Wer kennt sie nicht, die wunderschönen Kinder- und Jugendbücher des britischen Schriftstellers Roald Dahl? Charlie und die Schokoladenfabrik, Matilda, Hexen hexen, oder Sophiechen und der Riese sind nur einige wenige seiner Werke, die es auch auf die Kinoleinwand geschafft haben. Dazu kamen noch Romane, Gedichte, Essays.
Die traurigste Geschichte allerdings, die Roald Dahl geschrieben hat, ist bei uns hier in Deutschland leider wenig bekannt. Darin geht es um seine Tochter Olivia, die am 20. April 1955 geboren wurde und bereits im Alter von sieben Jahren am 17. November 1962 verstarb. An Masern-Enzephalitis. Ein Ereignis, das ihn zutiefst erschütterte und bis an sein Lebensende prägte.
Als ihn 1986 die Gesundheitsbehörde von Sandwell (heute Sandwell and West Birmingham Hospitals NHS Trust) bat, einen Text für eine Impfbroschüre zu schreiben, entstand mit dem beeindruckenden Essay Masern: eine gefährliche Krankheit eben jene traurigste Geschichte, die Dahl je geschrieben hat. Dies ist auch das einzige Mal, dass der Autor den Tod seiner Tochter thematisiert hat. Wie seine damalige Frau Patricia Neal in ihrer Autobiographie erzählte, hatte er sonst weder mit ihr noch mit anderen über Olivia und ihren Tod gesprochen.
Umso beeindruckender ist dieser Text, den ich hier im Wortlaut wiedergeben möchte:
Als meine älteste Tochter, Olivia, an Masern erkrankte, war sie sieben Jahre alt. Während die Erkrankung ihren scheinbar normalen Gang nahm, las ich ihr oft im Bett vor und entsinne mich, nicht sonderlich beunruhigt gewesen zu sein. Eines Morgens, als sie schon auf dem Weg der Besserung war, saß ich an ihrem Bett und zeigte ihr, wie man kleine Tiere aus farbigen Pfeifenreinigern formt, doch als sie dann selbst welche formen wollte, bemerkte ich, daß ihre Finger nicht im Einklang mit ihren Gedanken arbeiteten und sie nichts zustande brachte.
„Fühlst Du Dich nicht gut?“ fragte ich sie.
„Ich bin so müde“, antwortete sie.
Innerhalb der nächsten Stunde war sie nicht mehr bei Bewusstsein. Zwölf Stunden später war sie tot. Ihre Masern verwandelten sich in eine grauenhafte Masernenzephalitis und es gab nichts, das die Ärzte für sie tun konnten, um ihr das Leben zu retten. Das war in 1962; doch auch heute, 24 Jahre später, können die Ärzte nicht viel tun, wenn die Masernerkrankung eines Kindes zu tödlichen Reaktionen führt, die denen gleichen, woran meine kleine Olivia verstarb.
Und doch haben Eltern heute die Möglichkeit, etwas für ihre Kinder zu tun, um solche Tragödien zu verhindern. Sie können darauf bestehen, daß ihre Kinder gegen Masern geimpft werden. 1962 hatten wir diese Option für Olivia nicht, da noch kein Impfstoff für Masern frei verfügbar war. Heute jedoch sind sichere und verträgliche Impfstoffe auf dem Markt und man muß als Familie nur den Arzt darum bitten, die Kinder zu impfen.
Die Ansicht, Masern seien eine gefährliche Krankheit, ist nicht sonderlich weitverbreitet. Aber glauben Sie mir, Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit. Meiner Meinung nach, gefährden Eltern, die ihren Kindern Impfungen verweigern, das Leben ihrer Kinder massiv. In Amerika, wo die Impfung gegen Masern Pflicht ist, treten Masern – genau wie Pocken – fast nicht mehr auf. Hier in Großbritannien, wo es viele Impfverweigerer unter den Eltern gibt, die ihre Kinder nicht impfen lassen – sei es aus Unwissenheit oder Starrsinn oder Angst – werden jährlich hundertausende Erkrankungsfälle registiert.
Mehr als Zehntausend davon werden mit der einen oder anderen Art der Komplikation kämpfen müssen. Mindestens Zehntausend der Erkrankten werden Ohren- oder Lungenentzündungen entwickeln. Ungefähr 20 werden sterben.
LASSEN SIE DAS RUHIG ERSTMAL SACKEN.
Jedes Jahr sterben in Großbritannien um die 20 Kinder an Masern. Wie sieht es im Gegensatz dazu mit den mit einer Impfung verbundenen Risiken für unsere Kinder aus? Diese sind nahezu nicht existent. Das muß man sich bitte vorstellen. In einem Bezirk mit 300.000 Einwohnern wird nur eines der immunisierten Kinder alle 250 Jahre impfbedingt schwere Komplikationen durch die Masernimpfung erleiden! Die Chance liegt somit bei ungefähr eins zu einer Million. Ich denke, die Wahrscheinlichkeit, daß Ihre Kinder an einem Stück Schokolade ersticken, ist höher, als an der Masernimpfung ernsthaft zu erkranken.
Worüber um Alles in der Welt machen Sie sich also Sorgen? Es wird fast als Verbrechen dargestellt, wenn man einwilligt, seine Kinder impfen zu lassen. Im Idealfall verabreicht man die Schutzimpfung mit ungefähr 13 Monaten, aber es ist nie zu spät. Alle Kinder, die mit dem Schuleintritt noch nicht gegen Masern geimpft wurden, sollten ihre Eltern bitten, sie baldmöglichst impfen zu lassen.
Ich habe zwei meiner Bücher meiner Tochter Olivia gewidmet, das erste war ‘James und der Riesenpfirsich’. Als ich es schrieb, lebte sie noch. Das zweite, ‘Sophiechen und der Riese’, widmete ich ihr post mortem, nachdem sie den Masern erlag. Sie werden diesen Namen am Anfang beider Bücher lesen. Und ich weiß, wie sehr sie sich freuen würde, wenn sie wüßte, daß ihr Tod half, andere Kindern vor einem Teil der Krankheiten und dem damit verbundenen Sterben zu bewahren.
Ich habe mich ja schon oft mit Impfverweigerern auseinandergesetzt und versucht, die Wichtigkeit von Impfungen darzustellen. Aber was kann ich schon ausrichten, wenn dann ein David Sieveking mit seinem dummen Film „Eingeimpft“ im großen Stil Propaganda gegen Impfungen macht?
Was ich nie verstehen konnte, war, dass solche Menschen den Ärzten und Wissenschaftlern, die sich für Impfungen aussprechen, irgendwelche negativen Motive unterstellen. Meistens Geldgier. Dass eine Impfung etwas um die 15 € kostet, die Medikamente bei einer Masernerkrankung einige hundert, das wollen die Impfnörgler nicht sehen. Wäre ja auch ein Fakt und was will man denn mit Fakten, wenn man Feinstofflichkeit hat.
Ich begreife nicht, warum heute noch Kinder leiden und durchaus auch noch sterben müssen, nur wegen der Verbohrtheit und dem Spleen ihrer Eltern.
Ich bin so müde…
P. S. Gerade wurde ich von einer aufmerksamen Leserin informiert, dass sich auch die verehrten KollegInnen von Psiram mit der Thematik beschäftigt haben. Da verlinke ich doch gerne hin.
Beitragsbild: Signierstunde mit Roald Dahl in einem niederländischen Kinderbuchladen.
By Rob Bogaerts / Anefo – http://proxy.handle.net/10648/ad6ddf02-d0b4-102d-bcf8-003048976d84, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=73243041
Den Text des Essays habe ich hier gefunden: http://www.transgallaxys.com/~kanzlerzwo/index.php?topic=5631.0
2 Gedanken zu “Roald Dahl und die Masern”
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