Die Orthomolekulare Psychiatrie oder: noch größerer Blödsinn mit Vitaminen

Im letzten Artikel haben wir uns ja mit der Orthomolekularen Medizin beschäftigt und festgestellt, dass es sich hierbei um Schwurbelei ersten Grades handelt. Nun kommen wir zur „Orthomolekularen Psychiatrie“. Wie man dem Namen entnehmen kann, handelt es sich hierbei um eine Variante der Orthomolekularen Medizin. Auch hier beruhen die „Behandlungen“ auf hohen Gaben von Vitaminen. Nur sollen sie in diesem Fall eben psychiatrische Erkrankungen heilen.

Ausgeknobelt haben sich diese „Therapie“ gelten zwei kanadische Ärzte, nämlich Abram Hoffer und Humphrey Osmond. Sie begannen damit schizophrenen Patienten bis zu 17 Gramm Vitamin B3 (Niacin) zu verabreichen. Das Ganze lief unter dem Namen „Mega-Vitamintherapie“. Osmond und Hoffer entwickelten in den 1950er Jahren eine Theorie, nach der schizophrene Menschen im Körper eine von Adrenalin abgeleitete Substanz bildeten, die halluzinogen wirken sollte. Die Theorie wurde bekannt als die Hoffer-Osmond Adrenochrome Hypothesis. Auf beide kanadischen Ärzte geht auch ein Schizophrenie-Test zurück, der Hoffer-Osmond Test. (1)

Der us-amerikanische Psychiater Carl C. Pfeiffer war ein weiterer Verfechter der Orthomolekularen Psychiatrie und bastelte sich ein System von „Biotypen der Schizophrenie“ zurecht. Es gab

  • Histapenie (niedriger Histaminspiegel und ein Überschuss von Kupfer im Blut)
  • Histadelie (hoher Histaminspiegel mit einem Kupfermangel im Blut)
  • Pyrrolurie (ein familiärer Zweichfachmangel an Zink und Vitamin B6)
  • Zerebrale Allergie (einschließlich Weizenglutenallergie)
  • Hypoglykämie durch Fehlernährung (1)

Praktischer Weise hat sich die Orthomolekulare Psychiatrie auch gleich ihre eigene Krankheit gebastelt, nämlich die Hämopyrrollaktamurie. Schönes Wort, gell? Hämopyrrollaktamurie. Muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Aber keine Panik, außer den Anhängern der Orthomolekularen Medizin glaubt niemand, dass es diese Krankheit überhaupt gibt, dabei sollen etwa 10% der Weltbevölkerung davon betroffen sein. Laut Propagandisten dieser Pseudokrankheit solle die gemeinte Hämopyrrollaktamurie mit zahlreichen Symptomen wie Psychosen, Depressionen, ADHS, Autismus, Bluthochdruck, Zuckerkrankheit, Übergewicht, Blutarmut, Epilepsie, Down Syndrom ursächlich in einem Zusammenhang stehen. Krankheitsauslösend seien bestimmte Komplexe, die sich aus Pyrrol mit Pyridoxalphosphat (Vitamin B6) und Zink ergeben würden. Nach dieser Vorstellung zeige Pyrrol im Urin nicht nur eine Erkrankung des Hämoglobin-Stoffwechsels an, sondern sei auch ein Hinweis für einen hypothetischen Zink- und Pyridoxal-Verlust der Betroffenen. Weder für die chemische Identität dieses Komplexes noch für eine Assoziation mit Erkrankungen wurden seither wissenschaftlich fundierte Belege präsentiert. (1)

Wie ist nun die Rezeption der Orthomolekularen Psychiatrie in der Fachwelt? Mit einem Wort: verheerend. Die American Psychiatric Association lehnte diese „Therapie“ bereits 1973 vollständig ab und auch eine große Serie von Placebo-kontrollierten Studien zeigte keinerlei Wirkung der getesteten Vitamine auf die Schizophreniesymptome. (1) Mehrere Fachverbände weltweit haben sich daher nach Durchsicht der Forschungsergebnisse eindeutig gegen die orthomolekulare Psychiatrie ausgesprochen. Sie ist nicht Bestandteil der modernen evidenzbasierten Medizin. (2)

In einer doppelblind-randomisiert angelegten Studie wurde 1999 gezeigt, dass eine Megavitamintherapie basierend auf individuellen Serumvitaminspiegeln gemeinsam mit diätetischer Beachtung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten bei Schizophrenie keine Behandlungsvorteile gegenüber der alleinigen Gabe von 25 mg Vitamin C erbrachte. Zuvor war die Behandlung mit Megavitaminen bereits bei kindlichen Aufmerksamkeitsstörungen als unwirksam festgestellt worden, von einer Einnahme wurde auch aufgrund auffälliger Hepatotoxizität abgeraten. Einzig für Omega-3-Fettsäuren wurden wiederholt signifikante Effekte bei psychischen Störungen nachgewiesen. Auch Stoffers-Winterling und Lieb weisen aktuell auf eine vergleichbar breite Datenbasis für einen Einsatz bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen hin. (3)

Somit können wir konstatieren: genau wie die Orthomolekulare Medizin gehört auch die Orthomolekulare Psychiatrie auf den Misthaufen der Pseudotherapien.

 

(1) https://www.psiram.com/de/index.php?title=Orthomolekulare_Psychiatrie&printable=yes

(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Orthomolekulare_Psychiatrie

(3) Meißner, Andreas: Studienlage mangelhaft, irreführend – wenn nicht sogar gefährlich. – In: NeuroTransmitter, 2016; 27(3), S. 16-17.