„… und hinter dem Nikolausbart steckt doch der Papa!“

Dieser Satz beendet auf eine plötzliche Art die Kindheit und bedeutet das Akzeptieren einer neuen Realität. Christkind, Osterhase und Weihnachtsmann sind von heute auf morgen Traumfiguren, die nur in der Erzählung der Eltern gelebt haben. Manchmal wird auch der leise Vorwurf erhoben, ihre Kinder „hinters Licht“ geführt zu haben – sie „belogen zu haben“ ist wohl ein zu deftiges Wort. Wenn bei manchen Kindern auch eine gewisse Entdeckerfreude in der Erkenntnis mitschwingt, so ist die Vertreibung aus dem „Fantasie-Land“ doch eine Enttäuschung, eine „Kränkung“.

Die Tatsache, auf den Boden der Wirklichkeit „geworfen“ zu werden, gilt auch für die Menschheitsgeschichte. Der große Psychoanalytiker Sigmund Freud (1856-1929) hat diesen Geschichtsereignissen den Titel „Drei große Kränkungen der Menschheit“ verpasst. Auch die Menschen wurden in ihrem Glauben mehrmals grundlegend erschüttert. So haben die Astronomen Kopernikus, Kepler und Galilei festgemacht, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt und damit die „astronomische Entwurzelung“ ausgerufen. Sigmund Freud schaffte mit seiner psychoanalytischen Theorie die „psychologische Entwurzelung“, indem er feststellte, dass der Mensch nicht „Herr in seinem Hause“ ist, sondern Triebe ihn beherrschen – ein Gegenpol zum „Vernunftwesen Mensch“, eine Annahme, die seit der Aufklärung vorherrschend war.

Weit bekannter ist der Satz „Der Mensch stammt vom Affen ab“. Charles Darwin (1809-1882) hat mit der Evolutionstheorie eine neue Dimension der Entstehung des Lebens auf Erden aufgezeigt und mit dieser bahnbrechenden Erkenntnis den „Schöpfungsgedanken“ ins Wanken gebracht. Seit Bekanntwerden dieser unumstößlichen Tatsache ist ein heißer Kampf zwischen Ideologen und Naturwissenschaftlern um die dritte Kränkung „Biologische Entwurzelung“ entbrannt.

Was ist Evolution? Martin Lödl, ein Biologe, legte in einem Sonderseminar im Rahmen von „Grenzen des Wissens“ „Die Grundprinzipen der Evolution“ dar. Lödl stellt dabei vier Fragen an das Thema: 1. Wie funktioniert die Natur wirklich? 2. Wie entstand das Leben? 3. Was ist Bewusstsein? Und 4. Wohin geht die Reise?

Die Entstehung des Lebens stellt eine faszinierende Reihe von tödlichen Katastrophen dar: Auftreten von Sauerstoff lässt das Leben erlöschen, die Erde wird ein „Schneeball“ mit dem Erfolg, dass die Entstehung von neuem beginnt, „ein unvorstellbares Bemühen“, um Materie das Leben „einzuhauchen“ – ein Prozess, der die menschlichen „Vorstellungen von Zeit und Raum sprengt.

Wer überlebt? Nicht der „Stärkste“, sondern der, der „gerade gut genug angepasst“ ist. Der Zufall spielt die entscheidende Rolle: Es überlebt der, der lauter nach Nahrung schreit, …, der im richtigen Moment mit dem Strom schwimmt, …, der sich aufbläht, …, der sich im richtigen Moment in Sicherheit bringt, …, der einfach nur Glück hat. Oft stirbt der, der einfach nur Pech hat.

Besitzt das Leben dann einen Sinn? Auch wenn der Wunsch groß ist, die Evolution gibt darauf keine Antwort. Die Evolution kennt aber die beiden Triebfedern Lust und Leid. Lust als positive Gefühlstönung dient der Motivationsverstärkung im Dienste vitaler Interessen. Leid ist eine negative Gefühlstönung als korrigierendes Minimalkonzept zur Vermeidung schädlicher Situationen, um ein Abweichen vom Komfortspektrum anzuzeigen.

Ein Gedanke zum Schluss: Wie steht es um den Schöpfungsgedanken: „Gott kann nichts dafür, dass es nicht besser gegangen ist“. Aber: „Er hätte es dann gar nicht machen dürfen, wenn so viel Mist dabei herauskommt“.

3 Gedanken zu “„… und hinter dem Nikolausbart steckt doch der Papa!“

  1. Kleine Korrektur:Sigmund Freud – Verstorben: 23. September 1939, Hampstead, London, Vereinigtes Königreich

  2. „Der Zufall spielt die entscheidende Rolle“ – wirklich? Mal sehen …

    Es wöre allerdings genauso problematisch, zu sagen, die Ergebnisse der Evolution wären determiniert. So ist es natürlich auch nicht, obwohl die Anhänger des Kreationismus oder des „intelligent design“ letztlich genau darauf hinauswollen.

    Und wie ist das nun mit dem „Zufall“? Der nachfolgende Satz oben im Text gibt eigentlich gleich die Antwort. Die Evolution schreitet durch die jeweils bestmögliche Anpassung an die jeiweils geltenden Umgebungsbedingungen fort. Das aber ist kein jedenfalls makroskopisch betrachtet kein „Zufall“, sondern eine auf Kriterien beruhende Kausalfolge.

    Immerhin speist sich ja die Reaktanz der Evolutionsleugner, die von ihnen tief empfundene „biologische Krankung“ genau daraus, dass sie selbst ein „zufälliges“ Produkt eines (scheinbar) stumpf ablaufenden Prozesses sein sollen.

    Und was sagen nun die Evolutionsbiologen? Gibts etwas zwischen Zufall und Determinismus? Naja … es ist wie immer ewas komplizierter. Die Fachleute sprechen von „Kontingenz“ – was ungefähr bedeutet, dass durch in der Tat zufällige Gen-Mutationen Eigenschaften des Lebens entstanden, die dann der in gewisser Weise kausal der Selektion des „Survival of the fittest“ unerliegen. Und eine zusätzliche Überlegung: Würde die ganze Leier noch mal von vorn beginnen, ist nicht zu erwarten, dass sich die Evolution des Lebens genauso wiederholen würde. Was natürlich auch für so etwas wie „Zufall“ in einem sehr weiten Rahmen spricht. Gleichzeitig hat damit das Lebn eine „Geschichte“, auf der natürlich auch die weitere Entwicklung – in gewisser Weise also wieder deterministisch – fußt. Was aber andererseits nicht bedeutet, dass die Wege der Evolution vorhersagbar wären …

    Etwas kompliziert, wie gesagt.

    1. Da kommt natürlich das von mir erfundene (nicht ernst gemeinte) ,,Very Intelligent Design“ zum Tragen:

      Gott hat die Welt und das Leben erschaffen, wie es jetzt ist, lässt es aber exakt so ablaufen, als hätte es sich auch zufällig entwickeln können. 😉

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