Vom Unsinn der Rothschild-Theorie

Der Name Rothschild ist sicherlich einer der bekanntesten und am negativsten konnotierten Namen, wenn es um antisemitische Verschwörungstheorien geht. Die Bankiersdynastie wird seit Jahrhunderten als typische Vertreter der „Finanzjuden“ bzw. „Weltjudentum“-Verschwörung für so ziemlich alles Negative verantwortlich gemacht, was in der Welt so passiert. Die Hetzkampagnen und Verschwörungstheorien, die auf Kosten der Rothschilds gehen, sind Legion.

Bereits als der Stammvater Mayer Amschel Rothschild (gelegentlich auch Mayer Anselm Rothschild) neben seinem Handel mit Antiquitäten und Münzen begann, erste Bankgeschäfte zu tätigen, war er äußerst erfolgreich. Bereits im Jahr 1797 verfügte seine Firma über ein Vermögen von 108.504 Gulden. Dies zog natürlich Neid und Missgunst auf die Familie Rothschild und als Mayer Anschelm dann über seine Kontakte zu Kriegszahlmeister Carl Friedrich Buderus auch ins Geschäft mit Wechseldiskontkrediten des Landgrafen von Hessen-Kassel größer einsteigen konnte, galt er als neureicher Emporkömmling.

Zur gleichen Zeit verstärkte Mayer Anschelm Rothschild auch seine Geschäftskontakte nach Großbritannien, wo ab etwa 1798 sein dritter Sohn Nathan Mayer Rothschild lebte und die Geschäfte führte. Ab 1810 eröffnete sein jüngster Sohn Jakob auf Vermittlung des von Napoleon eingesetzten Großherzogs von Frankfurt, Karl Theodor von Dalberg eine Rothschild-Dependance in Paris eröffnen.

Dadurch, dass die Rothschilds nun Niederlassungen sowohl in London wie auch Paris, also in den Hauptstädten zweier feindlich gegenüberstehender Nationen, betrieb, zog wieder üble Nachreden hinter sich. So wurde beispielsweise behauptet, dass Nathan Rothschild in London auf Spekulationen auf den Ausgang der Schlacht bei Waterloo getätigt hätte. Angeblich soll er durch seine Agenten in Belgien schon um einiges früher vom Sieg der Koalitionstruppen erfahren haben und daraufhin durch das Vortäuschen eines französischen Sieges die Börsenkurse manipuliert haben, was ihm einen riesigen Gewinn eingebracht haben soll. Auch soll Nathan einen französischen General bestochen haben, damit die Koalitionstruppen gewinnen. An dem allen ist natürlich nichts dran. Allerdings wurde diese Erzählung immer wieder hervorgekramt und nahm auch Eingang in den antisemitischen Propagandafilm „Die Rothschilds“ von 1940.

Mayer Anschelm Rothschild setzte sich auch stark für die Emanzipation der Frankfurter Juden ein, die am 7. Februar 1811 mit der „Höchsten Verordnung, die bürgerliche Rechtsgleichheit der Judengemeinde zu Frankfurt betreffend“ von Großherzog Karl Theodor von Dalberg erreicht werden konnte. Dies wurde ebenfalls negativ von der christlichen Umgebung konnotiert.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben bezeichnete die Rothschilds in einem Gedicht von 1843 als die „Juden der Könige“ und „Gläubiger des Herren“, was Richard Wagner in seinem antisemitischen Pamphlet „Das Judentum in der Musik“ aufgriff und behauptete, dass es ein „jerusalemisches Reich“, also einen jüdischen Staat in Palästina, nur deshalb nicht gäbe, weil Rothschild lieber „Jude der Könige“ wäre, als der „König der Juden“.

Durch ihr weltweites Firmennetz wurde den Rothschilds immer wieder unterstellt, sie wären nur sich selbst, aber nicht ihrem Vaterland gegenüber loyal. Durch ihren immensen Reichtum würden sie Kriege verhindern können oder ausbrechen lassen oder Monarchen stürzen können. Sie waren durch ihre Geschäftstüchtigkeit, ihre Verbindungen zu Regierungen und Fürsten, ihr Selbstbewusstsein und das vorgenannte Firmennetz schon bald als „Geldjuden“ verschrien, die eine jüdische Weltherrschaft errichten wollten. 1828 schrieb Fürst Pückler-Muskau, ohne die Rothschilds scheine „keine Macht in Europa Krieg führen zu können“. Vergleichbare Äußerungen findet man auch bei Ludwig Börne, österreichischen Diplomaten und Antisemiten wie Alphonse Toussenel, der dazu schrieb: „Der Jude spekuliert auf den Frieden, das heißt auf die Hausse, und das erklärt, warum der Frieden in Europa schon15 Jahre währt.“ Die Bereitschaft und die Fähigkeit, einen Krieg zu verhindern, wird aus heutiger Sichtpositiv bewertet. Im 19. Jahrhundert sah man im Krieg jedoch ein legitimes politisches Mittel und der den Rothschilds aus Geschäftsinteresse unterstellte Pazifismus stieß auf Kritik. Während der italienischen Unabhängigkeitskriege schrieb Earl Shaftesbury, dass es „merkwürdig, beängstigend, erniedrigend“ sei, dass „das Geschick dieser Nation der Spielball eines ungläubigen Judens ist“. Auf vergleichbare harsche Kritik stieß der Einsatz von August Belmont, dem Agenten der Rothschilds in Nordamerika, für Friedensverhandlungen zwischen den Parteien des Sezessionskrieges. „Geld ist der Gott unserer Zeit und Rothschild ist sein Prophet“, schrieb Heinrich Heine im März 1841. Alphonse Toussenel, ein französischer Journalist und Schriftsteller, verbandin dem 1846 erschienenen Buch Die Juden, Könige der Epoche: Eine Geschichte des Finanzfeudalismus seine Kritik an den Konditionen, zu denen James de Rothschild die Konzession an der Bahnlinie von Paris nach Belgien erwerben konnte, mit einem Argument gegen das Judentum an sich: Frankreich sei „an die Juden verkauft“ worden, und die Eisenbahnlinien ständen direkt oder indirekt unter der Kontrolle von „Baron Rothschild, der König der Finanzwelt, ein Jude, der von einem sehr christlichen König zum Baron gemacht wurde“.

Natürlich bekamen die Rothschilds in den „Protokollen der Weisen von Zion“ eine herausragende Rolle zugewiesen und auch noch heute werden sie mit den Gates, Soros, den Windsors, den Bushs etc. als dunkle Macht hinter den Plänen zur Errichtung einer New World Order (NWO) mit Einheitsregierung und –wirtschaft genannt.

Die Wirtschaftshistoriker Niall Ferguson und Roman Sandgruber haben unabhängig voneinander die Rothschild-Geschäfte untersucht und beide kommen zu dem Ergebnis, dass sich die Geschäftspraktiken der Familie Rothschild nicht von denen ihrer Konkurrenten unterschied. Der Aufstieg der Rothschilds war einem guten Geschäftssinn, vorausschauenden Entscheidungen, guten Verbindungen und viel Glück geschuldet und keinen finsteren Verschwörungsmachenschaften.

Beitragsbild: Antisemitische Karikatur der fünf Söhne Mayer Anschelm Rothschilds. Quelle: Wikicommons

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