Okkultismus im Dritten Reich – Die Aktion Siderisches Pendel

Bei einem „siderischen Pendel“ handelt es sich um einen Anhänger aus Metall, Glas, Kristall, Holz oder anderen Materialien, der zumeist als Kegel, aber auch als Kugel, Ring, Stäbchen, Figur oder anderweitig gestaltet ist und an einer Schnur, einem Faden oder einer Kette hängt. Also das klassische Pendel, wie wir es aus den üblichen Darstellungen kennen.

Einige Menschen glauben nun, dass es gewisse Strahlungen auf der Welt gibt, die man physikalisch nicht nachweisen, aber auf einer esoterischen Ebene spüren und anzapfen kann. Diese esoterische Lehre nennt man „Radiästhesie“. Bei diesen Strahlungen handelt es sich angeblich entweder um eine so genannte „Lebensenergie“, also Chi, Prana, Mauri etc, um Auren, Wasseradern, elektromagnetische Felder oder sonstige „Kraftlinien“, die sich diese Menschen ausdenken.

Mit den siderischen Pendeln soll nun eine solche Kraft angezapft werden, um Fragen zu beantworten oder Gegenstände wiederzufinden. Natürlich ist das alles von vorne bis hinten ausgedacht und hat keinerlei wissenschaftliche Grundlage.

Nun habe ich ja bereits HIER darüber geschrieben, dass es innerhalb des NS-Regimes durchaus Personen oder Gruppen gab, die der Esoterik, dem Okkultismus und dem Spiritismus sehr zugetan waren. Dazu gehörten etwa Rudolf Hess, der auf alles Okkulte ansprang oder Heinrich Himmler mit seinem Schwarze Sonne-SS-Kult. Dass aber gerade das OKM, also das Oberkommando der Kriegsmarine sich auf solche Spökenkiekerei eingelassen hat, das hat mich dann doch sehr verwundert.

Es gab dort nämlich eine „Abteilung SP“. Die Wikipedia schreibt dazu: Die Abkürzung „SP“ stand für „siderisches Pendel“. Die Abteilung unterstand dem Oberkommando der Kriegsmarine (OKM). Bis heute ist unklar, wer die Abteilung wann aufgebaut hatte und welche Kreise innerhalb der Marine und des NS-Regimes davon wussten. Einschlägige Dokumente fehlen. Was sich nachweisen lässt ist, dass es sich um geheimdienstliche Aktionen handelte, die durch den Marinenachrichtendienst koordiniert wurden. Laut Berichten soll Admiral Otto Schniewind über die Pendelortungsversuche im Bilde gewesen sein. Der Fehlbestand an Akten liegt höchstwahrscheinlich an den Luftangriffen des November 1943 auf Berlin, während dieser auch Dienstgebäude des OKM getroffen wurden und vollständig ausbrannten.

Es existieren lediglich Augenzeugenberichte von Dr. Gerda Walther, einer Philosophin und Paraspychologin, die während der „Sonderaktion Hess“ kurzzeitig festgenommen und verhört wurde. Ein Jahr nach ihrer Freilassung wurde sie vom ehemaligen Vorsitzenden der „Deutschen Gesellschaft für wissenschaftlichen Okkultismus, Oberstleutnant Konrad Schuppe kontaktiert und zu einer Villa in der Heydtstrasse in Berlin bestellt, wo sie nach einem Herrn Roeder (Kapitän Hans A. Roeder) fragen sollte.

Ihre Erlebnisse dort beschrieb sie so: Ich begab mich also in die v. d. Heydtstrasse am Tiergarten, wo eine grössere Anzahl von früher meist Juden gehörenden Villen für Marinedienststellen beschlagnahmt worden war, was aber nach aussen in keiner Weise in Erscheinung trat. Unter der Erde waren sie durch ein gut ausgebautes System von Gängen und Treppen zu einem grossen, einheitlichen Komplex verbunden, in dem sich auch Kantinen befanden. – Ich nannte dem Portier den Zweck meines Kommens und wurde nach einer Telephonade mit dem Aufzug in ein höheres Stockwerk gebracht, wo mich eine Sekretärin empfing und zu „Herrn“ Roeder, einem grossen, etwas hageren Mann, glatt rasiert, mit scharf geschnittenen Zügen, brachte. Ich fand die Tarnung nicht gerade geschickt, denn an der Uniform konnte man ja seinen Rang erkennen, und als einige Damen mit Schriftstücken, die ihn während der Besprechung aufsuchten, ihn immer mit „Herr Kapitän“ anredeten, tat ich es auch, da ich dies ja nun motivieren konnte. Nach der Begrüssung und üblichen Verpflichtung zur Wahrung des Dienstgeheimnisses – mir von der ABP [Auslandsbriefprüfstelle der Wehrmacht] her schon vertraut – fragte auch er, ob ich pendeln könnte? Ich wiederholte, was ich schon Schuppe gesagt hatte, [dass das Pendel bei ihr sehr gut ausschlägt, sie sich doch noch nicht mit der Theorie des Pendelns beschäftigt hätte] doch schien es auch ihm zu genügen und er fragte, ob ich in eine Untersuchung meiner diesbezüglichen Fähigkeiten einwilligte, wozu ich durchaus bereit war.

Ich wurde nun von seiner Sekretärin, einem Fräulein Gerstmeier, durch einige Gänge und Türen zu einer Frau geführt, die mich anweisen und prüfen sollte. Auch sie war ein Pendelmedium, dessen Name mir entfallen ist. An den Türen waren meist Nummern, hier und da die Bezeichnung „SP“, es war, wie ich später erfuhr, die Abteilung „SP“ des OKM [Oberkommando der Marine]. Was „SP“ bedeutete, wurde mir nie erklärt, vermutlich „Siderisches Pendel“. Ich musste zunächst Photographien abpendeln; die Art des Ausschlages wurde von meiner Mitarbeiterin, später teilweise auch von mir selbst, notiert und offenbar mit den Resultaten anderer verglichen, wobei das Ergebnis augenscheinlich befriedigend war. Dann wurden mir Abbildungen von Gebäuden, die mir unbekannt sein mussten, übergeben, und ich sollte auf einem grossen Atlas durch Konzentration auf die Gebäude und die Landkarte zu ermitteln suchen, wo diese Gebäude sich befanden. Ich war recht skeptisch, tat aber, was ich konnte, und wieder schien man zu meiner Verwunderung befriedigt. Dann gab man mir Abbildungen von deutschen Schiffen, deren Position ich auf der Karte durch Pendeln feststellen sollte! Mir schien das unmöglich, höchstens für speziell hierauf trainierte Hellseher mit Erfolg durchführbar, aber ich pendelte darauflos. Ob meine Ergebnisse, wenn überhaupt Treffer, mehr als durch den Zufall bedingt richtig waren, kann ich nicht sagen. Nachdem ich schon über eine Woche täglich in dieser Abteilung „gearbeitet“ hatte, durfte ich auch an den „Dienstbesprechungen“ teilnehmen. Hier traf ich alte parapsychologische Freunde wieder, die — wie übrigens auch Kapitän Roeder selbst, von Beruf Patentanwalt — als Sachverständige mindestens zu den Besprechungen „abkommandiert“ worden waren, ob sie wollten oder nicht. So Schuppe, der noch vor knapp einem Jahr als Vorsitzender der DGWO etwa fünf Wochen lang mit gewöhnlichen Verbrechern eingesperrt worden war und durch Konfiskation einen Teil seiner Bücher eingebüsst hatte. Desgleichen der frühere Vorsitzende der DGWO, Patentanwalt Dr. F. Quade, eine der lautersten Persönlichkeiten des deutschen Okkultismus, inzwischen leider auch verstorben, wozu seine Haft unter besonders ungesunden Verhältnissen das Ihre beigetragen haben mag. Man hatte ihm fünf Waschkörbe voll Bücher konfisziert, darunter viele Werke über schwedische Volkskunde, die nicht das geringste mit Parapsychologie zu tun halten. Doch interessierte sich, wie seiner schwedischen Gattin auf ihren Protest hin erwidert wurde, ein bestimmter Gestapokommissar für dieses Gebiet, Grund genug zur Beschlagnahme! Es war eigentlich erstaunlich naiv, dass man trotzalledem offenbar annahm, wir würden mit Begeisterung nunmehr für die Abteilung SP arbeiten! Andere Mitglieder derselben, an die ich mich erinnere, waren der wirklich sehr gute österreichische Pendelfachmann Straniak; ferner ein drolliger Wünschelrutengänger mit einem Dackel, der ausgesprochen schwäbischen Dialekt sprach, aber in Afrika als Wassersucher auch bei den Engländern einen Namen haben sollte. Auch ein Astronom der Nürnberger Sternwarte, Dr. Hartmann, war hierher abkommandiert worden, hielt aber, wie er mir später gestand, – als ich in seine „Tattwa-Abteilung“ kam (in der durch das Pendel bestimmte günstige und ungünstige „kosmische Schwingungen“ der Yogaphilosophie festgestellt werden sollten) und meine antifaschistische Einstellung ihm gegenüber merken liess, — das Ganze für Unsinn und riet mir, möglichst schnell wieder von hier wegzukommen. Auch eine dorthin in die „Tattwa-Abteilung“ eingezogene Baronin Tucher gab mir diesen Rat.

In den Besprechungen wurden hauptsächlich technische Fragen erörtert, Material des Pendels, Länge und Material des Fadens, Fingerhaltung usw. Dort, wie auch aus persönlichen Gesprächen mit Kapitän Roeder, erfuhr ich nun auch den Zweck des Ganzen: es waren in auffallender Weise deutsche U-Boote von den Engländern versenkt worden. Man hatte „aus zuverlässiger Quelle“ (angeblich von französischer Seite, Näheres wurde mir nicht gesagt) erfahren, dass die Engländer in der Nähe Londons ein Institut errichtet hatten, in dem mit Hilfe des Pendels die Position deutscher Kriegsschiffe und von allem der U-Boote festgestellt wurden. Die Erfolge seien geradezu verblüffend und recht beunruhigend. Dem wollte man nun auf deutscher Seite möglichst schnell etwas Aehnliches entgegensetzen. Es schien mir fraglich, ob nicht vielleicht leicht eine neue technische Erfindung dahinter stecke. Immerhin, erklärte ich Kapitän Roeder, nachdem man in England die Parapsychologie seit Jahrzehnten ernst genommen und studiert, die Medien gefördert und ausgebildet hätte, sei das dort im Gegensalz zu Deutschland wohl möglich, bei uns sei schon vor dem Dritten Reich und erst recht in diesem alles versäumt worden, wir stünden nicht einmal in den ersten Anfängen einer Vorbereitung für solche Leistungen. Ich vertrat die Ansicht, dass die Schwingungen des Pendels durch das Unterbewusstsein verursacht und die englischen Versuche das Ergebnis eines speziell auf Lokalisierung von Schiffen trainierten Hellsehens seien. Kapitän Roeder war anderer Ansicht, es handle sich um einen rein physikalischen Vorgang, physische Strahlen, die von den Objekten ausgingen und das Pendel in Bewegung setzten. Wir müssten möglichst bald soweit kommen, dass jeder Matrose nach Absolvierung eines Pendelkurses imstande sei, feindliche Schiffe zu orten. Ich wandte ein: wenn die Sache rein physikalisch sei, müsste doch das gleiche Schiff bei verschiedener Fracht (Menschen, Munition, Proviant z. B.) verschiedene Ausstrahlungen entsenden und schon deshalb nicht, wenigstens nicht als identisch dasselbe, ortbar sein. Das leuchtete ihm ein, er wollte mich mit sehr gutem Gehalt für eine neu zu schaffende Abteilung anstellen, in der man dies anhand von verschieden zu beladenden Modellschiffchen nachprüfen wollte.

Das Problem wäre interessant und fesselnd gewesen. Aber die ganze Aufmachung des Instituls schien mir zu übereilt-unwissenschaftlich, den Zweck (Ortung und dann Vernichtung von Schiffen) empfand ich irgendwie als „schwarz magisch“; wie ich später erfuhr, war es der Gräfin Wassilko-Serecki in Wien, die man auch anstellen wollte, ähnlich ergangen. Hätte es sich, wie bei späteren belgischen Versuchen, um die Auffindung von Minen und damit den Schutz von Leben gehandelt — aber so?! Ich erbat Bedenkzeit in München und lehnte dann (offensichtlich zur Verwunderung und Enttäuschung des Kapitäns) ab, da unsere Auffassungen zu gegensätzlich seien und mir ja schliesslich die Gestapo jede derartige Betätigung untersagt hatte! Ich glaubte, freilich bei viel schlechterer Bezahlung, in der ABP nützlichere Arbeit leisten zu können, nützlicher in meinem Sinn. Die Abteilung „SP“ wurde dann mehrere Monate später aufgelöst, weil sie nicht die verlangten Ergebnisse gezeitigt hatte — wie zu erwarten war!

Ein weiterer Angehöriger der Abteilung Siderisches Pendel war der Astrologe Wilhelm Wulff, der am 28. Juli 1943 abkommandiert wurde, um mit seinen vermeintlichen Fähigkeiten bei der Ortung des italienischen „Duce“ Benito Mussolini zu helfen, der kurz zuvor von oppositionellen Faschisten und Monarchisten gestürzt und von der neuen Regierung an einem geheimen Ort festgesetzt worden war. Ob es Wulffs astrologischen Fähigkeiten oder der Arbeit des Sicherheitsdienstes geschuldet war, dass man Mussolini im Hotel Campo Imperatore in den Abruzzen entdeckte, kommt auf den Blickwinkel an.

Aber das ist eine andere Geschichte, die hier auch noch erzählt wird.

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