Kurpfuscher, Quacksalber und Co. – Teil 1

Kurpfuscherei in vorwissenschaftlicher Zeit

Kurpfuscherei gibt es, so lange es kranke Menschen gibt. Also schon immer. Selbst in jenen Tagen, als noch die alten Germanen, gewandet in Bärenfell und mit Hörnern am Helm durch die hercynischen Wälder streiften, Elche ohne Kniegelenke jagten und bei Krankheit oder Verletzung dem Ortsdruiden aufsuchten, gab es sicherlich irgendwo am Waldrand einen Alternativ-Druiden, der für eine übel hohe Anzahl von Sesterzen irgendeinen Kokolores verkauften. (1) Erst ab Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts verbreitet sich der Ausdruck Kurpfuscher und modernisiert ältere Begriffe wie Afterarzt, Scharlatan, Medizinalpfuscher, Medikaster oder Medizinalstorger.

Der Begriff „Kurpfuscher“ steht zunächst für Personen, die als Heiler tätig werden, ohne eine adäquate Ausbildung oder ein Studium absolviert zu haben und auch über keine behördliche Zulassung verfügen. Umgangssprachlich werden auch schlechte, oberflächlich arbeitende Ärzte so bezeichnet.

Steht beim Kurpfuscher die tatsächliche Behandlung von Kranken im Vordergrund, ist es beim Quacksalber der Verkauf von Wundermitteln aller Art. Aus Westernfilmen kennen wir den Schlangenölverkäufer, der mit seinem Planwagen durch die Prärie zieht, der Quacksalber ist sein europäischer Vorläufer.

Eine kleine Etymologie

Das Wort Quacksalber geht auf das niederländische kwakzalver zurück. Es ist eine Verbindung zwischen kwaken, also quaken und „zalver“ für Salber, beschreibt also eine Person, die ihre Salben (oder andere „Medizin“) wie ein Marktschreier anpreist.

Nicht ganz zufällig nennen sich die niederländischen Skeptiker-KollegInnen „Vereniging tegen de Kwakzalverij“. Da weiß jedenfalls jeder gleich Bescheid, was los ist. Vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit hinein wurde für den Quacksalber der Begriff des Theriakhändlers, Theriakers oder Theriakkrämers verwendet. Theriak war ein aus bis zu 70 Zutaten bestehendes Arzneimittel, das eigentlich gegen Vergiftungen helfen sollte. Von Ärzten oder Apothekern hergestellt, half es zwar nicht gegen Vergiftungen, es schadete aber auch nicht. Der Bestandteil, der wohl die meiste Reaktion hervorrief, war sicherlich das Opium.

Nachdem Theriak aber damals sehr teuer gehandelt wurde, witterte die reisende Zunft ein neues Geschäftsmodell. Und so gab es bald die reisenden Theriakhändler, die ihre eigene Version dieser Arznei, aus billigen und zum Teil auch gefährlichen Inhaltsstoffen, herstellten und in bester Quacksalbermanier marktschreierisch anboten. Durch diesen „Vertriebsweg“ mutierte Theriak auch bald zu einem universellen Heilmittel, das alle Gebrechen vom eingewachsenen Fußnagel bis zum Haarausfall kurieren sollte. Salben spielen auch beim „Salbader“ eine Rolle. Das „Grammatisch-kritische Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart“ aus dem Jahre 1798 erklärt den Begriff so: Der Salbader […] 1) Ein altäglicher Schwätzer, welchen anderen mit unerheblichen Erzählungen lästig wird. 2) Ein Quacksalber; wohl eigentlich ein unreinlicher Bader, der seine Kranken mit Salben curiret. Daher die Sàlbaderey […], wo wohl langweiliges ekelhaftes Geschwätz, als auch Quacksalberey; salbern, langweilig schwatzen; ingleichen quacksalbern. (Adelung 1796)

Diese Definition wird noch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein gefunden, im neueren Sprachgebrauch ist sie beinahe verschwunden. Eine besondere Form der Quacksalberei war das sogenannte „Gesundbeten“. Dies gründete auf der Annahme, dass Krankheiten nicht durch Bakterien, Viren o. ä. ausgelöst werden, sondern dass sie Folgen eines persönlichen Fehlverhaltens, einer Sünde seien. Der Gesundbeter versuchte dann mittels Gebeten oder besonderen Entsühnungsritualen die „Schuld“ des Kranken entweder aufzulösen oder auf sich selbst zu nehmen und ihn dadurch zu heilen. Diese Form der Quacksalberei war bis zu Anfang des 20. Jahrhunderts noch weit verbreitet und wurde teilweise von Ärzten unterstützt, was durch medizinische Autoritäten wie Rudolf Virchow, Johann Lukas Schönlein oder Wilhelm Griesinger unterbunden wurde. Es sei angemerkt, dass sich auch heute noch so manche aktuelle „alternative Therapiemethode“ dadurch auszeichnet, dass dem Patienten eigene Schuld an seiner Krankheit suggeriert oder offen zugeschoben wird – der religiöse Aspekt ist dafür gar nicht nötig.

Zur Geschichte der Kurpfuscherei

Bereits Oreibasios von Pergamon, der Leibarzt des römischen Kaisers Julian, klagte in der Vorrede seines Buches Euporista darüber, wie üppig die Scharlatanerie und Kurpfuscherei im spätantiken Rom blühte. Und Lucian von Samosata beschreibt in seiner Schrift Adversus Indoctum („An einen Ignoranten, der sich viele Bücher kaufte“), wie gerade die größten Scharlatane ihre Räume mit allerlei prachtvollen Gerätschaften wie silbernen Schröpfköpfen oder Skalpellen mit Elfenbeingriffen ausstatteten, um ihre Opfer zu täuschen. Außerdem lässt er in seinem Philopseudes („Der Lügenfreund“) verschiedene Exemplare von Scharlatanen auftreten, einen Libyer der sympathetische Kuren macht, einen Babylonier als ärztlichen Zauberer und Schlangenbeschwörer, einen Hyperboräer als Zauberer, einen Syrer aus Palästina als Excorcisten und einen Araber als Zauberer. (Bloch 1902).

Ein besonders perfides Beispiel aus Ägypten wird im Buch „Aufdeckung der Geheimnisse und Zerreißung der Schleier in Bezug auf die Kunst der Scharlatanerie“ des Abd-ar-Rahman b. Bakr ad-Damasqi aus dem 13. Jahrhundert beschrieben: Ein Mann namens Ya‘la al-Bosrawi aus Bosra ließ sich im Jahre 620 der Hedschra in Kairo nieder. Die Ägypter verachteten den Fremden und nannten ihn „ein Vieh aus Syrien“. Da ergrimmte dieser und sprach: Ich werde euch am Ende beweisen, wer von uns ein Vieh ist – : ich werde sämtliche Bewohner Kairos Kot fressen lassen! Er lockte also Patienten an, ließ sie getrockneten Kot in die Zähne reiben, dann den Speichel riechen, um anschließend mit einer wohlduftenden Spezerei das „Übel“ zu vertreiben. Er forderte dafür einen halben Dirhem und trieb es so ein ganzes Jahr. Sie bekamen Kot und er ihr Geld. Nachher pflegte er Geschichten zu erzählen. (Schipperges 1960).

Bemerkenswert, wie es offensichtlich in der vorwissenschaftlichen Zeit schon möglich war, Scharlatanerie von sinnvollen Methoden klar zu unterscheiden.

Die Show kann beginnen!

Wie müssen wir uns aber so einen Quacksalber oder Medikaster dann in unseren Breiten vorstellen? Nun, eher als einen Showman denn als einen Arzt. Ganz wichtig für den Quacksalber war das Auftreten. In prächtiger Kleidung herausgeputzt, umgeben von allerlei magisch anmutendem Gerät, Totenschädeln und geheimnisvollen Flaschen erzeugte er eine Aura des Mystischen um sich. Dazu passt auch, dass er sich oftmals auf uralte Weisheiten und Erfahrungen beruft, über die nur er selbst verfügt.

Oftmals zieht der Quacksalber mit einer ganzen Truppe an Schauspielern, Tänzerinnen und Hanswursten von einem Jahrmarkt zum anderen durch die Lande und lässt sich pompös ankündigen, mit der lauten Verlesung seiner Titel (ausgedacht), akademischen Grade und Empfehlungsschreiben hochgestellter Persönlichkeiten (beides gefälscht). Was Wunder, dass das Publikum in einer an Abwechslung und Unterhaltung wahrlich armen Zeit herbeiströmt, um sich ein solches Spektakulum nicht entgehen zu lassen. Dass damit eine suggestiv-erwartungsvolle Atmosphäre für Heilungswunder geschaffen wird, wird so mancher Quacksalber durchaus auf der Rechnung haben.

Sehr weit verbreitet ist der Trick, im Publikum einen vermeintlich verkrüppelten Alten zu platzieren, diesen auf die Bühne zu bitten, ihm einen Trank oder eine Pille unter allerlei Getue zu verabreichen und – siehe da, vor den Augen des Publikums verwandelt sich dieser wieder in einen gesunden, strahlenden Jüngling und spaziert vermeintlich geheilt und verjüngt von dannen. Es muss schon ein prächtiges Schauspiel gewesen sein, dem man hier beiwohnen konnte. Dass die Bevölkerung auf so eine Vorstellung hin dem Quacksalber seine Zaubertränke aus den Händen riss, ist selbstverständlich. Bis die Leute merkten, dass sie betrogen wurden, war die ganze Truppe schon weitergezogen und unauffindbar. Und bei so manchen wird das Tränklein schon seine Wirkung über die Kontexteffekte schon getan haben, auch damals verging so manche Beschwerde oder Unpässlichkeit schlicht von selbst …

Ein verbreiteter Teil der Vorstellung war auch die Uroskopie, also die Harnschau, die damals zur regulären Diagnostik gehörte. Natürlich wurde daraus, dass sich der Quacksalber schlicht und einfach ein Glas mit Urin ansah, eine riesige Show gemacht. Und natürlich wurden in den Urin die schwersten Krankheiten hineininterpretiert, die nur mit dem eigenen Wundermittel kuriert werden könne. Der verängstigte Kunde zahlte und der Taler klingelte im Kasten.

Eine anschauliche Schilderung derartiger Auftritte liefert Johann Georg Keyßler 1751 beschreibt am Beispiel der italienischen Stadt Turin.(2)

Die Kurpfuscher, die sich eher auf die direkte Behandlung von Patienten verlegt hatten, praktizierten oftmals auf offener Bühne, so dass jeder, der wollte, beim Zahnreißen, Starstechen und Steinschneiden zusehen konnte. So ist aus England ein Dr. John Taylor bekannt, der sich in Paris niederließ und dort Augenoperationen durchführte. Seine Opfer waren danach blind, bemerkten dies aber erst, als sie mehrere Tage nach der „Operation“ die Verbände lösten. Natürlich war Taylor dann schon über alle Berge.

Für den einfachen Landmann oder Stadthandwerker war es damals nicht einfach, Quacksalber und Kurpfuscher von seriösen Ärzten, Wundheilern, Starstechern, Steinschneidern oder Chirurgen zu unterscheiden, da diese ihr Gewerbe oftmals ebenfalls als Reisetätigkeit wahrnahmen. Ein Beispiel hierfür ist der im Lied viel gescholtene Dr. Eisenbarth, der darüber als brutaler Kurpfuscher ins allgemeine Bewusstsein gelangt ist, obschon er, wie die tatsächliche Geschichte zeigt, ein hervorragender Starstecher und Chirurg war.

Medicinal-Ordnungen

Es lag durchaus nicht im Interesse der jeweiligen Landesherren, dass die Quacksalber und Kurpfuscher durch ihre Länder streiften und ihrer Bevölkerung das Geld aus der Tasche zogen oder sogar deren Gesundheit und Leben gefährdeten. So ging man daran und erließ „Medicinal-Ordnungen“ und „Medicinal-Gesetze“. Es ist allerdings unübersehbar, dass dabei weniger der Schutz der Bevölkerung im Fokus stand als der Schutz der Apotheker- und Ärzteschaft vor unliebsamer Konkurrenz.

Eines der ersten Gesetzbücher, in dem Ärzte, die dem Tod ihrer Patienten zu verschulden hatten, zur Rechenschaft gezogen wurden, war die „Peinliche Halsgerichts-Ordnung“ von Kaiser Karl V. aus dem Jahre 1533. Darin heißt es: Straff so eyn artzt durch sein artzenei tödtet. Item so eyn artzt auß vnfleiß oder vnkunst / vnnd doch vnfürsetzlich jemandt mit seiner artzenei tödtet / erfündt sich dann durch die gelerten vnd verstendigen der artzenei / daß er die artzenei leichtfertiglich vnd verwegenlich mißbraucht / oder sich vngegründter vnzulessiger artzenei / die jm nit gezimbt hat vnderstanden / vnd damit eynem zum todt vrsach geben / der soll nach gestalt vnd gelegenheyt der sachen vnd nach radt der verstendigen / gestrafft werden / vnnd inn disem fall allermeyst achtung gehabt werden / auff leichtuertige leut / die sich ärtzenei vnderstehn / vnd der mit keynem grundt gelernet haben. Hett aber eyn artzt solch tödtung williglich gethan / so wer er als eyn fürsetzlicher mörder zu straffen.(3)

Gut 200 Jahre später, am 21. Juli 1730, erließ das Kurfürstentum Sachsen ein Oberamts-Patent, welches „unexaminirten und untüchtig befundenen Empirici und Personen auf dem Lande, als Land-Apotheker, Land-Chirurgen, Bademütter, alte Weiber, Schäfer und anderen Bauernverbot, Arzneien herzustellen und zu verabreichen, die zum Erbrechen oder anderen Ausscheidungen führen. Die Strafe hierfür waren 10 Taler. (Schmalz 1819).

Es folgte am 29. Juli 1750 ein sogenannter „Generale“, also ein Generalerlass, mit dem generell alle „innerlichen Kuren“ den Ärzten vorbehalten blieben. Auch wurde in diesem Erlass das Dispensierrecht der Apotheken geschützt, das ihnen die Abgabe von Salben, Pülverchen und ähnlichem auf eigene Rechnung erlaubte. Den Ärzten war dies untersagt, weshalb die Regelung in der Ärzteschaft wenig populär war. Noch Samuel Hahnemann, Begründer der Homöopathie, haderte mit verschiedenen Magistraten in Sachen Dispensierrecht. Zuwiderhandlungen sollten mit 5, 10 oder 20 Thalern oder Gefängnis „ohne Ansehen der Person und Nachsichtgeahndet werden (Schmalz 1819).

Früher oder später erließen wohl alle Fürsten des Heiligen Römischen Reiches derartige Verordnungen und Gesetze. Wurde das Kurpfuscherwesen hierdurch ausgerottet? Wurde der Scharlatanerie ein Riegel vorgeschoben? Mitnichten!

Im Königreich Preußen wurde am 1. Februar 1726 ein Regierungsedikt erlassen, das Operationen sowie die Verordnung von Medikamenten zur Einnahme ausschließlich approbierten Ärzten erlaubte. Außerdem durften nur approbierte Apotheker Medikamente herstellen und verkaufen. Auch für Bader und Hebammen schreibt das Gesetz eine Prüfung, Vereidigung und Approbation vor. Anderen Berufsgruppen, die medizinische Produkte und Dienstleistungen anbieten, ist die Ausübung ihres Metiers bei Strafe verboten.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Aus dem Regierungsedikt des Königreichs Preußen 1726

1. Nur von dem Ober-Collegium medicum geprüfte, vereidete und approbierte Doctores medicinae sollen innerliche Kuren ausführen, keine Operationen vornehmen, abgesehen von genugsam auch durch andere medicinae doctores erprobte arcaua und specifica, alle mediuanienta aus den Apotheken verschreiben und nicht selbst dispensieren.

2. Den so und vor dem provinzialen Collegio medico approbierten Chirurgen soll die operative Praxis allein verbleiben.

3. Nur vom Collegium medicum geprüfte, vereidete und approbierte Apotheker sollen Arzneimittel zubereiten und nach ärztlicher Verordnung dispensieren; sie sollen sich des Kurierens enthalten.

4. Auch die Bader, Hebammen sollen geprüft, vereidet und approbiert sein.

5. Die Materialisten sollen den vorgeschriebenen Eid ablegen. Ober-Collegium medicuin und die Provinzial-Collegia medica sollen darüber wachen.

6. Den auf dem Lande herumziehenden Thüringer Wasser- und Olitätenkrämern, Siebmachern usw. sollen die berufenen Behörden und Beamten (adelige Gerichtsobrigkeit und Beamte) ihre Mittel, womit sowohl die Accise (Steuerbehörden) wie die Bevölkerung hintergangen werden, sofort abnehmen und an die Collegia medica einsenden.

7. Auch wird allen Predigern, Laboranten, Destillateuren, doctoribus bullatis, alten Weibern usw. das innerliche wie äußerliche Kurieren, Verkaufen von Arzneimitteln bei harter fiskalischer Strafe verboten.

8. Herumlaufende Operateure, Okulisten, Zahnärzte usw. sollen, nur mit besonderem Privilegium versehen, Arzneimittel, sei es wo auch immer, verkaufen.

9. Nachtwächter und Abdecker und deren Knechte sollen bei Strafe jedes Kurierens sich enthalten.

Quelle: Pistor, M. (1909): Grundzüge einer Geschichte der preußischen Medizinalverwaltung bis Ende 1907. Vieweg, Braunschweig.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Trotzdem gab es in den Folgejahren dutzende Beschwerden zu diesem Thema. Wie stark die Kurpfuscherei in jener Zeit im Schwange war, geht aus verschiedenen Beschwerden hervor, so besonders aus einer des Collegium Sanitatis vom 9. August 1758, worin auf den großen Schaden hingewiesen wurde, welchen alte Weiber durch ihr Kurieren stifteten. Die Beschwerdeführer werden am 4. September 1758 auf die bestehenden Bestimmungen und darauf hingewiesen, daß solche gehörig auszuführen und die Provinzial-Collegia medica dahin zu verständigen seien. Ein gleiches wurde gegen das unerlaubte Kurieren innerer und äußerer Krankheiten durch entlassene Feldscherer am 14. Juli 1759 angeordnet, und am 11. Oktober 1764 wurden die wider das Kurpfuschen erlassenen Verbote wiederum allerorten zur Veröffentlichung empfohlen. (Pistor 1909).

Das Land war groß, der König weit. Nur selten wurden wirklich Strafen ausgesprochen, wenn man denn der äußerst mobilen Reiseprofis überhaupt habhaft werden konnte. Was nutzten aber Gesetze, die nicht ausgeführt wurden oder nicht ausgeführt werden konnten? Diese Frage sollte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch eine große Rolle spielen. Allgemein war das 19. Jahrhundert eine recht turbulente Zeit, was die Kurpfuscherei angeht. Dies wird in Gegenstand der Fortsetzung im nächsten Teil sein.

Literatur

Adelung, J. C. (1798): Quacksalberey. In: Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Bd. 3 (Leipzig 1798), S. 1254 – 55.

Bloch, I. (1902): Byzantinische Medizin. In: Handbuch der Geschichte der Medizin, Bd. 1, Fischer, Jena, S. 492 – 568.

Pistor, M. (1909): Grundzüge einer Geschichte der preußischen Medizinalverwaltung bis Ende 1907. Vieweg, Braunschweig.

Schipperges, H. (1960): Der Scharlatan im arabischen und lateinischen Mittelalter. Zur Geschichte der Pharmazie 12, Nr. 2, S. 9 – 13.

Schmalz, K. G. (1819): Medicastri. In: Die königl. Sächsischen Medizinal-Gesetze älterer und neuerer Zeit, nebst den offiziellen Belehrungen für das Publikum über ansteckende Krankheiten unter Menschen und Vieh, über Nahrungsmittel und Gifte, über Scheintod, Gemüthskranke, u. s. w. Arnoldische Buchhandlung, Dresden, S. 79–90.

Fußnoten

1 Dem Autor ist bewusst, dass diese Darstellung historisch nicht unbedingt absolut korrekt ist. Er bittet insofern um Nachsicht und beruft sich in diesem Absatz ausnahmsweise auf seine künstlerische Freiheit. Nachzulesen sind die genannten, historisch und biologisch widerlegten Details übrigens in Caesars „De bello Gallico“ („Der gallische Krieg“), https://la.wikisource.org/wiki/Commentarii_de_bello_Gallico/Liber_VI#24.

2 “Endlich misfällt mir die Freyheit, welche die Charlatans und Quacksalber, wie in den übrigen Theilen von Italien, also auch hier haben, die Leute um ihr Geld und öfters zugleich um ihre Gesundheit zu bringen. Es ist zwar in den Verordnungen der turinischen Akademie allen dergleichen Leuten bey hoher Strafe untersaget, einige Arzeneymittel ohne Erlaubniß des Protomedici im Lande auszutheilen; allein es wimmelt dennoch alles voll Marktschreyer, und muß man entweder beym Protomedicat gar freygebig mit der Erlaubniß seyn, oder diese Landlaufer geben bey der Probe ganz andere Arzeney an, als sie hernach dem gemeinen Volke verkaufen. A la Place du Chateau sind stets etliche Theater für solche Quacksalber aufgerichtet, und suchen sie mit Musik, Affen und Possenspielen sich mehrern Zulauf zu verschaffen. Es ist kaum zu glauben, was für Betheurungen diese Bösewichte bey Lobung ihrer Salbadereyen brauchen. Vor wenig Tagen hörte ich einen ohngefähr auf folgenden Ton anfangen: Gelobet sey der Herr Jesus Christus, von welchem ich nichts mehr verlange, als daß er nach seiner Gerechtigkeit am jüngsten Gerichte also mit mir verfahre, wie ich heute mit euch handeln will; ich setze meine Haab und Gut aus Liebe für eure Gesundheit zu; allein der Teufel, der nichts Gutes leiden kann, verblendet eure Augen, daß ihr etliche Sols für hundert Scudi ansehet, und dadurch euer und eures Nächsten Heil, so ihr mit geringen Mitteln befördern könnet, verabsäumet; nehme ich einen Häller von euch nicht mit gutem Gewissen, so wünsche ich, daß ich euer Geld in der höllischen Quaal ewig schlucken müsse etc. Dieses elenden Schreyers Universalmedicin bestund in zweyen Pulvern, womit er die Schlagflüsse, hinfallende Sucht, Magenweh, Kopfweh, Schwindsucht und Wassersucht vertrieb, und kosteten beyde nicht mehr als eine Parabajole oder neun Pfenninge, woraus man urtheilen kann, was für herrliche Dinge zu dieser Arzeney genommen seyn müssen. Keine sind bescheidener als die Zahnbrecher, welche insgemein versichern, daß sie con adjuto di Santa Apollonia, welche die Schutzheiliginn über die Zähne ist, den Zahn glücklich heraus reißen wollen  Bey  der oftmaligen Nennung der heil. Apollonia nehmen sowohl die Herren Aerzte, als die umstehenden Zuhörer allezeit den Hut sehr andächtig vom Haupte.“ In: Johann Georg Keysler, Neueste Reisen durch Deutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweiz, Italien und Lothringen. Theil 1 (Hannover, 1751).

3 Karl V., Des allerdurchleuchtigsten großmechtigsten unüberwindtlichsten Keyser Karls des fünfften: vnnd des heyligen Römischen Reichs peinlich gerichts ordnung (Schöffer, Mainz: 1533).

2 Gedanken zu “Kurpfuscher, Quacksalber und Co. – Teil 1

  1. Die Vorstellung des Gesundbetens gibt es noch heute, besonders in den Vereinigten Staaten. In der medizinischen Forschung spielt der Zusammenhang zwischen Religiosität und Krankheit/Gesundheit eine Rolle, die (wieder in den Vereinigten Staaten) häufig ideologisch gestützt ist. Ich freue mich über die weiteren Kapitel.

  2. Irgendwie fällt mir hier
    „. Seine Opfer waren danach blind, bemerkten dies aber erst, als sie mehrere Tage nach der „Operation“ die Verbände lösten. Natürlich war Taylor dann schon über alle Berge.“
    ein Widerspruch auf: hat er sich in Paris niedergelassen (damals viel viel kleiner als heute) und dort behandelt oder war er nach jeder Operation drei Tage später über alle Berge?

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..