Sprechen wir über Leipzig

Nein, heute können wir uns nicht über so angenehme Dinge wie die Buchmesse, Leipziger Allerlei oder den Striezelmarkt*. Heute müssen wir über menschliche Abgründe sprechen.

Am Samstag, den 7. November 2020 fand in Leipzig eine „Querdenken“-Demo statt, die vollkommen aus dem Ruder gelaufen ist. Gut 20.000 Querdödel (ja, sie selber sprechen in ihren Telegram-Gruppen von 40 – 60.000 Teilnehmern. Wahrscheinlich nach der dritten Flasche Korn.) besetzten die Innenstadt und überrannten eine vollkommen hilflose und desorganisierte Polizei.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich gar nicht soviel fressen kann, wie ich kotzen möchte, wenn ich diese Versammlung von dissozialen Arschlöchern sehe, die hier ihre eigene Unfähigkeit zum Leben in der Gemeinschaft feiern.

Es grenzt schon an eine Verhöhnung von uns allen, wenn diese Menschen öffentlich und lautstark behaupten, ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung sei eingeschränkt. In einer öffentlichen Versammlung. Mit gut 20.000 Teilnehmern. Genau mein Humor. Aber ich weiß schon, was diese Herrschaften wollen. Sie wollen nämlich nicht nur ihre Meinung frei äußern, sondern auch, dass ihre Meinung unwidersprochen bleibt. In dem Umfang, wie sie für sich Meinungsfreiheit fordern, wollen sie diese bei Andersdenkenden einschränken. Falls ihr es schon immer mal wissen wolltet: so geht Faschismus.

Dieser Pöbel (ja, ihr könnt euch jetzt über meine Wortwahl aufregen, aber ich habe echt keine Lust mehr, diese Menschen mit Samthandschuhen anzufassen), der seine eigene charakterliche Deformation in den Straßen Leipzigs zelebriert hat, stellt nun seine eigene Unfähigkeit dazu, kurzfristig einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen über das Recht ihrer Mitmenschen auf körperliche Unversehrtheit.

Denn es ist eben keine individuelle Entscheidung, sich nicht den Coronaschutzmaßnahmen zu beugen. Es ist eine Entscheidung, die auch alle Kontakte – und seien sie noch so flüchtig – betrifft. Wenn der Querdödel Heiko nun von seiner eigenen Dummheit berauscht durch die Welt stolziert und als Seuchen-Mutterschiff seine Corona-Viren anderen Menschen ins Gesicht bläst, so ist das keine individuelle Entscheidung, sondern eine bewusste Gefährdung. Heiko pfeift hier auf das Wohl seiner Mitmenschen und zeigt, wieder einmal auf, wie weit der Individualisierungsprozess in der neoliberalen Lebenswelt fortgeschritten ist, so dass das einzelne schwache Subjekt mental immer weniger in der Lage ist, Zusammenhänge im Sinne des Allgemeinwohls auch in zeitlicher Hinsicht zu verstehen.

Heiko sollte sich für seinen brutalen Egoismus in Grund und Boden schämen und seine Eltern noch dazu, dass sie in der Erziehung so versagt haben.

Und es waren 20.000 Heikos, die da in Leipzig feierten. 20.000 potentielle Seuchen-Mutterschiffe, die die Pandemie in ihrer verbohrten Arroganz weitertragen. Wenn ich sehe, wie dieser Mob Polonäse tanzend durch Leipzig zog und ich auf der anderen Seite überarbeitete und überlastete Pflegekräfte sehe, die in den Kliniken um das Leben von Corona-Patienten kämpfen, dann bin ich nahe dran, die Hoffnung für diese Menschheit zu verlieren. All jene Heikos sollten sich schämen. Schämen für ihr libertäres, wohlstandsverwahrlostes Verhalten.

Mindestens genauso beängstigend ist die große Überlappung mit rechtsextremen Gruppierungen. Wenn ich sehe, dass aus dem tiefen Westen der Republik extra gewaltbereite Nazi-Hooligans anreisen, um hier „ihren Spaß“ zu haben, wenn ich höre, wie NPD und AfD hofiert werden, wenn ich sehe, wie unverbrämt offen die nationalsozialistische Symbolik gezeigt wird, dann bekomme ich Himmelangst.

Und wenn jetzt wieder jemand mit Appeasement kommt, dem sage ich ganz deutliche: wer mit Nazis marschiert, Nazis applaudiert, der ist selbst ein Nazi. Um es deutlich zu sagen: Jeder Teilnehmer der Demo am 7. November 2020 ist ein Steigbügelhalter des Neonazismus und des Antisemitismus!

Und besonders vor dem Hintergrund der offenen Zurschaustellung der braunen Ideologie ist das Versagen der sächsischen Polizei umso schlimmer und bedenklicher. Und ja, die sächsische Polizei hat am 7. November klar versagt. Wie kann man einem solchen Mob, der offen Gesetze bricht, so lange ungestraft gewähren lassen? Und selbst als die Versammlungsbehörde die Demonstration aufgehoben hatte, ging man so zaghaft gegen die Demonstranten vor, wie Tante Notburga beim Frühlingsblumenpflücken.

Komisch war allerdings, dass die gleiche Polizei bei den Gegendemonstranten und den Pressevertretern durchaus „ruppig“ auftreten konnte. Und man konnte auch schnell genug wegschauen, wenn Journalisten von den Querdödeln verdroschen wurden. Im Gegenteil, dann wurden noch die Reporter verhaftet. Denk ich an Sachsen in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht.

Mir tun nur die vielen anständigen Leipziger*innen bzw. Sächsinnen und Sachsen leid, die mit dem ganzen Zirkus nicht einverstanden sind.

Es wundert dann auch nicht, wenn die Querdödel in ihren Telegram-Gruppen dieses beispiellose Versagen als großen Sieg feiern und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung schon am Boden sehen. Das darf nicht sein.

Im Moment ist es so, dass sich unsere Gesellschaft von einem Häuflein Dödel*innen (und ja, wir müssen uns vor Augen halten, dass es nur ein Häuflein ist) wie ein Ochse am Nasenring durch den Stall führen lässt. Und das, das muss aufhören!

*Ja, natürlich weiß ich, dass der Striezelmarkt in Dresden ist. Ich wollte nur mal sehen, ob ihr a) aufmerksam mitlest und b) brav bis hier unten lest.  

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