Die Orthomolekulare Medizin oder: Blödsinn mit Vitaminen

Kennense Vitamine? Jaja, die kleinen Dingerchen, die das Gemüse und das Obst so gesund machen. Sieht man nicht, schmeckt man nicht, hilft aber trotzdem. Ich hätte nie gedacht, dass man mit Vitaminen Blödsinn anstellen kann, aber da habe ich die Rechnung ohne meine lieben Mitmenschen gemacht. Die schaffen es nämlich sogar mit Vitaminen Blödsinn anzustellen. Das Ganze nennt sich dann „Orthomolekulare Medizin“. Hochtrabend gell? Muss ja mordsmäßig wissenschaftlich sein. Pfeifendeckel, ein Blödsinn ist’s.

Aber von Anfang an. Die Orthomolekulare Medizin geht davon aus, dass Krankheiten durch ein biochemisches Ungleichgewicht im Körper entstehen und dieses ausgeglichen werden muss. Na? Schnackelts? Hammer doch schon mal gehört, newa? Genauuuuu… Der gute Onkel Schüßler hatte schon die gleiche Idee, nur der wollte dieses Ungleichgewicht mit seinem Salz-Gedöns beheben, die Orthomolekularisten* dagegen setzen hier hoch dosierte Vitamine, Mineralstoffe sowie essentielle Fett- und Aminosäuren ein. Angeboten werden diese Präparate in Form von Nahrungsergänzungsmitteln. Neu ist hier allerdings, dass von Seiten der Orthomolekularen Medizin von einer weltweiten Mangelversorgung der Bevölkerung ausgegangen wird.

Normalerweise nimmt man das ganze notwendige Gedöns ja über die Nahrung auf, aber die Orthomolekularisten bestreiten aber, dass unsere heutigen Lebensmittel das noch könnten. Als Gründe hierfür werden genetische Veränderungen, Behandlung mit Pestiziden, lange Transportwege und ähnliches genannt.

Helfen soll die orthomolekulare Medizin übrigens gegen so ziemlich alles: Multiple Sklerose, Diabetes, Osteoporose, Rheuma, grippale Infekte, Fußpilz und Schweißfüße und gegen eine ganze Latte mehr. Außerdem soll es noch vor der Erkrankung mit Krebs schützen.

So, liebe Kindlein, was predigt euch der Onkel immer wieder? Genau: wenn eine „Therapieform“ gegen alle möglichen Krankheiten, die vollkommen verschiedene Grundprobleme haben, helfen soll, dann ist das ein ziemlich sicherer Indikator für Bullshit und was soll ich euch sagen? Auch hier ist es wieder so.

Diese Behauptungen konnten nämlich bisher nicht wissenschaftlich bestätigt werden. So kommt die umfassende Studie der renommierten American Medical Society zur Schlussfolgerung, dass die Annahme einer weitverbreiteten Mangelversorgung der Bevölkerung mit Vitaminen und Mineralstoffen unzutreffend ist, dass die Annahme, viele Krankheiten seien auf ungesunde Ernährung zurückzuführen, falsch ist und dass die Annahme, dass viele Krankheiten durch Supplementierung geheilt werden könnten, irrig ist. (1)

Ich könnte jetzt hier auf die verschiedenen Studien, die es zu dieser Art von Nahrungsergänzungsmitteln gibt eingehen, aber ich möchte es kurz machen: alle Studien, die bisher zu diesem Thema angefertigt wurden, konnten keine Wirksamkeit der orthomolekularen Medizin nachweisen. Und es gab eine Menge Studien, zu Vitamin A, B12, C, E und zu watt weiß ich nicht noch alles.

Im Gegenteil, die starke Überdosierung kann sogar zu gesundheitlichen Schäden führen. Etliche Studien belegen, dass eine längerfristige hochdosierte Gabe von Vitaminen, wie sie in der orthomolekularen Medizin praktiziert wird, zu ernsthaften Gesundheitsschäden führen und die durchschnittliche Lebenserwartung verkürzen kann. (1)

Nett nicht? Vitamin C hilft noch nicht einmal zur Vorbeugung gegen Erkältung und dann soll es hier helfen. Jaja, da braucht ihr nicht so erstaunt zu schauen! Vitamin C hilft nicht zur Prävention gegen Erkältungskrankheiten. Könnt ihr hier: bei den Kollegen von Medizin transparent nachlesen oder hier bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.

Aber zurück zum Thema. Fassen wir zusammen, das Konzept der Orthomolekularen Medizin fußt auf falschen Annahmen, konnte seine Wirksamkeit bisher nicht nachweisen und dazu kommt noch, dass sie zu Gesundheitsschäden führen kann. Toll, nicht? Deswegen gelten bis auf ganz wenige Ausnahmen diese Präparate auch nur als Nahrungsergänzungsmittel angeboten.

Warum kann sich die Orthomolekulare Medizin nun so lange halten? Das liegt unter anderem an einem großen Verfechter dieser These und das war Linus Pauling, zweifacher Nobelpreisträger. Einmal für Chemie und einmal für Frieden. Und dieser Herr Pauling sang ab 1966 das hohe Lied der Orthomolekularen Medizin, nachdem er die Schriften des Biochemikers Irwin Stone kennengelernt hatte.

Aufgrund des damals noch hohen wissenschaftlichen Ansehens Paulings initiierte man nach der Publikation seines ersten Buches verschiedene Studien, um die Wirksamkeit einer Vitamin-C-Gabe bei Erkältungen zu untersuchen. In keiner dieser Studien konnte ein Zusammenhang zwischen der Vitamin-C-Einnahme und dem Auftreten bzw. Verschwinden von Erkältungssymptomen gesichert werden. Paulings These überstand den Kontakt mit der klinischen Realität nicht. (1)

Aus der Orthomolekularen Medizin hat sich dann noch die Orthomolekulare Psychiatrie entwickelt, aber die ist so abstrus, dass sie sich einen eigenen Artikel verdient hat, der in Kürze hier folgt.

Abschließend kann man sagen, dass ein Konzept, das seine Wirksamkeit nicht belegen, aber dafür seine Anwender massiv schädigen kann und dann noch arg ins Geld geht, auf den Müllhaufen der Quacksalberei gehört.

 

 

*Eigene Wortschöpfung

(1) https://www.psiram.com/de/index.php?title=Orthomolekulare_Medizin&printable=yes