Heute, meine lieben Leserinnen und Leser, habe ich das große Vergnügen, eine der tragenden Säulen der Homöopathieaufklärung interviewen zu dürfen. Dem breiten Publikum ist das „Susannchen“ ganz sicher bekannt, das keine Globuli braucht – es ist das Maskottchen und das „Familienprojekt“ des Informationsnetzwerks Homöopathie.
Susanne Aust ist in Personalunion Initiatorin, Ideengeberin und Motor dieses tollen Projektes. Gemeinsam mit ihrem Team betreibt sie die „Susannchen“-Seiten im Web, auf Facebook und Twitter und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über Homöopathie und andere Pseudomedizin.
Liebe Susanne, schön, dass wir uns heute ein bisschen unterhalten können. Aber kommen wir gleich zum Punkt: Wer bezahlt dich dafür, gegen die Homöopathie zu agieren?
Hallo Michael! Die Frage ist schnell beantwortet: Sooft ich auch in die Kontoauszüge schaue, es ist immer dasselbe – da war niemand, der auch nur einen Euro dafür bezahlt hätte…
Übrigens bin ich nicht auf dem Kriegspfad, „agiere“ nicht gegen „die Homöopathie“. Ich versuche vielmehr, mit meinen sehr bescheidenen Möglichkeiten ein kleines bisschen vom Berg an Des- und Fehlinformation zur Homöopathie abzutragen, der so vielen Menschen die Sicht auf die Fakten nimmt.

Spaß beiseite. Fangen wir einfach am Anfang an. Weshalb kritisierst du die Homöopathie und wie bist du dazu gekommen?
Ich darf wohl sagen, dass bei mir dafür persönliche – leidvolle – Erfahrung ausschlaggebend war. Irgendwann treten wohl bei jedem Beschwerden auf, die man vorher nicht hatte, es zieht sich hin … und früher oder später kommt aus dem Bekanntenkreis der gutgemeinte Ratschlag: „Versuch es doch mal beim Heilpraktiker, ist doch besser als immer gleich mit Chemie!“ Das war bei mir auch so. Allein in unserer Kleinstadt gibt es fünf Heilpraktiker – spricht das nicht irgendwie für sich… ? Und ja, natürlich schien es irgendwie verlockend, dass mit „natürlichen Mitteln“ geholfen werden sollte. Damals waren meine Vorstellungen von alledem, wie heute noch bei sehr, sehr vielen Menschen, völlig diffus bis falsch – aber mit einem durchaus positiven Touch…
Zunächst einmal wurde ich von dem ganzen Drumherum überrascht, das ich mir so nicht vorgestellt hatte: Termin um Termin, Gespräch um Gespräch, immer ein anderes Mittelchen, immer eine neue Erklärung, warum das bisherige leider nicht… Die Schmerzen blieben, die Rechnungen summierten sich. Und ich wurde regelrecht konditioniert, wie es so schön heißt: Ich habe auf jedes kleinste Detail geachtet, das eine Besserung andeuten hätte können, habe krude Behandlungen widerspruchslos mitgemacht, und es gab immer höhere Potenzen von Globuli, die angeblich „besser individuell zu mir passen“. Die Gespräche waren nett – aber geholfen haben sie nicht.
So wurde ich durchaus regelrecht „bei der Stange gehalten“, ja, letztlich auch mit eigener „Verantwortung“ dafür beladen, dass es mir schlicht und einfach nicht besser ging. Wenn es doch so vielen anderen hilft – warum dann nicht auch mir? Da muss ich doch irgendetwas falsch gemacht haben? Irgendwann hat sich mein Mann die homöopathischen Mittel (über die er damals auch nicht mehr wusste als ich) näher angesehen – und danach fragten wir uns dann, ob wir nun lachen oder uns ärgern sollen. „Da ist ja gar nichts drin, was wirken könnte.“ Wir haben uns gemeinsam näher und dann auch sehr intensiv mit dem Thema Homöopathie beschäftigt. Am vorläufigen Ende stand dann das Buch „In Sachen Homöopathie – eine Beweisaufnahme“, das Reaktionen in der Presse nach sich zog – und die erste Kontaktaufnahme mit der GWUP. Nun, es schien irgendwie die Zeit reif gewesen zu sein, denn die Geschichte geht weiter: Bald darauf kam eine homöopathische Ärztin namens Natalie Grams auf uns zu, die ebenfalls an einem Buch zur Homöopathie arbeitete und nach einem fachlichen Austausch suchte… Das alles führte dann schließlich zur Gründung des Informationsnetzwerks Homöopathie (INH). Mein Punkt dabei: Gerade junge Familien mit Kindern sind eine wichtige Zielgruppe der Homöopathiewerbung, die oftmals mit falschen und stark positiv verzerrten Aussagen auftritt. Daher erschien es mir sinnvoll, die eher wissenschaftlich orientierten Informationen des INH und der Homöopedia so aufzubereiten und ansprechend zu gestalten, dass auch Eltern und Großeltern sie mit Interesse lesen.
Übrigens – der Wechsel zu einem Facharzt brachte dann auch eine klare Diagnose, die bei den vorausgegangenen „natürlichen“ Behandlungen nicht einmal im Ansatz vorkam, und die leitliniengerechte Behandlung aufgrund dieser Diagnose führte recht schnell zum Erfolg. Der „Umweg“ über die scheinbare Behandlungsoption kostete nicht nur einiges an Geld, sondern auch geraume Zeit über einiges an Lebensqualität.

Du bist ja sozusagen das personifizierte Projekt „Susannchen braucht keine Globuli“. Deshalb mal an dich die Frage: Heutzutage erlebt man tatsächlich ständig, dass Eltern ihren Kindern recht schnell die Kügelchen geben, beispielsweise bei Stürzen oder ähnlichem Kleinkram. Was hältst du davon – und was wäre die bessere Alternative?
Jede Alternative, auch das pure Nichtstun, ist besser als die Gewöhnung an die unkritische Gabe von Scheinmedizin. Es ist so wichtig, Kinder, wenn sie sich wehgetan haben, in den Arm zu nehmen und zu trösten. Bei einer Schramme darf es gern ein liebevoll aufgeklebtes Pflaster und, gerade auch bei kleinen Kindern, mal ein „Trösterle“ sein – das muss ja nicht einmal unbedingt etwas Süßes sein (obwohl „Susannchen“ Gummibärchen liebt). Es gibt genug andere Möglichkeiten, das wussten wirklich schon unsere Mütter und Großmütter, wie du in einem deiner letzten Artikel so nett geschrieben hast.
Die Kinder spielen nach ein paar Minuten munter weiter und lernen, dass ein blauer Fleck von allein verheilt. Den Kleinen stattdessen beizubringen (und sie verinnerlichen das schnell), dass sie dafür kleine süße Kügelchen aus der Apotheke bräuchten, ist fatal. Dieses Vorgehen lässt das Kind glauben, dass nur deswegen das aufgeschürfte Knie nach einer Woche wieder verheilt ist. Die Erwachsenen, die stets Globuli geben wollen, sind das beste Beispiel dafür, wie sich dieser Irrtum festsetzt. Das Kind wird immer dazu neigen, bei jeder Kleinigkeit nach „Medizin“ zu verlangen, was verhindert, dass ein natürliches Gefühl für den eigenen Körper und seine Befindlichkeit entstehen und das Vertrauen in das eigene Immunsystem wachsen kann.
Und mit großer Wahrscheinlichkeit wird es in späteren Jahren öfter als notwendig zu echten Medikamenten greifen. Das, was man eigentlich vermeiden wollte, wird durch die Globuli gefördert: die Konditionierung auf Medikamenteneinnahme bei jeder Befindlichkeitsstörung. Das ist für mich persönlich ein ganz zentrales Motiv für die Aufklärung über Homöopathie.

Was meinst du, warum gerade junge Eltern so „anfällig“ für Pseudomedizin sind?
Im Grunde ist das einfach: Selbstverständlich wollen junge, vielleicht auch noch unerfahrene Eltern nichts mehr als das Beste für ihr Kind. Dabei spielt die allgegenwärtige Projektion des „Sanften, Natürlichen und ohne Nebenwirkungen“ eine große Rolle – und genau das ist das falsche Image der Homöopathie und anderer Pseudomedizin, die damit wirkliche Naturheilkunde geradezu in Misskredit bringen. Zu diesem Thema gibt es mehrere Beiträge auf der „Susannchen“-Webseite. Über Jahrzehnte wurde dieses falsche Image der Homöopathie gepflegt und aufgebaut. Ohnehin ist diese ganze Fixierung auf das Schlagwort „Natürlichkeit“ eine ebenso romantische wie naive Vorstellung. Die Natur ist keineswegs immer nur sanft – und etwas, das keine Nebenwirkungen hat, hat in den allermeisten Fällen auch keine Wirkung.
Lass mich bei dieser Gelegenheit noch etwas zum „Susannchen“-Projekt sagen. Dieses Denken in den Kategorien von „sanft und natürlich“ gegenüber der „bösen Chemie“ und dergleichen ist ja nicht auf die Homöopathie beschränkt. Da lauern auch auf anderen Gebieten Fallstricke, die aus den gleichen Begriffen gestrickt sind. Wir haben deswegen das „Susannchen“-Projekt so konzipiert, dass wir den Rahmen dort über die Homöopathie hinaus spannen. Im Vordergrund steht dabei neben dem Hauptthema Homöopathie vor allem die Impfaufklärung, und wir freuen uns sehr darüber, dass auf die Artikel von „Susannchens kleiner Impfkunde“ vielfach verlinkt wird. Es gibt aber noch genug Pseudomedizin „drumherum“, wie Bach-Blüten oder Schüßler-Salze, aber auch andere Dinge wie fernöstliche Methoden, z.B. Reiki oder auch die Akupunktur, wozu wir einen ausführlichen Info-Artikel anbieten, und mehr. All dies verbindet sich über diesen falsch verinnerlichten Natürlichkeitsbegriff, hinter dem sich Zweifelhaftes bis Unsinniges heute so gern versteckt – bis hin zu hochgefährlicher Quacksalberei wie beispielsweise MMS. Wir möchten, wie es auf unserer Webseite heißt, deutlich machen, dass es für ein gesundes Leben und vor allem für ein gesundes Aufwachsen unserer Kinder keine Pseudomedizin braucht – im Gegenteil! Und dazu hast du, lieber Michael, als gern gesehener Gastautor beim „Susannchen“-Projekt ja selbst schon manches beigetragen.
Übrigens ist auch Pseudomedizin bei Tieren ein ständiges Thema im Susannchen-Projekt. Zu Anfang hätten wir selbst gar nicht für möglich gehalten, was sich auf diesem Sektor alles so auftut…

Wenn man sich die Susannchen-Postings in den sozialen Medien so anschaut, werden dein Team und du ja auch ganz schön angefeindet und das auf äußerst unschöne Art. Was meinst du, woher so großer Hass kommt?
Nun, das kommt vor, aber diese unschönen Kommentare sind doch die – allerdings augenfällige – Ausnahme. Leider wird in solchen Fällen sehr deutlich, dass es manchen Leuten darum geht, die Diskussion von den Fakten weg auf eine emotionale, ja emotional regelrecht aufgeladene Ebene zu bringen. Das macht schon Sorge, aber das ist nicht neu.
Natürlich ist es wenig erbaulich für Betroffene, wenn ein tief verankertes Glaubenssystem (denn das ist die Homöopathie) offen in Frage gestellt wird. Das Unbehagen gegenüber der Kritik ist erst recht nachvollziehbar, wenn dabei über das Selbstbild hinaus auch berufliche Reputation und Einkommen berührt werden. Wir sind uns dessen wohl bewusst – aber sollen wir deswegen alles laufen lassen, auf die Aufklärung oft wirklich hilfesuchender kranker Menschen verzichten? Kritik an Falschem ist doch eine Selbstverständlichkeit in einer offenen Gesellschaft. Sie kann auch durchaus als persönliche Verpflichtung empfunden werden, hat man einen Missstand einmal erkannt – viele von uns sehen das so.
Es kommt hinzu: Niemand ist persönlich Ziel unserer Kritik (anders als gelegentlich umgekehrt), wir kritisieren eine Methode und die Fehlinformationen darüber, die sich leider in der Bevölkerung tief festgesetzt haben. Unser Anliegen ist die Information. Nicht umsonst lautet das Motto des INH „Wir klären auf – Sie haben die Wahl“. Der Hass- und Hetzevorwurf ist allein schon deshalb unsinnig, weil wir keinen „Feldzug gegen etwas“ führen, sondern positiv für etwas eintreten: Für Ehrlichkeit und Redlichkeit den Patienten gegenüber, für gute Information, mit der eine eigenständige Entscheidung der Menschen für oder gegen die Homöopathie überhaupt erst möglich ist, und letztlich für bessere, patientengerechte Medizin. Wer redlich denkt, wird hier weder Hass noch Hetze finden können. Worüber wir informieren, ist immerhin der Stand der weltweiten Wissenschaft und nichts, was sich das INH etwa ausgedacht hätte.

Wie geht ihr mit solchen Kommentaren um?
Wir rufen nie so aus dem Wald heraus, wie es hereinschallt. Innerhalb des INH gibt es da ganz klare Kommunikationsregeln, die man auf der INH-Webseite auch nachlesen kann. Wir versuchen stets, sachlich zu antworten und aufzuzeigen, dass unsere Beiträge sorgfältig recherchiert und auf dem neuesten Stand der Wissenschaft sind. Unsere Informationen sind so fundiert und belegt, dass sie keine Polemik brauchen (wer in dieser Aussage nun gleich wieder Polemik findet, darf sie gern behalten). Ein freundlicher Umgang miteinander ist uns sehr wichtig, weil uns klar ist, dass meistens wirklich Unkenntnis über das Thema herrscht. Ob jemand offen für unser Informationsangebot ist oder nicht, ist eine andere Sache. Wir haben keinerlei finanziellen Vor- oder Nachteil davon. Wenn jemand an Homöopathie glauben möchte, lassen wir ihm seinen Glauben. Was uns aber gar nicht gefällt und was auch eine besondere Motivation für das „Susannchen“-Projekt ist: wenn nicht selbst Entscheidungsfähige, nämlich Kinder oder Tiere, darunter zu leiden haben, dass durch Empfehlungen für und die Hinwendung zu Pseudokram letztlich keine wirksame Hilfe geboten wird. Wenn die Erkrankungen über Bagatellen hinausgehen, die von selbst wieder heilen, ist das unterlassene Hilfeleistung und unnötiges Leidenlassen.
Ein NoGo allerdings gibt es beim „Susannchen“-Projekt: Das Lancieren von Impfgegner-Beiträgen in den Kommentaren akzeptieren wir nicht, da sind wir strikt.

Um noch einmal auf das breitere Themenspektrum bei „Susannchen“ zurückzukommen: Was meinst du, woher dieser Hang kommt, selbst an der eigenen Gesundheit herumzudoktern?
Eine gute Frage! Hustet beim Auto der Motor, muss die Fachwerkstatt ran. Spratzelt der Fernseher, wird der entsprechende Fachdienst geholt. Aber ausgerechnet in Gesundheitsfragen setzt man in einem Maße auf Do-it-yourself, das angesichts dieser einfachen Beispiele erstaunt. Warum?
Nun, Gesundheit ist etwas extrem Persönliches; gesundheitliche Probleme werfen, wie man so schön sagt, die Patienten auf „sich selbst“ zurück. Man gibt die „Lufthoheit“ über die eigene Gesundheit, den eigenen Körper nicht so schnell und einfach ab wie beim Auto oder Fernseher. Das ist nachvollziehbar und ja durchaus nicht falsch, aber hier kommen viele Dinge zusammen – nicht zuletzt ist die Propaganda für Pseudomedizin dabei ein Faktor.
Wir plädieren bei der Homöopathiekritik immer wieder für das „verantwortliche Abwarten“, da es uns fern liegt, womöglich Homöopathie eins zu eins durch andere Medikamente ersetzen zu wollen – das wäre so ziemlich das Gegenteil unseres Anliegens. Aber: Bei Bagatellen einfach nur abzuwarten, bis sie wieder von allein vergehen, erfordert Geduld, ein natürliches Gefühl für die eigene Befindlichkeit und das Vertrauen in das eigene Immunsystem. Diese Geduld fällt oft schwer, man möchte selbst tatkräftig etwas tun, auch mal „etwas mehr“, um diesen Vorgang anzukurbeln. In diese Lücke stößt die omnipräsente Werbung. Homöopathika, Schüßler-Salze, Bach-Blüten sind reine Placebos – die aber als wirksame Arzneien beworben und vor allem in der Apotheke verkauft werden. Und, um den Kreis nochmals zu schließen, als was? Als „sanfte und nebenwirkungsfreie Naturheilmittel“… Nichts könnte falscher, aber nichts könnte auch attraktiver sein! Um es noch einmal deutlich zu sagen: An diesen Produkten ist nichts Natürliches und es ist verantwortungslos, Kinder kritiklos zum Beispiel mit Bach-Blüten-Bonbons „für die Schule stark zu machen“. Gerade der Bach-Blüten-Kram erhebt ja den falschen Anspruch, bei mental-psychischen Problemen aller Art geeignet zu sein. Furchtbar! Mit so etwas beschränkt sich die Konditionierung von Kindern dann nicht einmal mehr auf den körperlichen Bereich, sondern geht fatalerweise auch noch in den mentalen Bereich über. Das löst keine Probleme, das schafft und verfestigt welche.
Auf alledem beruht die Idee zum „Susannchen“-Projekt als einem besonderen Angebot des INH für Familien. Natürlich freue ich mich sehr, dass diese Idee sich zu einem so schönen Erfolg entwickelt hat, was sich auch darin zeigt, dass wir bei Facebook auf die 10.000 Abos zugehen und unsere Webseite inzwischen rund eine Viertelmillion mal aufgerufen wurde.
Vielen Dank, liebe Susanne für deine Zeit und das nette Gespräch. Ich wünsche deinem Team und dir noch viel Erfolg!
Danke, Michael, das wünschen wir uns auch…! 😉

Sehr gut erläutert. Wenn es nicht wirkt, dann muss man ja was falsch gemacht haben. Und sei es nur eine falsche gedankliche Einstellung. Bei Pseudomedizin heißt es ja immer, dass man selbst Verantwortung für eine Erkrankung trägt. Dass Kinder antrainiert wird, direkt bei jedem Wehwehchen nach Globulis zu verlangen, kann ich bestätigen. Ich finde die Aufklärungsarbeit von Susannchen super! Macht weiter so.