Was Hahnemanns Lebensalter mit der Homöopathie zu tun hat

Als Samuel Hahnemann am 2. Juli 1843 in Paris verstarb, war er danach nicht nur tot, sondern hatte mit 88 Lebensjahren auch ein recht hohes Alter. Dies wird in der Diskussion immer wieder von Homöopathen und Homöopathie-Verteidigern auf die Homöopathie zurückgeführt. Erscheint auf den ersten Blick auch logisch, wenn man bedenkt, dass die Lebenserwartung um das Jahr 1800 bei 30 bis 35 Jahren lag.

Allerdings ist das doch nicht so einfach, die Berechnung der Lebenserwartung ist nämlich recht komplex, da zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen sind. Dazu gehören die Lebensumstände, Familienstand, hygienische Bedingungen, kriegerische Auseinandersetzungen etc. Um jetzt eine Relation zu Samuel Hahnemanns Lebensalter herstellen zu können, braucht man eine vergleichbare Gruppe von Menschen. Also bin ich zu Wikipedia gegangen und habe mir die Liste von berühmten Persönlichkeiten angeschaut, die ebenfalls 1755 geboren wurden. Und siehe da: eine ganze Reihe von Hahnemanns Zeitgenossen wurden um die 80 Jahre alt, teilweise sogar 89. Andere nur 30 oder 40 Jahre. Und ja, Offiziere, die in den napoleonischen Kriegen dienten, habe ich rausgelassen. Aber trotzdem wurde mir dadurch gezeigt, dass diese Gruppe zu heterogen war. Ich brauchte eine Kontrollgruppe, deren Lebensumstände ähnlich, wenn nicht gleich waren wie die von Hahnemann – und was liegt da näher als seine Familie? Denn diese lebte ja in den gleichen Lebensumständen wie Hahnemann und auch sie wandten die Homöopathie an. (Ein Choleriker wie Hahnemann hätte seiner Familie etwas Anderes erzählt, wenn sie nicht die Homöopathie angewandt hätten.)

Also schauen wir uns mal seine Familie an. Da ist seine Frau Johanna, die er 1782 heiratete. Mit ihr hatte er elf Kinder: Henriette, Friedrich, Wilhelmine, Amalie, Caroline, Ernst, Friederike und ihre Zwillingsschwester, Eleonore, Charlotte und Luise. Jetzt müssen wir aber einige Kinder aus unserer Betrachtung herauslassen:

  • Friedrich, der 1786 geboren wurde, ging 1828 in die USA und dort verliert sich seine Spur. Wir kennen sein Todesdatum nicht. Angenommen wird 1833, demzufolge wäre er 47 Jahre alt geworden.
  • Ernst, geboren 1794, starb im Alter von sechs Monaten durch einen Sturz aus seiner Wiege.
  • Friederike, geboren 1792 oder 1795, selbst wurde 1855 ermordet.
  • Friederikes Zwillingsschwester war eine Totgeburt.
  • Und Eleonore, die 1795 oder 1803 geboren wurde, wurde 1845 ermordet oder nahm sich das Leben, dies ist nicht geklärt.

Bleiben für unsere „Kontrollgruppe“ noch sieben Personen, die Ehefrau Johanna und sechs Kinder:

Johanna lebte von 1764 bis 1830, wurde also 66 Jahre alt.
Henriette lebte von 1783 bis 1856, wurde also 73 Jahre alt.
Wilhelmine lebte von 1788 bis 1818, wurde also 30 Jahre alt.
Amalie lebte von 1789 bis 1857, wurde also 68 Jahre alt.
Caroline lebte von 1793 bis 1830, wurde also 37 Jahre alt.
Charlotte lebte von (1797) 1805 bis 1863, wurde also 58 Jahre alt.*
Luise lebte von 1806 bis 1878, wurde also 72 Jahre alt.

Wir sehen also, Hahnemanns Familie wurde zwischen 30 und 73 Jahren alt. Und dies relativ normale Alter im gehobenen Bürgertum (mit den gleichen Lebensumständen wie Samuel Hahnemann) ihrer Zeit. Dies zeigt uns recht deutlich, dass Samuel Hahnemann mit seinen 88 Jahren sicher ein Methusalix seiner Zeit war (und selbst heutzutage sind 88 Jahre für einen Mann ein recht hohes Alter, liegt die aktuelle Lebenserwartung für Männer doch bei 77 Jahren), dies aber auf die Anwendung der Homöopathie zurückzuführen, wäre ein eindeutiger Fehlschluss. Was der Grund für Hahnemanns Langlebigkeit war, werden wir heute sicherlich nicht mehr rekonstruieren können.

* Bei Charlotte gibt es mit 1797 noch eine weitere Angabe des Geburtsjahres. Da 1805 allerdings häufiger auftaucht, gehe ich davon aus, dass dies das wahrscheinlichere Geburtsjahr ist.

Ein Gedanke zu “Was Hahnemanns Lebensalter mit der Homöopathie zu tun hat

  1. Du erwähnst die hygienischen Bedingungen.
    Hahnemann, das ist bekannt, war ein Verfechter der Hygiene, darauf dürfte er auch bei sich selbst geachtet haben.
    Schutz vor der Heroischen Medizin, Flüssigkeitsgabe und Hygiene waren ja die wichtigsten Punkte, weshalb viele seiner Cholera-Patienten überlebten.

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