren oder begründen. Wer solche Taten begeht, der hat jeden Anspruch auf Menschlichkeit verwirkt.

    Das geht – auch mit dem Verweis auf Thomas Hobbes – nicht zusammen. Selbst die von Hannah Arendt viel zitierte Banalität des Bösen hilft hier nicht weiter. Damit wir uns diese Gräueltaten entschieden entgegenstellen können, sind wir gezwungen sie als etwas allzu Menschliches zu begreifen, und zwar gerade weil sie unser sittliches Empfinden so stark berühren.

    Im neuen Jahr wieder für eine bessere und aufgeklärte Welt. Danke für Dein Engagement.

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