Ich habe ja hier bereits über die Bestrebungen der Nationalsozialisten zur Etablierung einer „Neuen Deutschen Heilkunde“ geschrieben. Nachdem beispielsweise Rudolf Heß und Heinrich Himmler glühende Anhänger der Homöopathie waren, war es nicht verwunderlich, dass gerade ihr größere Aufmerksamkeit zukam.
In den Jahren zwischen 1936 und 1939 wurde das Reichsgesundheitsamt damit beauftragt, umfangreiche Studien durchzuführen, wofür ein eigener Arbeitskreis ins Leben gerufen wurde. Hierzu gehörten:
Hanns Rabe (Homöopath und Vorsitzender des Deutschen Vereins homöopathischer Ärzte),
Werner Siebert (Internist),
Gustav Kuschinsky (Prof. für Pharmakologie),
Richard Bonsmann (Pharmakologe).
Ein weiterer Beteiligter an den Untersuchungen war Fritz Donner, der zu dieser Zeit an der homöopathischen Abteilung des Rudolf-Virchow-Krankenhauses (Berlin) tätig war. Schauen wir uns einmal an, was die allwissende Müllhalde des Internets (aka Wikipedia) über Herrn Donner weiß:
Fritz Donner wurde als Sohn des homöopathischen Arztes Hans Donner 1896 in Stuttgart geboren. Nach dem Abitur am Eberhard-Ludwigs-Gymnasium Stuttgart studierte er Medizin an den Universitäten Tübingen, Freiburg, Rostock, Halle und Greifswald. 1924 wurde er in Rostock zum Dr. med. promoviert. Nach seinem Studium arbeitete er von 1917 bis 1918 als Assistenzarzt. Homöopathie lernte er u. a. bei Hans Wapler in Leipzig und Alfons Stiegele in Stuttgart. Von 1928 bis 1930 war er als Oberarzt am Homöopathischen Aushilfskrankenhaus in Stuttgart tätig. 1931 ging Donner nach Berlin, wo er an der Homöopathischen Universitäts-Klinik unter Ernst Bastanier tätig war. Von 1932 bis 1944 war er Mitarbeiter der Allgemeinen Homöopathischen Zeitung. In der Zeit des Nationalsozialismus hielt er von 1934 bis 1945 als Dozent für Homöopathie an der Berliner Akademie für die ärztliche Fortbildung Vorlesungen. 1936 wurde ihm die Leitung der homöopathischen Abteilung des Rudolf-Virchow-Krankenhauses in Berlin übertragen, der er bis 1945 vorstand.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges arbeitete er ab 1945 am Krankenhaus Wannsee. 1948 wurde er Chefarzt am Städtischen Behring-Krankenhaus in Berlin-Zehlendorf, wo Donner die Internistische und Infektionsabteilung leitete und Ärztlicher Direktor war. Er arbeitete hier bis zu seinem Ruhestand 1960. Eine homöopathische Behandlung betrieb er dort nicht mehr.
Fritz Donner verstarb 1979 im Alter von 82 Jahren in Berlin. (1)
Donner war schon immer ein recht kritischer Geist und sah bereits als Assistenzarzt die historischen Arzneimittelprüfungen von Samuel Hahnemann. Nach seiner Pensionierung machte er sich dann an die Mammutaufgabe, die während der RGA-Studien erarbeiteten Akten (immerhin vier Meter an Aktenordnern!) zu sichten und einen Bericht daraus zu erarbeiten, den er 1966 unter dem Titel Bemerkungen zu der Überprüfung der Homöopathie durch das Reichsgesundheitsamt 1936 bis 1939. In Deutschland wurde dieser komplett erst 1995 in der Zeitschrift Perfusion veröffentlichte. Das Original befindet sich heute im Archiv der Robert-Bosch-Stiftung. Einen Link zum Volltext findet ihr am Schluss dieses Artikels.
Einen Einblick in seine damalige Arbeit gibt er in einem Schreiben an Dr. Erich Unseld in Stuttgart vom 15. Oktober 1966: In den 6 Jahren meines Ruhestandes bin ich etwa die Hälfte der Vormittags entweder am Schreibtisch gesessen oder in meinen Räumen auf und abgelaufen und habe darüber sinniert, wie man wohl am besten den Auftrag ausführen könne, ohne den Homöopathen zu sehr wehe zu tun und auch für alles irgendwelche Entschuldigungen parat zu haben. Ursprünglich waren die Kapitel und Vornotizen so umfangreich, dass die Arbeit vielleicht 250 bis 300 Seiten umfasst hätte und somit eine erschöpfende Darstellung der Dinge gebracht hätte. Es kamen mir dann Bedenken, wer dies drucken würde?? Ich habe dann Kapitel I von annähernd 50 Seiten auf 40, dann auf 30, auf 15 und zuletzt auf 9 Seiten neu zusammengeschrieben und bin dann zu einem Gesamtumfang von etwas über 40 Seiten für alle 5 Kapitel gekommen. (5) Donner hatte also die undankbare Aufgabe, ungeliebte Wahrheiten möglichst schonend zu verkaufen.
Aber schauen wir uns jetzt mal den Report selber an. Was haben die Studien und Versuche des RGA gebracht? Wenn wir uns überlegen, dass ein homöopathieaffiner Auftraggeber einem homöopathieaffinen Arbeitskreis den Auftrag gibt, die Homöopathie zu untersuchen, dürfte das Ergebnis wohl schon von vorneherein klar sein. Meint man. Dem war aber nicht so. Viel eher beschreibt Donner die Studien als totales Fiasko (2). Nein, ehrlich! Also gut, hier der ganze Satz, den findet ihr auf Seite 8 des Berichtes: Man dürfte im homöopathischen Lager um eine Bestandsaufnahme der Realitäten und einen radikalen Abbau der Illusionen nicht herumkommen können, falls man eine Wiederholung des 1936 bis 1939 aufgetretenen totalen Fiaskos vermeiden will! (2) Eindeutig nicht wahr? Oder hier, auch ein schönes Zitat aus dem Bericht: Als Ergebnis der 1936 bis 1939 durchgeführten praktischen Untersuchungen ist zu vermerken, daß es dem damaligen Vorsitzenden der homöopathischen Ärzte, H. Rabe, weder im Arzneiprüfungsversuche noch bei seinen therapeutischen Bemühungen an von ihm selbst ausgesuchten Kranken gelungen ist, irgend einen Erfolg zu Gunsten der Homöopathie zu erzielen. (2)
Was sollte eigentlich durch diese Studien bewiesen werden? Hauptpunkte waren die Überprüfung des Simile-Prinzips, dann die Zuverlässigkeit der historischen Arzneiprüfungen und der daraus folgenden Arzneibilder und außerdem sollte die Praxistauglichkeit der Homöopathie erprobt werden. Erstmalig waren die Versuche auch placebokontrolliert.
Donner ging in seinem Bericht auf die einzelnen Untersuchungen ein:
- Dem damaligen Vorsitzenden der homöopathischen Ärzte, Hanns Rabe (1890-1959), sei es „weder im Arzneiprüfungsversuch noch bei seinen therapeutischen Bemühungen an von ihm selbst ausgesuchten Kranken gelungen [..], irgend einen Erfolg zu Gunsten der Homöopathie zu erzielen“, so z.B. bei einem von Rabe durchgeführten Doppelblindversuch mit Silicea C 30 (Kieselerde/Silicea). Das Ergebnis: Verum und Placebo verursachten gleich viel Symptome. Den anwesenden Homöopathen war es nicht möglich, Verum und Placebo zu unterscheiden.
- Auch die Prüfungen von Paul Martini mit Bryonia (Zaunrübe) und Sepia (Tintenfisch) kamen zu keinem positiven Resultat.
- Die Arzneiprüfungen von Ferdinand Hoff ergaben „keine erkennbare Übereinstimmung mit den Arzneibildern“ und zahlreiche Placeboeffekte.
- Erste Prüfungen der Wirksamkeit des homöopathischen Thuja-Extrakts (Lebensbaum) gegen die Infektions- und Geschlechtskrankheit Gonorrhoe an der Berliner Universitäts-Poliklinik ergaben erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit des Mittels.
- Auch die in Stuttgart von Stiegele angeblich erzielten homöopatischen Erfolge gegen Lungenentzündung wurden durch eine ältere Prüfung ernsthaft infrage gestellt. Donner urteilte rückwirkend: „Derartige Mortalitätsziffern hatte ich bis dahin noch nie erlebt.“
- Die Überprüfung des vermeintlichen Diphtherie- und Basedow-Heilmittels Thyreoidin (getrocknete Schilddrüse des Schafes) ergab, dass keinerlei Belege für eine Wirkung nachgewiesen werden konnten.
Die Beauftragten des RGA (in der Mehrheit Homöopathen) waren „empört“ und „entsetzt“ über die möglichen juristischen Folgen, die ein Bekanntwerden dieses Untersuchungsergebnisses nach sich ziehen könnte, bis hin „zu einem glatten Verbot einer homöopathischen Therapie im ganzen Reich“. (3)
Zu den historischen Arzneiprüfungen, die Donner besonders am Herzen lagen, schrieb er in seinem Bericht: Verhältnismäßig leicht ist es, sich im Nachprüfungsexperiment ein klares Bild über die Wertigkeit der einzelnen Arzneibilder zu machen. Gehen wir mit der nun einmal nötigen Kritik den Quellen der Arzneibilder nach, dann müssen wir feststellen, daß die wichtigste und sicherste Basis der meisten Arzneimittel unter Verwendung von Berichten über Vergiftungen und über Nebenwirkungen von Giften und Arzneistoffen geschaffen wurde. Eine weitere Quelle stellen die Ergebnisse von Arzneiprüfungen an gesunden Menschen dar. Hahnemann, der in der ersten Zeit an sich selbst und den Mitgliedern seiner Familie prüfte, benützte hierzu anfangs nur massive Gaben, also Tinkturen u.ä. Daß man hiermit Arzneisymptome tatsächlich Erzielen kann, dürfte wohl niemand bezweifeln, denn ein Versuch mit Aloe, das seinerzeit in Tinkturen geprüft wurde, würde ihn schnell überzeugen.
Später, als Hahnemann Schüler um sich gesammelt hatte, nahm er auch an ihnen Arzneiprüfungen vor. Überraschenderweise zeigte sich aber, daß Dr. Stapf bei jeder Arznei, die er prüfte, erotische Symptome angab – es war eben in jenen Jahren, in denen Männer derartige Erscheinungen zu haben pflegen. Sie mit den geprüften Arzneistoffen in Zusammenhang zu bringen, dürfte doch ein sehr zweifelhaftes Unterfangen sein.
Ein weiterer seiner Prüfer war Langhammer, dessen Gemütssymptome bei allen Arzneien, die er prüfte, einander sehr ähnlich waren. Da er von allen, die ihn kannten, als depressiv und krankhaft in seinen Handlungen geschildert wird, können die von ihm geschilderten seelischen Erscheinungen wohl kaum der gerade eingenommenen Arznei zugeschrieben werden. Es schlichen sich also bereits bei den ersten Versuchen Hahnemanns erhebliche Fehlerquellen ein, die vor allem darauf beruhen, daß er und seine Schüler – bis in die Gegenwart herein – der Meinung waren, daß jedes Symptom und jede Abweichung vom normalen Zustande der Gesundheit, die ein Prüfer während der Zeit der Prüfstoffeinnahme an sich bemerkt, nur durch letzteren bedingt ist (Hahnemann, Organon der Heilkunst, 6. Auflage, § 138) (2)
Ein weiteres Beispiel berichtet er zu dem Mittel Aralia: Bei den über 300 Besuchen, die die Beauftragten des RGA mir an meinen damaligen Arbeitsplätzen abstatteten, wurde über viele Mittel gesprochen. Als ich einmal in der Poliklinik das von A. Stiegele bei ‘Hustenreiz gleich nach dem Einschlafen’ besonders empfohlene Aralia versuchsweise verordnet hatte, wurde ich nach den Grundlagen gefragt, die zur Empfehlung des Mittels bei solchen Zuständen geführt haben. Ich konnte auf eigene Veröffentlichungen verweisen, nach denen die Anwendung des Mittels auf einen Dr. S.A. Jones zurückgeht, einen Asthmatiker, der eines Abends kurz nach dem Niederlegen wieder einen seiner Asthmaanfälle bekam. Zuerst nahm er an, es habe sich um einen seiner üblichen Anfälle gehandelt. Als er sich erinnerte, daß er nachmittags 3 Uhr von einer Araliatinktur 10 Tropfen eingenommen hatte, brachte er seinen Anfall mit dem Mittel in Zusammenhang, zumal er den Eindruck nachträglich hatte, daß das Asthma etwas anders verlaufen wäre als sonst.
Da weiteres nicht bekannt ist, konnte ich meinen Fragestellern nicht mehr sagen, so etwa, ob Jones auch bereits früher oder auch später ähnliche Anfälle gehabt hat wie in jener Nacht. Wir wissen nur, daß er damals um 24 Uhr zu Bett ging und nach dem Niederlegen den Anfall bekam. Ob er vorher irgendwelchen anfallauslösenden Situationen ausgesetzt war oder ob etwa an einem nebeligkalten Abend das Fenster zu lange offen blieb, so daß feuchtkalte Luft im Zimmer war, all das wissen wir nicht. Irgendwelche weitere Araliaprüfungen zur Untermauerung seiner Angaben sind seither nicht gemacht worden. (2)
Donner berichtete von weiteren Fällen, wo lediglich einzelne oder wenige Fälle zur Erstellung eines Arzneimittelbildes herangezogen wurden. Auch auf die placebokontrontrollierten Arzneimittelprüfungen legte Donner besonderes Augenmerk, fielen in ihnen die homöopathischen Gaben doch komplett durch. Besonders zeigte sich dies in bei der Schilderung einer Arzneiprüfung zu Silicea C30, die von H. Rabe geleitet wurde. Während dieser Prüfung entwickelten zwei Prüfer eindeutige Siliceasymptome. Nach der Kontrolle der bis dahin versiegelten Listen stellte sich allerdings heraus, dass beide lediglich ein Placebo erhalten hatten. Auch die weiteren Protokolle brachten absolut keine Ergebnisse. Somit war diese Prüfung vollkommen negativ verlaufen.
Im April 1939 kam dann quasi der „Showdown“ oder um bei unserem Titelbeispiel zu bleiben: Blücher erschien mit seinen Preußen auf dem Schlachtfeld von Waterloo.
Was war geschehen? Nun ganz einfach, der Präsident des RGA hatte sich an H. Rabe gewandt und wollte die Auskunft, welche Ergebnisse vorzuweisen wären. Nun gab es ein vertrauliches Hinterzimmergespräch, an dem auch Donner teilnahm und über das er berichtet. Die Homöopathen des Arbeitskreises waren nämlich in heller Aufregung, denn Wahrheitsgemäß müßte man antworten, daß bei der Arzneiprüfung nichts herausgekommen ist und daß bei den klinischen Versuchen bei keinem einzigen Patienten eine irgendwie für eine therapeutische Wirkung der eingesetzten Arzneien sprechende Reaktion eingetreten ist. (2) Auch Rabe selbst konnte keinen einzigen Fall angeben, der unter seinen therapeutischen Bemühungen erfolgreich verlaufen wäre.
Man einigte sich auf ein ausweichendes Antwortschreiben, in dem von verschiedenen Schwierigkeiten die Rede war. Gleichzeit beschloss man, die Überprüfungen unter den gesammelten Erfahrungen neu zu beginnen. Dies geschah auch zeitnah und unter Teilnahme von Vertretern des RGA. Diese fragten Rabe, wie viele im Repertorium von Kent verzeichneten Mittel er für zuverlässig halte. Eine Frage um die er sich natürlich drücken wollte, aber nach langem Hin und Her zu guter Letzt[musste] H. Rabe zugeben […], daß er nur etwa 5% bis höchstens 10% der unter den einzelnen Symptomenangaben erwähnten Mittel für soweit stichhaltig halte, daß man erwarten könne, daß sie sich bei den vorgesehenen Nachprüfungen auch tatsächlich bestätigen werden. (2)
Im Laufe dieses Gesprächs wurde Rabe auch mit seinen früheren Aussagen zu Sepia konfrontiert und als er sich begeistert über dieses Mittel äußerte, legte man ihm eine Arzneiprüfung hierzu Nahe. Mit Abschlussbericht. Was danach passierte beschreibt Donner so: Als anschließend H. Rabe mit mir das Krankenhaus verließ, überraschte er mich mit der Bemerkung, er müsse jetzt dringend sehen, wie er diese Überprüfungen sabotieren könne. Einen stichhaltigen Grund habe er zwar noch nicht gefunden, da alles so überaus korrekt und kollegial ihm gegenüber durchgeführt worden wäre. Hoffentlich falle ihm noch etwas ein, denn sonst müsse er zum Reichsgesundheitsführer Dr. Conti gehen und ihn dringend auffordern, die Überprüfungen der Homöopathie sofort abbrechen zu lassen, denn ‘wir können doch das gar nicht, was wir behaupten’ (wörtlich gesagt!!). Aber nach all dem, was er mit Conti, Rudolf Hess und Prof. Reiter in Sachen Homöopathie vorgebracht habe, könne er doch letzteres kaum tun. Er fuhr dann fort, daß es doch ‘heller Wahnsinn’ von den Beauftragten des RGA wäre, ‘das ernst zu nehmen, was wir, die wir doch nur kleine Praktiker sind, so sagen oder in unseren Zeitschriften veröffentlichen’ und sie einer wissenschaftlichen Überprüfung zu unterziehen wie etwa die Homöotherapie der perniziösen Anämie, des Diabetes, der Gonorrhoe usw. Und nun die Einrichtung einer Thyreotoxikosenabteilung zu planen, wäre doch ‘glatter Unsinn’, denn in Wirklichkeit können wir doch keine ausgesprochenen Thyreotoxikosen heilen. […] Auf meinen Hinweis, was er vor nur einer Stunde alles behauptet habe und wie sicher er ausführte, was nach Hochpotenzen alles so deutlich herauskomme, also Dinge, die doch in einem unüberbrückbaren Gegensatz zu dem stehen, was er jetzt sage, da meinte er: ‘Aber so stellen wir Homöopathen uns doch die Dinge vor!’ Den Beauftragten des RGA habe er immer die Homöopathie so vorgetragen, wie die homöopathischen Praktiker sich die Dinge vorstellen. Man konnte doch nicht ahnen, daß sie die Prüfungsquellen parat haben und somit vergleichen konnten, was tatsächlich gewesen ist und inwieweit die Realitäten von den Vorstellungen der Homöopathen divergieren. Er brach dann das Gespräch hierüber abrupt ab mit der Bemerkung, ich könne versichert sein, daß er eine ihm von den früheren Generationen eingebrockte Suppe habe auslöffeln müssen und diese Suppe sei für ihn sehr bitter gewesen! (2)
Nun, im September 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus und die Studien wurden abgebrochen. Dies kam den Homöopathen natürlich gelegen, hatten sie doch bereits um Einstellung der Tests nachgesucht.
Wiederholt bezeichnet Fritz Donner die Prüfungen des RGA als Fiasko für die Homöopathie und wenn man sich den Bericht aufmerksam durchliest, merkt man, dass es sogar noch schlimmer ist. Gut 90% der damals vorhandenen Arzneimittelbilder fußten auf persönlichen Befindlichkeiten und eingebildeten Symptomen. Von einem wissenschaftlichen Vorgehen war dies meilenweit entfernt.
Dr. Donner selbst sah nach seinen Erfahrungen die Homöopathie eher als larvierte Psychotherapie an, was er in einem Brief an Heinz Schoeler derart begründete: Früher behandelte ich Asthma nach der von Jousset angegebenen Thérapie du Fond, Eigentlich mit sehr guten Erfolgen, so dass mehr und mehr Asthmapatienten mir von Kollegen, die meine Vorlesungen besucht haben, zugewiesen wurden. Als ich eines Tages der Mutter einer jungen Asthmapatientin das Rezept überreichte, sagte sie: Dasselbe Mittel hat uns unsere Hausärztin auch verordnet, es hat gar nichts genützt. Da ich nicht wusste, was die Kollegin sonst schon gegeben hatte, wollte ich telephonisch näheres von ihr erfahren. Aber sie war verreist. Um die peinliche Situation zu überbrücken, gab ich ein Placebofläschchen ab mit dem Bemerken: Wenn sie auf das von mir verordnete Mittel schon nicht reagiert hat, dann muss man mal was Besonderes zu Anregung der Gesundheitsreaktion geben. Nach 3 Wochen kamen Mutter und Tochter überglücklich mit dem Bemerken, dass die seit Jahren bestehenden und fast täglich auftretenden Asthmaanfälle vollkommen aufgehört hätten (16 Jahre später erfuhr ich, dass der „Heilerfolg” seither angehalten hat). Die Mutter erwähnte, dass Frau Doktor doch recht gehabt hätte, die sie so dringend zu mir verwiesen habe, da ich „der einzige Arzt in Berlin, vielleicht sogar in Deutschland wäre, der Asthma heilen könne”!!!! Ich habe seither bis zu meiner Ausbombung den von jener Kollegin zu mir kommenden Patienten zuerst Placebo gegeben und – soweit mir bekannt geworden – auch „alle geheilt”. Also eine psychische Heilung, ausgelöst durch das dumme Geschwätz der psychisch nicht ganz vollwertigen Kollegin, durch das ich bei diesen Patienten in den Ruf gekommen war, dass meine Kunst viel Künste übersteigt…. (4)
Und weiter erzählt er: Nun, ein Danebengreifen beim Hervorholen eines Arzneifläschchen ist mir selbst in Stuttgart zweimal passiert, ausserdem auch in der eigenen Bibliothek so dass man dann, wenn man am Schreibtisch sass und das Buch aufschlug, feststellen musste, dass man das danebenstehende gegriffen hat. Immerhin war es doch auffallend, dass die Patientinnen auch mit dem falschen Mittel auf Dauer – wie sich später feststellen liess – geheilt wurden. (4)
Vielleicht wäre für die heutigen Vertreter der Homöopathie deswegen auch etwas mehr Demut angezeigt. Sie sollten doch den Ratschlag beherzigen, der das Schreiben von Fritz Donner an Heinz Schoeler abschließt: Ich glaube, es wäre doch vorteilhaft – sowohl für Sie persönlich wie auch für die Homöopathie– wenn Sie sich mehr von Ihren Illusionen befreien könnten. Es ist dies natürlich sehr schwer. Schliesslich habe ich, der ich doch sozusagen am ersten Tage meiner Tätigkeit am Stuttgarter Krankenhause erheblich „ernüchtert” wurde, doch lange, also etwa 20 Jahre – von 1927 bis 1940 – gebraucht, um mich von den meisten Illusionen zu befreien. Vivat sequens! (4)
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Literatur
(1) Seite „Fritz Donner“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 21. März 2017, 19:45 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Fritz_Donner&oldid=163816985 (Abgerufen am 20. Oktober 2018)
(2) Donner, Fritz: Bemerkungen zu der Überprüfung der Homöopathie durch das Reichsgesundheitsamt 1936 bis 1939. 1966, publiziert in: Perfusion 1995. Online
(3) Seite „Donner-Bericht zur Homöopathie“. In: Psiram. Bearbeitungsstand: 11. März 2018, 13:56 UTC. URL: https://www.psiram.com/de/index.php?title=Donner-Bericht_zur_Hom%C3%B6opathie&oldid=158074 (Abgerufen am 20. Oktober 2018)
(4) Brief Fritz Donner an Heinz Schoeler v. 7. November 1966. Original in: Homöopathie-Archiv des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung Stuttgart. Online
(5) Brief Fritz Donner an Erich Unseld v. 15. Oktober 1966. Original in: Homöopathie-Archiv des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung Stuttgart. Online
4 Gedanken zu “Das Waterloo der Homöopathie: der Donner-Report”
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