Vom Zauber des Augenblicks

Wenn ich heute Veranstaltungen besuche, dann habe ich mir das vorher genau überlegt. Konnte man früher™ noch jedes Konzert, jeden Vortrag oder jede Lesung größtenteils ungestört genießen (gut, irgendwelche Flachpfeifen, die sich nicht benehmen können hat man ja immer), wird jede öffentliche Zusammenkunft zu einer Geduldsprobe.

Bereits vor dem Beginn fangen sie nämlich an: die Smartphone-Affen. Wie lobotomierte Bonobos, die nur dem Trieb gehorchen, wird das Handy herausgekramt und jedes Detail des Veranstaltungsraumes genauestens abgelichtet oder in Videos festgehalten. Selfies von sich und der Begleitung in möglichst dämlichen Posen sind da noch harmlos. Besonders nervig wird es dann, wenn etwa das Orchester anfängt zu spielen, das Künstlernde anfängt zu künstlern oder was auch immer beginnt. Dann werden die Dreckshandys hochgehalten, so dass der normale Besucher außer den gichtigen Bratzen seiner Mitmenschen nichts mehr sieht. Natürlich kommen dann auch noch die Blitzlichtaufnahmen. Als ob der Blitz an dem grindigen Smartphone auch nur irgendwas in einem Konzertsaal bewirkt. Im Gegenteil, das Geblitze bringt nicht nur Epileptiker an den Rand der Leidensfähigkeit, sondern auch die Künstler im schlimmsten Fall aus dem Konzept.

Selbst bei der Weihnachtsmesse im Petersdom ticken die schwarzberockten Pfaffen, Ordensleute (jedweden Geschlechts) oder was auch immer da fleucht vollkommen aus und filmen und fotografieren und blitzen, dass der arme Papst sich wie ein Reh auf der Autobahn vorkommen muss.

Und ja, ich höre jetzt schon wieder das Gesülze: Lass sie doch, sei doch nicht so, die Leute wollen sich doch nur Erinnerungen bewahren…. Am Arsch die Räuber, der größte Teil dieser Fotos und Videos landen doch eh im Papierkorb oder vermodern irgendwo im Speicher, bis ein neues Handy gekauft.

Ja, ich bin ein altmodischer Hund und möchte einfach den Augenblick genießen und dass ohne Blitzlichtgewitter und grindigen Wixgriffeln in der Luft. Meine Güte, kann man sich denn nicht einfach benehmen, wie ein zivilisierter Mensch? Vor allem bringt es doch eh nichts. Der größte Teil der Fotos ist verwackelt und die Videos hören sich doch eh an, als würde Oppa Kosslowski inne Metalleimer pinkeln. Genießt doch einfach den Augenblick. Lehnt euch zurück (wenn ihr einen Sitzplatz habt, ansonsten nicht, sonst fallt ihr auffe Schnauze), schließt vielleicht sogar die Augen und genießt die Musik, die Lesung oder was auch immer. Aber lasst euer Dreckshandy in der Tasche.

Der einzige Vortragende, der sich dagegen gewehrt hat, dass während seines Vortrages herumgeblitzt wird und das Auditorium dazu aufforderte, sich auf den Inhalt zu konzentrieren, war tatsächlich Erich von Däniken. Der drohte sogar mit dem Abbruch der Veranstaltung und wisst ihr was? Es hat tatsächlich funktioniert. Kein Blitzlichtgewitter, keine sichtversperrenden Gichtgriffel, einfach ein netter, entspannter Vortrag.

Warum nicht immer so?

2 Gedanken zu “Vom Zauber des Augenblicks

  1. Er ist nicht der einzige Künstler. Auch der international angesehene iranische Sänger Shajarian forderte in Köln in höflichem Worten und ruhigem Ton sein Publikum auf, während des Konzerts die Handy Foto und – Video-Blitzlichtbelagerung der Musiker auf der Bühne zu beenden. Er erklärte den Besuchern, es sei ihm und seinen Kollegen so unmöglich, sich zu konzentrieren und die Performance zu bieten, die sein Publikum von Ihnen gewöhnt sei.
    Es wirkte.

  2. Prost – so träffend mit em Flöigetätscher druf.

    Aberäbe, nume ei Flöige.

    Mit freundlichen Grüssen Heinz

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..