Die Pest in biblischer Zeit
Der strafende Gott des Alten Testaments benutzte die Pest immer wieder, um zu geißeln, oder den Israeliten zu helfen. Es ist allerdings nicht anzunehmen, daß die Pest, von der in der Bibel die Rede ist, die gleiche Krankheit ist, die im Mittelalter Tausenden von Menschen das Leben kostete.
Im Buch Exodus finden wir den ersten Hinweis auf die Krankheit. Dort heißt es (5,3): Da sagten sie: Der Gott der Hebräer ist uns begegnet, und jetzt wollen wir drei Tagesmärsche weit in die Wüste ziehen und Jahwe, unserem Gott, Schlachtopfer darbringen, damit er uns nicht mit Pest oder Schwert straft. (5) Vier Kapitel weiter (9,15) beauftragt Gott Moses, am nächsten Tag zum Pharao zu gehen, und ihn aufzufordern die Hebräer freizulassen, damit sie ihm dienten, ansonsten würde er alle seine Plagen gegen die Ägypter anwenden. Ich hätte jetzt dich und dein Volk durch die Pest schlagen können, daß du von der Erde verschwunden bist. (5).
Im Anschluß an die Heiligkeitsgesetze im Buche Leviticus droht Jahwe dem Volk Israel: Ich lasse unter euch ein Schwert kommen, das den Bundesbruch rächen wird. Zieht ihr euch in die Städte zurück, dann sende ich die Pest in eure Mitte, und ihr werdet in die Gewalt der Feinde gegeben (26,25). (5)
Bei Numeri, 14,12 und Deuteronomium 28,21 und 32,24 setzt Gott die Pest als Strafe ein. Ähnlich sieht es auch im Zweiten Buch Samuel aus: David, der König des Volkes Israel erzürnte den Gott Zebaoth, und dieser ließ ihm durch den Propheten Gad (24,13 – 15) ausrichten: Was soll über dich kommen? Sieben Jahre Hungersnot in deinem Land? Oder drei Monate, in denen dich deine Feinde verfolgen und du vor ihnen fliehen mußt? Oder soll drei Tage lang die Pest in deinem Land wüten? Überleg dir sehr genau, was ich dem, der mich gesandt hat, als Antwort überbringen soll. Da sagte David zu Gad: ‚Mir ist sehr bange. Wir wollen lieber in die Hände Jahwes fallen; denn groß in sein Erbarmen. In die Hände von Menschen dagegen möchte ich nicht fallen.‘ So wählte David die Pest. Es waren aber gerade die Tage der Weizenernte. Da ließ Jahwe eine Pest über Israel kommen vom Morgen bis zur festgesetzten Zeit, und die Seuche schlug das Volk, und es starben aus dem Volke von Dan bis Beerscheba siebzigtausend Mann. (5) Die gleiche Begebenheit wird auch im ersten Buch der Chronik, 21,12 – 15 beschrieben.
Im 91. Psalm heißt es: Nicht die Pest, die umgeht im Dunkel; nicht die Seuche, die hereinbricht am Mittag … Du, der du sprichst: Meine Zuflucht ist Jahwe, der du den Höchsten zum Schutze erkoren. So wird dir begegnen kein Unheil, keine Plage wird nahn deinem Zelte. (5)
Bei Jesus Sirach, 23,12 werden schändliche Reden ebenfalls mit der Pest verglichen und im 39,29 wird neben Feuer, Hagel, Hunger, Stürmen und einer Vielzahl anderer Strafen, die Gott über die Menschen verhängen kann, auch die Pest genannt. Im weiteren Verlauf des Buches verhängt Jahwe auch diese Strafe über das unbußfertige Jerusalem und ist in seiner Entscheidung unerbittlich, denn im 12. Vers des 14. Kapitels lehnt er jede Verschonung ab, auch wenn man ihm Brand- oder Speiseopfer darbieten würde. Niemand kann seinem Schicksal entgehen (15,2). Auch im Kapitel 21, Vers 6 – 9 des Buches Jeremia droht der Gott Zebaoth mit der Verhängung der Pest, ebenso wie an 13 anderen Textstellen dieses Buches.
Auch in den Büchern Baruch, Ezechiel und Amos kommen Menschen durch die Pest um, entweder als Strafe Gottes oder als Folge eines Krieges. Eine interessante Aussage finden wir bei Habakuk, 3,5. Dort wird das Kommen Jahwes beschrieben und Habakuk schreibt: Vor ihm her geht die Pest, die Seuche folgt seinen Schritten. (5) Dies ist dann auch die letzte Erwähnung der Pest im Alten Testament.
Das Neue Testament dagegen ist relativ „ruhig“. Hier finden wir nur eine konkrete Erwähnung, nämlich im 24. Kapitel der Apostelgeschichte im fünften Vers. Diese Textstelle bezieht sich allerdings nicht auf die Krankheit, sondern ist metaphorischer Natur. Hier wird Paulus nach einer Verschwörung angeklagt, und der Ankläger meint: Wir finden nämlich, dieser Mann ist eine Pest, ein Unruhestifter bei allen Juden in der Welt und ein Rädelsführer der Nazoräersekte. (5)
Eine von Albrecht Dürer graphisch umgesetzte Textstelle finden wir im letzten Abschnitt des Neuen Testamentes, in der Apokalypse des Johannes. Im sechsten Kapitel dieses Buches werden vier Reiter auf die verderbte Menschheit losgelassen. Hierbei handelt es sich um die vier apokalyptischen Reiter, die eben von Albrecht Dürer in einem Holzschnitt aus dem Jahre 1498 dargestellt sind. Interessant ist hier der achte Vers des sechsten Kapitels, in dem die letzte Plage entfesselt wird. Und ich sah und siehe: ein fahles Roß; und der darauf saß hatte den Namen ‚der Tod‘; und das Totenreich war sein Gefolge. Und es wurde ihnen die Macht gegeben über den vierten Teil der Erde zu töten mit Schwert und Hunger und Pest und durch die wilden Tiere der Erde. (5)
Bemerkenswert ist hier, daß die Pest ausdrücklich benamt ist, sozusagen gleichwertig neben den anderen Instrumenten des Todes steht, und wie exakt bestimmt wird, wieviel Menschen sterben müssen.
Wie gesagt, es waren vier Reiter der Apokalypse, und jedes Pferd hatte eine andere Farbe und repräsentierte somit auch ein anderes Greuel, das über die Menschheit kommen sollte. Das erste war weiß und symbolisiert somit den Krieg. Diese Allegorie geht auf die Römer zurück, denn bei den Römern ritt der siegreiche Feldherr auf einem weißen Pferd an der Spitze des Triumphzuges.
Der nächste Reiter hat ein feuerrotes Pferd und kündigt somit das Blutvergießen eines Bürgerkrieges an. Schwarz ist die Farbe des dritten Rosses, und dieses kündigt die Teuerung und die Hungersnot an. Die Farbe Schwarz deutet darauf hin, daß die in diese Farbe gewandete Plage ein Diener des göttlichen Gerichtes ist. Bei dem fahlen Tier des letzten Reiters handelt es sich um die grüngelbliche Farbe der Leichen, und dies symbolisiert, daß der Tod der Herr über die danach aufgeführten Gefahren ist. Somit haben wir also den Krieg, den Bürgerkrieg, Hunger und Teuerung sowie den Tod als die vier apokalyptischen Reiter, auch wenn sie landläufig nur als Pest, Krieg, Hunger und Tod betitelt werden.
Die Seuche in der Antike
Im Jahre 1295 v. Chr. tobte angeblich der Krieg zwischen Minos und Athen. Während dieser Zeit soll die Insel Ägina durch eine gewaltige Pestepidemie entvölkert worden sein. Ovid (43 v. Chr. bis 18 n. Chr.) beschreibt diese Seuche im siebenten Buch seiner Metamorphosen (Zeile 536 ff.)
Die Seuche verlief nach dem Bericht klassisch und befiel zuerst die wildlebenden Tiere, dann die Hunde und das gesamte Vieh auf der Insel. Die Bewohner wurden sehr bald infiziert und auch die Stadt nicht verschont.
Einen weiteren Bericht über einen Ausbruch der Krankheit finden wir in der Illias des Homer , in deren erstem Gesang er berichtet, daß unter den Griechen, die Troja belagerten, die Pest auftrat. Wie zuvor bei Ovids Schilderung befiel die Seuche wieder zuerst die Hunde, dann die Pferde und die Maulesel, von denen die Krankheit dann auf die Menschen überging.
Immer handelt es sich um eine Tiere und Menschen gleichermaßen betreffende Krankheit, die von den lateinischen Autoren, und besonders von Titus Livius, erwähnt und im Laufe von fünf Jahrhunderten, die der ersten christlichen Ära vorangingen, mit einer keinen Zweifel mehr hinterlassenden Beharrlichkeit und Genauigkeit beschrieben wurde. Dionysios von Halicarnassos machte sie im Jahre 488 ausfindig. 461 vor Christus wurde sie von Bauern, die vor der Invasion der Volsker mit ihren Tieren in die Stadt flohen, nach Rom geschleppt. 451, 430, 423 und 397 erschien die Seuche in Rom und den benachbarten Ländern aufs Neue. 212 wurden die sich im Kampf befindlichen römischen und karthagischen Heere auf Sizilien von einer Krankheit ausgerottet, die der Dichter Silius Italicus sehr genau beschreibt … Auch dieses Mal wurden zuerst Hunde, dann Vögel, darauf wilde Tiere und schließlich die Menschen angesteckt. (7) Diese Krankheit begann plötzlich mit Schüttelfrost, Fieber, dem Austrocknen der Schleimhäute und heißem Atem. Die Lungen wurden in Mitleidenschaft gezogen. Das Ende war Auszehrung und Tod.
In der antiken Literatur finden wir zahlreiche Berichte über die Pest, so bei Vergil (70 v. Chr. bis 19 v. Chr.), Homer und Thukydides (460 v. Chr. bis 395 v. Chr.). Von Vergil sind uns einige Vorschriften bekannt, die im Umgang mit erkranktem Vieh erlassen wurden. So durften die verendeten Tiere weder abgebalgt, noch ihr Fell verwertet werden, da dieses weder durch die Luft noch das Feuer von den Erregern befreit werden konnten. Auch Schafe durften nicht geschoren werden, ja sogar das Berühren der Wolle war verboten. Man wußte also schon, daß die Krankheit durch die Haut in den Organismus kam. Wie sich die Tiere aber ansteckten, war nicht bekannt. Bei der Pest war die damalige Medizin an ihre Grenzen gestoßen, und auch die Götter konnten nicht helfen.
Diese Tierseuchen traten allerdings recht häufig in der Antike auf. Lukrez (98 v. Chr. bis 55 v. Chr.) erwähnt dies in seinem sechsten Buch der De natura rerum und nennt das heilige Feuer, welches auch Vergil beschrieben hat. Bei ihm kann man besonders anschaulich die Einzelheiten der verschiedenen Erkrankungen nachlesen. Bei Columella finden wir die Beschreibung einer Ziegenpest, der caprarum pestilentia, die allerdings keinem heutigen Krankheitsbild entspricht, weder den Schafpocken noch dem Milzbrand. Columella schreibt, daß diese Krankheit ganze Herden dahinraffte, und man viele Rinder töten mußte, um die Ansteckung zu vermeiden. Diese Seuche sei auch bei Schweinen aufgetreten.
Während der ersten nachchristlichen Jahrhunderte wütete die Pest, wie sie von Ovid und Homer beschrieben wurde, in weiten Teilen des südlichen Europas. Von einer große Pestepidemie wissen wir um 130 n. Chr. in ganz Italien, dies war die Herodianische Pest, bei der viele Menschen und Tiere starben. Die nächste Epidemie erreichte den italienischen Stiefel um 216 n. Chr.
Ganz sicher kann man die Rinderpest zum ersten Mal in der Viehseuche von 376 bis 386 identifizieren. In dieser Beziehung bedeutet das in Gesprächsform eingekleidete Gedicht von Serverus Sanctus ein äußerst interessantes Dokument. Die aus dem Orient kommende Krankheit verwüstete Belgien, Flandern, Pannonien und Illyrien, bevor sie die römischen Länder erreichte. Im Verlauf des 5. Jahrhunderts wütete die Rinderpest von neuem in Zentral- und Mitteleuropa. Noch einige Jahrhunderte lang sollte die Menschheit mit derselben Schicksalsergebenheit dieselben Plagen ertragen müssen. (7)
Unter den Toten der Pest in Griechenland war auch Perikles, Sohn des Xanthippos (um 535 v. Chr. bis 470 v. Chr.) und der Alkmeonidin Agariste, Großneffe des Kleisthenes, geboren um 500 v. Chr. Der Athener Staatsmann stand als Stratege lange Jahre an der Spitze des attischen Staates. Als allerdings im Zuge des Peloponesischen Krieges im Jahre 430 v. Chr. die Pest in Athen ausbrach, wendete sich das Blatt für Perikles. Er wurde als Stratege abgesetzt und sogar wegen angeblicher Unterschlagungen angeklagt und verurteilt. 429 v. Chr. wurde er allerdings wieder rehabilitiert. Nachdem schon seine Söhne Xanthippos und Paralos an der Seuche starben, fiel ihr, im gleichen Jahr wie seine Rehabilitierung, auch Perikles anheim.
(5) Die Bibel: Die heilige Schrift des alten und neuen Bundes. – Wien 1990.
(6) Illustrierte Geschichte der Medizin. – Salzburg
Bd. 1, 1980.
(7) Illustrierte Geschichte der Medizin. – Salzburg
Bd. 2, 1980.