Es war einmal ein Mann, der backte gerne Torten und Kuchen und süße Teilchen. Er hatte eine kleine Bäckerei und stand in der Backstube und seine Frau verkaufte die Torten und Kuchen und süßen Teilchen dann an die Kunden.
So gut seine Zuckerbäckereien auch waren, er verkaufte nicht genug. Denn in der Stadt gab es noch einen anderen Konditor, der schon seit Jahrzehnten sein Geschäft betrieb und der einen sehr guten Ruf hatte und von nah und fern kamen die Menschen zu ihm und kauften seine Torten und Kuchen und süßen Teilchen.
Und das ärgerte den Mann. Er wollte der beliebteste Zuckerbäcker der Stadt sein und zu ihm sollten die Menschen aus nah und fern kommen.
Da schmiedete er zusammen mit seiner Frau einen gemeinen Plan. Sie wollten böse Sachen über den anderen Zuckerbäcker erzählen, damit die Leute nicht mehr dort einkaufen wollten. Und das taten sie auch. Sie wussten, dass sie über die Torten und Kuchen und süßen Teilchen des anderen Zuckerbäckers nichts Negatives sagen konnten, weil alle wussten, wie toll sie schmecken. Da erzählten sie eben über den anderen Zuckerbäcker selbst böse Sachen. Dass er ein böser Mensch ist und keine Ausländer mag und überhaupt niemanden, der anders ist als er, und dass er ein ganz, ganz böser alter Nazi ist. Das erzählten die beiden erst ihren Freundinnen und Freunden und ihren Verwandten und von dort aus verbreitete es sich in der ganzen Stadt.
Währenddessen ging der Mann vor seinem Geschäft auf und ab und verkündete, wie gut er sei und wie sehr er selbst Ausländer und alle anderen mochte und dass er kein so ein böser alter Nazi sei wie der andere Zuckerbäcker. Und er erzählte allen Menschen, was er für ein guter und moralisch einwandfreier Mensch er sei und was für eine gute und edle Gesinnung er hatte.
Für kurze Zeit hatte er auch damit Erfolg. Einige Kunden des anderen Zuckerbäckers blieben dort weg und kauften jetzt bei ihm. Aber viele besannen sich nach einiger Zeit und dachten nach und erinnerten sich, was für ein netter Kerl der andere Zuckerbäcker doch immer war und niemand konnte sich vorstellen, dass er so ein böser Mensch sein sollte. Vor allem, weil er früher immer so gute Sachen gemacht und soviele Menschen unterstützt hatte. Und so kehrten die Kunden wieder zu dem anderen Zuckerbäcker zurück und als man merkte, wie sehr der Mann und seine Frau die Menschen hinters Licht geführt hatte, glaubte ihm niemand mehr auch nur ein Wort. Niemand kaufte mehr bei ihm ein und der Mann und seine Frau mussten ins Armenhaus ziehen, wo sie dann verhungerten, weil niemand mehr etwas mit ihnen zu tun haben wollte.
Und wenn der andere Zuckerbäcker nicht gestorben ist, verkauft er noch heute fröhlich seine Torten und Kuchen und süßen Teilchen.
~~~~~ Ende ~~~~~
Das war natürlich nur eine kleine Geschichte, die sich der Onkel ausgedacht hat, um euch etwas zu erklären. Glücklicherweise kennt der Onkel keine solchen Arschgeigen, die sich auf Kosten anderer profilieren. Aber ich wollte euch mal erklären, wie „virtue signaling“ funktioniert.
Virtue signaling bezeichnet das Zuschaustellen der „richtigen“ moralischen Werte. Oftmals ist es aber mehr Zeichen einer vermeintlichen moralischen Überlegenheit gegenüber anderen, die klar benannt und vorgeführt werden. Hierfür genügt auch bereits der kleinste Hauch der Abweichung, schon kommen diese Herrschaften aus ihren Löchern, zeigen mit dem Finger auf andere und erheben sich.
Ab und an liest man, dass bereits diese anlassbezogenen Profilbilder bei Facebook oder Twitter bei Naturkatastrophen, Amokläufen oder ähnlichem, als virtue signalling gelten. Da weiß ich aber nicht, ob man das so stehen lassen kann, meinem persönlichen Gefühl nach, steckt speziell hier bei diesen Profilbildern doch eher die Hilflosigkeit angesichts eine Katastrophe dahinter. Man kann selber – außer spenden – nichts für die Opfer eines Erdbebens, eines Tsunamis oder eines Verwandtenbesuchs tun und fühlt sich eben hilflos. Und dann kann man wenigsten so ein bisschen Solidarität signalisieren. Gut, das ist jetzt nur mein ganz persönliches Gefühl bei diesem speziellen Effekt, aber vielleicht liest hier ja ein Psychologe mit, der in den Kommentaren was dazu sagen kann.
Aber der „Hardcore-Tugendbold“, der setzt dies schon gewissen- und rücksichtslos ein, um eben persönliche Vorteile von Zurschaustellung seiner ach so edlen Gesinnung zu haben. Sei es in der Verbesserung seines Ansehens oder auch im wirtschaftlichen Bereich, wie in unserem kleinen Beispiel beschrieben.
Ich persönlich würde solche Menschen ja eher als Heuchler oder ganz direkt als charakterlose Lumpen bezeichnen, aber „virtue signaling“ klingt natürlich besser 😉
Also, lasst euch nicht ins Bockshorn jagen. Wenn jemand mit seiner ostentativ zur Schau gestellten Tugendhaftigkeit hausieren geht, dann ist charakterlich mit dem/derjenigen nicht sehr viel los und ihr solltet euch von solchen Arschgeigen fernhalten.
Der grösste Feind bin ich mir selbst
alle Menschen die Bösen und die Guten
sind der unteilbaren Menschenwürde