Kokosöl ist der neue große Hype im Netz. Wenn man in den speziellen Nutzergruppen recherchiert, merkt man, dass dieses Fett momentan auf alles geschmiert wird, das sich nicht wehren oder flüchten kann. Auf die Haare, Beine, Füße, Arme, Hintern und was weiß ich noch wo am Körper wird es hingeschmiert, aufgelöst getrunken und das Ganze soll dann zum Abnehmen helfen, gegen Zecken schützen oder irgendwelche anderen Effekte haben. Kurz und gut, Kokosöl soll ein wirkliches Supernahrungsmittel sein, das uns ewige Gesundheit, Schönheit und kulinarische Genüsse schenkt.
Gut, gerade in der asiatischen Küche wird es oft eingesetzt und das schon seit längerem, aber taugt es auch zur Gesundheitsvorsorge? Das glaube ich weniger…
Und da bin ich nicht alleine. Die American Heart Association beispielsweise hat über 100 Studien ausgewertet und kam zu dem Schluss, dass Kokosöl durch seinen hohen Gehalt an gesättigten Fettsäuren (92%) den LDL-Wert im Blut signifikant erhöht und hierdurch der Auslöser für Herz-Kreislaufkrankheiten sein kann. (1) Soviel also hierzu. Aber dann muss es doch wenigstens beim Abnehmen helfen? Äääääh… auch nicht so ganz. Der Abnehmerfolg soll durch sogenannte mittelkettige Fettsäuren (Triglyceride) hervorgerufen werden, die im Kokosöl enthalten sind. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat nun eine Untersuchung (2) hierüber durchgeführt und ist zu dem Schluss gekommen, dass diese mittelkettigen Fettsäuren kein geeignetes Mittel [sind], um langfristig Gewicht zu verlieren. Die teilweise vorhandenenen Studien, die dies bescheinigen, weisen schwere handwerkliche Fehler auf und sind somit nicht relevant.
Wer sich fundiert über Kokosöl in der Ernährung informieren möchte, kann dies durch den Vortrag von Frau Prof. Dr. Dr. Michels vom Universitätsklinikum Freiburg [hier] tun.
Aber komm, Zecken! Das Zeugs muss doch gegen Zecken helfen… oder? Nun ja… auch nicht richtig… Viele Menschen schrecken vor der „Chemie“ in den handelsüblichen Abwehrmitteln (Repellents) zurück und vertrauen auf die im Kokosöl enthaltene Laurinsäure. Angeblich wird dieser Effekt durch Studien belegt. Man muss sich aber diese Studien genau anschauen. In einer wird Kokosöl gar nicht erwähnt, eine zeigt eine geringe Wirkung und eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Öle nutzlos sind.
Was bleibt also? Eine – wenn überhaupt – deutliche geringere Wirksamkeit von Kokosöl gegenüber handelsüblichen Repellents. Nun, für manchen mag ein angenommenes geringeres Nebenwirkungsrisiko trotzdem für das Kokosöl sprechen. Eine im Grunde vernünftige Überlegung. Aber man bedenke: Kokosöl ist „auch Chemie“. Der wirksame Bestandteil ist Laurinsäure (Dodecansäure), eine der Buttersäure verwandte Substanz, C12H24O2. Im GHS-Gefahrstoffsystem in die Kategorie T – ätzend – eingestuft („Auf Metalle korrosiv wirkend, hautätzend, schwere Augenschädigung“). Wer will da die Dosis selbst bestimmen oder entscheiden, wie oft „Ölwechsel“ gemacht werden sollte (das Zeug ist übrigens wasserunlöslich)? Stellt sich immerhin die Frage, ob man die verlässlich abgemessenen Dosierungen der üblichen Repellents nicht doch vorziehen sollte. (3)
Weiters wird noch berichtet, dass dieses Wundermittel gegen Karies und Alzheimer wirken soll. Auch dazu gäbe es Studien, heißt es. Mit diesen Studien räumt der Hamburger Verbraucherschutz allerdings schnell auf. Zu der angeblichen Wirkung gegen kariesauslösende Bakterien schreibt die Verbraucherschutzorganisation: Berichtet wird hier über eine Untersuchung, bei der mit fettspaltenden Enzymen behandeltes Kokosöl darauf untersucht wurde, ob es gegen bekannte, kariesauslösende Bakterien wirkt. Die Behandlung mit fettspaltenden Enzymen sollte die Fettverdauung im menschlichen Körper nachahmen. Die beginnt aber erst im Magen. Uns ist schleierhaft, wie das mit der Nahrung aufgenommene Kokosöl im Mund diese Wirkung entfalten soll, wenn es erst im Magen mit den fettspaltenden Enzymen in Kontakt kommt. (4) Das ist doch mal recht eindeutig.
Und was ist mit Alzheimer? Den handelt die Verbraucherzentrale kurz und knackig ab: Die Studie der Kinderärztin Dr. Mary Newport, England, 2000er-Jahre: Dies ist ein anekdotischer Einzelfallbericht, der nicht als Beweis für die Wirksamkeit von Kokosöl gegen Alzheimer gelten kann. Interessanterweise wird dies auf der von http://www.kokosoel.info verlinkten Website auch genauso bewertet, auf der eigenen Seite jedoch verschwiegen. (4)
Also was machen wir nun mit dem Kokosöl? Nun, in der Küche kann es ja seinen Platz haben (wobei Raps- oder Olivenöl sicherlich eine sinnvollere Alternative darstellt, schon wegen des CO2-Abdrucks beim Import), aber in puncto Gesundheit sollte man nicht auf falsche Versprechungen im Internet vertrauen und die Finger vom Kokosöl lassen. Oder wie es der Apotheker Christian Czopnik im „Gesundheitskompass Mittelhessen“ so trefflich schrieb: Im Übrigen ist es kaum glaubhaft, dass Kokosöl, wie im Internet zu lesen ist, gleichzeitig gegen Zecken, Flöhe, Läuse, Milben, Akne, Pickel, Augenringe und Falten, Alzheimer und Demenz, Parodontitis und erhöhte Blutfettspiegel wirksam sein soll. (5)
(1) Dietary Fats and Cardiovascular Disease: A Presidential Advisory from the American Heart Association. Abgerufen am 16. August 2018.
(2) Mittelkettige Triglyceride für die Adipositastherapie nicht empfehlenswert. Abgerufen am 17. August 2018.
(3) Vielen Dank an dieser Stelle an meinen Freund Udo Endruscheit vom Keine Ahnung von Garnix-Blog, der mich bei der „Studienarbeit“ sehr untersützt hat!
(4) Kokosöl und was davon zu halten ist. Abgerufen am 16. August 2018.
(5) Schützt Kokosöl vor Zecken? In: Gesundheitskompass Mittelhessen. H. 3, 19(2016), S. 11.
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