L’Osservatore Romano und die Kuhhörner

Nachdem L’Osservatore Romano nicht zu meiner üblichen Lektüre gehört, verwundert es nicht, dass ich erst heute auf einen Artikel aufmerksam wurde, der bereits im Jänner 2017 dort abgedruckt wurde. L’Osservato Romano ist die Tageszeitung des Vatikans, die erstmals am 1. Juli 1861 erschien und von der es seit 1999 auch eine deutsche Ausgabe gibt.

Der Titel dieses Artikels lautete Semi per Aleppo und ist eine Suada für biodynamische Landwirtschaft, gegen gentechnisch veränderte Agrarpflanzen und für biodynamische Landwirtschaft. Das verwundert nicht, ist doch der Autor des Artikels, Signore Carlo Triarico einer der einflussreichsten Lobbyisten für eben jene biodynamische Landwirtschaft.

Und Signore Triarico ist kein Unbekannter im L’Osservatore Romano. Es sind zahlreiche, auch recht umfangreiche, Artikel von ihm in der apostolischen Tageszeitung zu finden. Der Inhalt ist immer der Gleiche, wenn auch manchmal etwas verklausuliert: das hohe Lied der biodynamischen Landwirtschaft.

Ich finde das doch schon bemerkenswert. Warum? Nun, wir erinnern uns, dass die biodynamische Landwirtschaft auf den kruden Theorien der Anthroposophie von Rudolf Steiner fußt. Ihr wisst schon, Kuhhörner als Antennen für kosmische Schwingugnen und so’n Kappes.

Das wirklich interessante ist allerdings, dass die römisch-katholische Kirche in ihrer offiziellen Lehre die Anthroposophie ablehnt, handelt es sich bei ihr doch um eine Selbsterlösungslehre, die zwar zahlreiche christliche Begriffe verwendet, sich aber beispielsweise durch den Reinkarnationsglauben abgrenzt.

So heißt es: Wenn irgend ein Mensch seinen Glauben an Jesus Christus abgibt oder eintauscht für die anthroposophische Lehre oder sich sein Glauben mit der anthroposophischen Lehre mischt, soll er im Namen Jesu gewarnt und ermahnt werden, zurück zu Jesus zu kommen. Wenn nach vielen Ermahnungen die Person trotzdem darin verharrt, sollen wir keine Gemeinschaft mehr mit ihr haben – so ist es nach der Heiligen Schrift gut und richtig.

Auch die Waldorf-Schulen werden aus christlicher Sicht abgelehnt: Das Fazit kann deshalb nur lauten, dass die Waldorf-Schule eine Weltanschauungsschule und mit Sicherheit keine christliche Schule ist. Waldorf-Pädagogik ist ohne Anthroposophie nicht zu haben. Da zudem der Einfluss der Schule versucht, den Erziehungseinfluss der Eltern, wenn er nicht anthroposophisch bestimmt ist, zu untergraben, kann aus meiner Sicht nur davor gewarnt werden, Kinder aus gläubigen Familien, diese Schulen besuchen zu lassen.

Ein Skript für Priesterseminaristen bringt es auf den Punkt: Rudolf Steiner hat die Botschaft des Evangeliums abgelehnt und missbraucht. Er hat Gott den Allmächtigen und Jesus Christus als Herrn abgelehnt und ihre Namen missachtet.

In dieser Ablehnung sind sich die katholische und die evangelische Kirche übrigens äußerst einig.

Gegen den breiten Raum, den Signore Triarico im römischen Beobachter bekommt, regt sich allerdings auch Widerstand. So von zahlreichen italienischen Theologen, dem Vaticanista der Zeitung L’Espresso Sandro Magister (der sich sehr intensiv und sehr besorgt mit der Angelegenheit auseinandersetzt) oder dem ultra-konservativen polnischen Radio Maryia.

Und auch wenn mir persönlich die anscheinende Annäherung zwischen katholischer Kirche und Anthroposophie eigentlich egal sein könnte (ich halte beides für … nunja… verzichtbar), frage ich mich doch, was I signori oscuri vorhaben. Zwar gibt es seit der Enzyklika „Laudato Si“ eine neue ökologische Strömung im Vatikan, aber über die Steiner’sche Landwirtschaft gleich die Anthroposophie hoffähig machen? Das wäre dann doch ein bisschen obskur. Ich werde jedenfalls beobachten und berichten.