Dass sich Heilpraktiker in allerbester Pippi Langstrumpf-Manier ihre Welt so machen, wie sie ihnen gefällt, ist ja allseitig bekannt. Mit der Realität hat dies absolut nichts zu tun, aber bei manchen Räuberpistolen, die man lesen muss, fühle ich mich an die Comedy-Sendung „Metzgerei Boggnsagg“ auf Antenne Bayern erinnert. Deren Schlusswort war nämlich immer „Wo iss’n is Hirn?“ – „Ned da wo’s hin g’hört!“
Aber mal von Anfang an. In einer Zeitschrift wurden im Jahr 2016 (jaja, die meisten von euch werden das damals schon mitbekommen haben, aber ich bin die Tage erst darüber gestolpert…) von einem Heilpraktiker folgende Behauptungen aufgestellt:
- Es wurden „Positronium-Globuli“ hergestellt.
- Während der „Arzneimittelaufstellung“ zu diesen Globuli hätte er angekündigt, dass durch eben jene Prüfung der Teilchenbeschleuniger „CERN“ ausfallen würde.
- Dies sei eingetreten.
- 1,5 Jahre nach diesen angeblichen Vorkommnissen habe ihm ein nicht näher benannter „hochrangiger Wissenschaftler“ eine die Summe von 15 Millionen Schweizer Franken geboten, damit dieser Heilpraktiker „CERN“ wieder „anschalten“ würde. Der Heilpraktiker habe daraufhin gefordert, diese Summe für humanitäre Projekte in Afrika bereitzustellen.
- Nachdem dies geschehen sei, hätte er „CERN“ durch eine erneute „Arzneimittelaufstellung“ wieder „angeschaltet“ und dabei „den Dämon des schwarzen Loches aus Cern entfernt“.
Nun, sowas kann man natürlich behaupten, man darf aber nicht davon ausgehen, dass einem jeder glaubt. Natürlich könnte es auch passieren, dass man nach einer solchen Behauptung für total bekloppt gehalten wird. Kann passieren…
Aber schauen wir uns mal etwas näher an, was wirklich hinter den Behauptungen steckt:
- Bei einem Positronium handelt es sich um
sogenanntes „exotisches Atom“. Diesen Begriff erläutert uns die Wikipedia so: Als exotische Atome werden atomähnliche
gebundene Teilchen bezeichnet, bei denen wenigstens eines der beteiligten
Teilchen kein gewöhnlicher Atom-Bestandteil ist, also kein Proton, Neutron oder
Elektron.
Und die Eigenschaften dieser exotischen Atome werden so beschrieben: Bis auf die Antiatome wie beispielsweise das Antiwasserstoff-Atom sind alle genannten exotischen Atome instabil und kurzlebig. Auch Antiatome sind nur stabil, solange sie nicht in Kontakt mit gewöhnlicher Materie kommen, da sie sonst zerstrahlen (Annihilation).
Schon alleine aus diesen Beschreibungen könnt ihr schließen, dass diese Behauptung falsch ist. Wie will man ein instabiles Teilchen noch „potenzieren“ und Globulis daraus basteln? Diese Aussage ist schlicht und einfach Kokolores! - Was eine „Arzneimittelaufstellung“ sein soll,
erschließt sich mir nicht. Anscheinend meint der gute Mann eine homöopathische
Arzneimittelprüfung. Da bin ich mir aber nicht so ganz sicher. Jedenfalls kann man
davon ausgehen, dass es sich hier nicht um eine wissenschaftlich (oder
sonstwie) anerkannte Methode handelt.
Weiters müsste man schon wissen, was man „abgeschaltet“ haben will. Denn das Akronym CERN leitet sich vom französischen Namen des Rates ab, der mit der Gründung der Organisation beauftragt war, dem Conseil européen pour la recherche nucléaire. Die offiziellen Namen des CERN sind European Organization for Nuclear Research im Englischen beziehungsweise Organisation européenne pour la recherche nucléaire im Französischen.
Das CERN ist also erstmal eine Organisation, die in Meyrin in der Schweiz ihre Forschungseinrichtungen betreibt.
Zu diesen Einrichtungen gehören auch beispielsweise das Super Proton Synchroton (SPS), der Large Hadron Collider (LHC) und noch zahlreiche weitere Anlagen wie die CERN Hadron Linacs etc. Insgesamt gibt es aktuell neun Teilchenbeschleuniger am CERN. Welcher soll jetzt „abgeschaltet“ worden sein? - Gehen wir mal davon aus, dass dieser „Heilpraktiker“
den LHC meint, nachdem da ja vor der Inbetriebnahme hier die wildesten
Befürchtungen durch die Köpfe spukten. Hier ist es korrekt, dass der
Teilchenbeschleuniger bei seinem Start am 10. September 2008 einen technischen
Defekt hatte und die Reparaturen etwas mehr als ein Jahr dauerten. Woran das
lag, ist allerdings bekannt und die Reparaturarbeiten gingen auch zügig
vonstatten.
Wie eine obskure Handlung in Berlin sich auf ein technisches Großprojekt in der Schweiz auswirken soll, ist mir ein Rätsel… - Dies kann man behaupten, das entspricht dann aber nicht der Realität. Wie bereits ausgeführt dauerten die Reparaturarbeiten gut ein Jahr und die durch eine gerissene Schweißnaht eingetretenen Schäden wurden so zügig wie möglich behoben. Dieser hilflose Anruf eines „Professors vom Kernspaltungsprojekt Cern“ dürfte dann doch wohl der Phantasie entsprungen sein.
- Auch diese Aussage dürfte nicht der Realität
entsprechen, denn wie gesagt, wie soll eine obskure Handlung in Berlin Einfluss
auf ein technisches Großprojekt in der Schweiz haben?
Dieser „Dämon des schwarzen Loches“ dürfte wohl ein naher Verwandter des Himbeer-Geistes sein.
Jetzt könnt ihr mich fragen, warum ich mich über einen zwei Jahren Artikel so sehr aufrege. Das kann ich euch erzählen. Weil dieser Mensch, der derartige Phantasie-Geschichten hier erzählt, noch immer Heilpraktiker ist und andere Menschen „behandeln“ darf und was noch schlimmer ist, andere „Heilpraktiker“ „ausbildet“, ist er doch an einer „Heilpraktiker-Schule“. Dies offenbart wieder die eklatanten Missstände im Heilpraktiker-Wesen.
Lieber Michael,
erstmal vielen Dank für diesen erneut ebenso unterhaltsamen wie haupthaarverlusterzeugenden Artikel!
„Bekanntlich gibt es nichts, was es nicht gibt. Und das gibts erst recht in der Homöopathie. Daher ein kleiner Ausschnitt aus einem meiner Blogartikel, damit die Sache mit der Aufstellung ein wenig erhellt wird:
In letzter Zeit geht auch die unselige „Familienaufstellung nach Hellinger“, eine nicht ungefährliche, höchst umstrittene psychisch beeinflussende Methode, eine (Schein-)Ehe mit der Homöopathie ein.
So lässt man beispielsweise im Rahmen einer Aufstellung den „Vertreter“ entweder der Symptomatik oder den des Probanden selbst „intuitiv“ aus einer Reihe verschiedener homöopathischer Mittel das „Richtige“ heraussuchen… Auch für die wortreiche Darlegung dieser Erkenntnisse unter dem Titel „Systemische Homöopathie mit Familienaufstellung“ (mal bei Amazon suchen, bei Interesse) mussten bereits unschuldige Bäume in der Papierproduktion ihr Leben lassen.:
Ein Zitat der Autoren: „Es gibt nicht die Realität an sich, sondern nur Sichtweisen von Beobachtern. Eine objektive Welt gibt es demnach nicht, sondern jeder Beobachter schafft sich seine eigene Welt.“ Tja, kann man so sehen. Nur mit Wissenschaft hat das leider nichts zu tun. Nur mit einem selbstausgestellten Freibrief für Beliebigkeit.“
Na dann.
Und schon wieder was zum Erschrecken…
Mir wird immer ganz anders, wenn ich lese/höre, dass es tatsächlich im 21. immer noch Menschen gibt, die auf solche esoterischen Quacksalber/Scharlatane reinfallen und denen eher glauben als den entsprechenden Fachleuten.
Hier bei DESY sind zwar mal Ringe abgeschaltet worden (PETRA II, HERA), aber nur für Um- und Erweiterungsbauten. Ansonsten wächst, blüht und gedeiht die Anlage, speziell seit für XFEL der DESY-Campus enorm erweitert wurde – und das Ganze jetzt die Ausgangsbasis für die geplante Science-City Bahrenfeld bildet.
@Nanea
„…aber nur für Um- und Erweiterungsbauten“
Muahahahaha.
Das glaubst DU!
In Wirklichkeit hat da draußen irgend ein Schwurbler einen Bannfluch gesprochen. Das würde bei euch natürlich niemand zugeben. 😉