Grundlagen der Theosophie: Isis entschleiert

Die Theosophie gründet sich auf zwei grundlegende Schriften von Helena Petrovna Blavatsky. Dies ist einmal „Isis entschleiert“ und „Die Geheimlehre“. Heute wollen wir uns das erste Grundlagenwerk einmal genauer anschauen.

Der gesamte Titel lautet „Isis Unveiled – A Master Key tot he Mysteries of Ancient and Modern Science and Theology“ und in der deutschen Übersetzung: „Isis entschleiert: ein Meisterschlüssel zu den Mysterien der alten sowie modernen Wissenschaft und Theologie“. Es erschien erstmals am 29. September 1877 im Verlag J.W. Bouton in New York. Mitarbeiter waren Henry Steel Olcott und Alexander Wilder, zwei weitere Mitglieder des inneren Zirkels der zwei Jahre zuvor gegründeten Theosophischen Gesellschaft.

Das Werk umfasst zwei Bände mit etwa 1.250 Seiten und wurde bisher in verschiedenen Auflagen mehr als 500.000-mal verkauft, wobei die erste Auflage von 1.000 Exemplaren innerhalb von zehn Tagen ausverkauft war.

Band 1 trägt den Titel „The ‚Infallibility‘ of Modern Science“, in der deutschen Übersetzung „Die ‚Unfehlbarkeit‘ der modernen Wissenschaft“. Die Anführungszeichen im Titel geben die Marschrichtung des Werkes bereits vor. Es setzt sich kritisch mit den zeitgenössischen Werken der Naturwissenschaft auseinander und lässt kein gutes Haar an ihnen. Ganz besonders hat sie es auf Charles Darwin abgesehen, der mit seiner Evolutionstheorie im krassen Widerspruch zu den theosophischen Überzeugungen steht. Hier war der Mensch nämlich das erste Geschöpf, das auf der Welt lebte und die Natur um ihn herum wurde nach seinen Bedürfnissen gestaltet. Blavatsky kritisiert die Arbeit der Naturwissenschaftler als zu materialistisch, der spirituelle Aspekt sei zu wenig berücksichtigt.

Blavatsky beschäftigt sich aber auch mit Parawissenschaften wie dem Mesmerismus, der Kabbala oder dem Spiritismus. Hierbei wird auf Biegen und Brechen versucht. Naturwissenschaft und Esoterik zusammenzuschweißen. Das verbindende Element sei das URALTE WISSEN™, das über Atlantis durch ein weltumspannendes Tunnelsystem nach Indien und von Indien nach Ägypten gelangt sei. Warum die Atlanter nicht gleich nach Ägypten gewandert sind, erschließt sich mir jetzt allerdings nicht. Ist immerhin ein ganzes Stück näher dran, aber gut, dem Volkssportgedanken soll man nicht im Wege stehen.

Band 2 trägt den Titel „Theology“, also „Theologie“ in der deutschen Übersetzung, was jetzt niemand groß erstaunen dürfte. In diesem zweiten Band nimmt sie sich die katholische Kirche und die Juden vor. Beide Gruppen sind Ziele von übelsten polemischen, ja man kann sagen, von Hass-Attacken. Frau Blavatsky scheint außerdem eine große „Freundin“ der Jesuiten gewesen zu sein, denn die haben ein eigenes Kapitel bekommen, in denen die Autorin so richtig schön vom Zeug ledert. Der Kritikpunkt, den Frau Blavatsky anbringt ist der, dass die Katholiken die christliche Lehre pervertiert und umgekehrt hätten. Nicht der Papst oder die Theologen, nein, nur sie selbst könne die „reine Lehre Jesu“ verstehen und interpretieren. So amüsant diese Tiraden am Anfang auch sein mögen, sie verlieren schnell an Biss und vor allem verlieren sie sich schnell in Wiederholungen. Und vor allem verlieren sie sich schnell in Wiederholungen. Wiederholungen. Wieder…

Die Semiten gehören laut Frau Blavatsky zwar zu den arischen Völkern, aber sie sind die „am wenigsten spirituelle Rasse“ der Arier. Sämtliche ihrer kulturellen Errungenschaften hätten sie von den anderen arischen Rassen übernommen. Insbesondere sei ihre Sprache nicht dazu in der Lage, höhere moralische oder intellektuelle Ideen zu formulieren, rechnet sie aber noch zu den Völkern, die ihnen übergebene Kulturen bewahren. Damit befindet sie sich im antisemitischen „Mainstream“ ihrer Zeit und liefert vielen anderen antisemitischen Gruppen ein intellektuelles Fundament. Die Einteilung von Kultur schaffenden, Kultur bewahrenden und Kultur zerstörenden Völkern finden wir bspw. in Adolf Hitlers „Mein Kampf“ wieder.

Sie postuliert, dass sich von allen Religionen der Hinduismus und der Mahayana-Buddhismus am reinsten erhalten hätten, weil diese sich schon geografisch vorteilhaft in der Nähe des Himalaya entwickelt hätten, wo sie den Ursprung der wahren Lehre verortet, die ein geheimes Wissen aller Völker enthalte. Den heiligen Schriften des arischen Indiens, speziell der Veden und Puranas, maß sie deshalb eine fundamentale Bedeutung für ihre eigene im Entstehen begriffene synkretistische Religion des Neuen Zeitalters bei.

Blavatsky hat bei der Entstehung von „Isis entschleiert“ den „Guttenberg gemacht“, wie man so schön sagt. Sie hat abgeschrieben und keine Quellen angegeben. Natürlich wurde dies heftig bestritten, so erklärte ihr Mitarbeiter Olcott, dass Blavatsky den Inhalt aus dem „Astrallicht“ übermittelt bekommen hätte. Im heutigen Eso-Sprech hieße das übrigens „gechannelt“.

Mit dieser Behauptung kamen Blavatsky und Olcott so lange durch, William Emmete Coleman auf den Plan trat. Coleman war Orientalist und Okkultismus-Forscher und hatte sich über drei Jahre lang mit den Hauptwerken der Blavatsky auseinandergesetzt und alleine in „Isis entschleiert“ über 2.000 Referenzstellen aus mehr als 100 anderen okkultistischen Büchern gefunden.

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