Apotheker sind doch nur so etwas wie bessere Verkäufer, oder? Sie stehen in ihrer Offizin hinter dem Tresen und verkaufen ihren Kunden alles mögliche, von Durchfallmitteln bis hin zu Kosmetika. Wofür braucht man da denn groß ein Studium? Wenn tatsächlich mal ein Arzt ein Rezept für eine Salbe zum anmischen schickt, dann ist das doch wie das Zusammenrühren eines Kuchens, das kann doch eigentlich jeder, nicht wahr?
So sieht es bestimmt ein großer Teil der Bevölkerung. Was alles tatsächlich hinter dem Alltag in einer Apotheke steckt, das sieht man nicht.
Von daher war das Buch „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Apothekerin“ von Christine Gitter eine äußerst interessante Lektüre.
Christine Gitter weiß, wovon sie spricht, verfügt sie doch über zwanzig Jahre Berufserfahrung, davon sechzehn Jahre als Inhaberin einer der ältesten Apotheken in Deutschlands. Von daher merkt man den 288 Seiten ihres Buches große Kompetenz und Sachkenntnis an. Aus ihrer Berufserfahrung kennt sie auch sämtliche Sorgen und Nöte von uns Patienten. So ist der vorliegende Band keine Sammlung von lustigen Geschichten, die in einer Apotheke so passieren, sondern ein kompetenter Ratgeber eben für uns Patienten.
So finden sich im ersten Kapitel „Eine Tablette geht auf die Reise“ schon zahlreiche praktische Tipps dazu, wie man Pillen erstmal in sich hinein bekommt. Denn seien wir doch mal ehrlich, manchmal sind das schon ganz schöne Eumel, die man da den Schlund hinabwürgen muss. Wie man sich dies erleichtert liest man hier, auch womit man Tabletten am besten zu sich nimmt, wann man die Dinger wie teilen kann und darf und ganz wichtig, wie man einen Beipackzettel richtig liest und was mit „vor dem Essen“ oder „nüchtern“ gemeint ist.
Das zweite Kapitel „Wie wirken Arzneimittel, und wenn ja warum?“ beschäftigt sich dann unter anderem mit der alten Frage, woher die Tablette weiß, wo sie wirken soll oder wie sie das dann im Körper vor sich geht. Was versteht man unter Neben- oder Wechselwirkungen? Auch diese Frage wird hier verständlich erklärt genauso wie wie der Körper Arzneistoffe wieder losbekommt.
Für mich war dann auch das dritte Kapitel „Forschung und Technologie“ hoch spannend. Man weiß ja gar nicht, was hinter den Kulissen so passiert, bis so ein Pillchen dann seine Zulassung bekommt und an den Patienten kommt. Oder man erfährt, wie Medikamente überhaupt erstmal hergestellt werden. Alles Themen, von denen man als Otto Normalverbraucher sonst nichts weiß.
Themen wie der Placebo-Effekt, Placebo-by-Proxy oder Nocebo werden im Kapitel „Glauben Sie nicht alles, was sie schlucken“ verständlich und kompetent erläutert. Besonders interessiert hat mich hier auch der Abschnitt zu den Arzneimittelnamen. Meine persönliche Theorie war ja immer, dass jeder Pharmahersteller irgendwo im Keller irgendeinen armen Kerl eingesperrt hat, der sich die ausdenken muss. Nein, ich irrte! Wie so eine Namensfindung tatsächlich vor sich geht, wird hier erklärt.
Die letzten beiden Kapitel beschäftigen sich dann mit dem ultimativen Kreuzungspunkt zwischen Mensch und Medikament: der Hausapotheke. Wie lagere ich Medikamente richtig? Wie sieht es mit „abgelaufenen“ Medikamenten aus oder wie man eine Hausapotheke richtig bestückt sind Fragen, die hier geklärt werden. Die wichtigsten Wirkstoffe werden hier den jeweiligen Schmerzgebieten zugeordnet und gründlich vorgestellt. Für wen sie geeignet sind, für wen nicht, welche Nebenwirkungen zu erwarten sind, wo Wechselwirkungen liegen und wann und wie man die Pillen zu sich nehmen soll.
Ein umfangreiches Glossar rundet den Band dann ab.
Mein Fazit: Ein kompetentes Handbuch für alle Themen rund um Medikamente, das in sympathischen und auch unterhaltsamen Ton geschrieben ist. Nicht belehrend, aber sehr lehrreich. Ich hatte es nach zwei Tagen durch und kann es nur mit bestem gewissen weiterempfehlen. Dieses Buch ist auf jeden Fall ein wichtiger Baustein auf dem Weg zum mündigen und informierten Patienten.
Bibliographische Angaben:
Gitter, Christine: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihre Apothekerin: Alles über die fantastische Welt der Medikamente. München: Droemer, 2019. 288 S.
ISBN 9783426277805
Broschiert, 16,99€
Auch als Hörbuch erhältlich.
Danke für den Tipp, das werde ich mir kaufen !
LG aus Hamburg von Manu
Apotheker = bessere Verkäufer?
Mir ist da der Begriff „akademischer Krämer“ für den Apotheker geläufig …
Und natürlich: hier ist es wie bei allen Verallgemeinerungen – sie treffen manche an ihrem sehr wunden Punkt und tun anderen ganz übel Unrecht!
Sicher ist der Beruf des/der Apotheker*in von Haus aus ein sehr anspruchsvoller Beruf und es gibt sicher viele Vertreter dieses Standes, die eine wirklich gute und segensreiche, verantwortungsbewusste Arbeit am Mitmenschen leisten (auch wenn die Tatsache, dass Frau Hundertmark noch sehr alleine da steht, manches Mal einen zweifeln lassen…) – aber dennoch ist dieser etwas despektierliche Ruf der Branche ja auch nicht ganz unverschuldet entstanden: wenn ich Bach-Blüten-Drops, Schüßler Salze, diversen Eso-Scheiß und andere Gaga-Produkte genauso oder besser präsentiere und verkaufe, wie wirksame Medikamente, fällt es so manchen – mich durchaus eingeschlossen – nicht ganz leicht, den Vertretern dieses Berufsstandes die Anerkennung entgegen zu bringen, die sie sich eigentlich verdienen sollten …
Ganz nebenbei:
Apotheker war ja mein erster Wunschberuf – ich war allerdings schon damals schnell so realistisch zu erkennen, dass der damalige Numerus clausus auf der einen Seite, die Sprache Latein und mein Verhältnis zur Schule auf der anderen sich diametral und unvereinbar gegenüber standen. Rückblickend sehr schade … Oder hätten mich die wirtschaftlichen Verlockungen von Zuckerkügelchen und Co auch korrumpiert?