Die Sache mit den Ariern – oder: wie man eine Superrasse konstruiert

Einführung

Also mir tun die Arier schon ein bisschen Leid. Ähnlich wie die Germanen oder Kelten, dienten die Arier als Projektionsfläche für so ziemlich jeden historischen Unsinn der letzten gut 200 Jahre und mussten so einiges aushalten.

Über den Ursprung der Arier ist sich die Forschung nicht einig. Ob es sich um eine tatsächliche Ethnie, die sich selbst den Namen „Arier“ gegeben hat handelte oder um verschiedene Völker, die einen kulturell-sprachlichen Verbund bildeten, wird sich wahrscheinlich auch nicht mehr restlos klären lassen. Zwischen 2000 v.Chr. und 1500 v.Chr. drang ein Teil der Arier in das Gebiet des heutigen Iran vor, während ein anderer Teil das nordwestliche Indien besiedelte.

Ab dem 5. Vorchristlichen Jahrhundert wird Volk und Begriff Arier eher fassbar, so bezeichnet sich der achämenidische König Dareios I. als „Perser, Sohn eines Persers, ein Arier, welcher eine arische Abstammung hat.“ Gleichzeitig nannte er die persische Keilschrift „arisch“. Jedenfalls dürften sich die eingewanderten arischen Gruppen zu dieser Zeit sowohl in Persien als auch in Indien in der bereits angesiedelten Bevölkerung aufgegangen sein.

An den Ariern war also nichts besonders Mystisch-mythisches. Es waren keine Übermenschen, sondern halt nur ganz normale Leute ihrer Zeit und ihrer Region. Da wird’s nette Leut‘ gegeben haben, blöde Leut‘, g’scheite Leut‘, dumme Leut‘, Harold Leut‘ und Hapag Leut‘. (Die letzten natürlich nicht, ich wollte nur sehen, ob ihr aufpasst.)

In Europa wurde der Begriff des Ariers erst im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, als Abraham Hyacinthe Anquetil-Duperron das Zend-Avesta, die Sammlung der heiligen Bücher der zoroastrischen Religion ins Französische übersetzte. Im Deutschen finden wir den Begriff erstmals in den religionshistorischen Schriften von Johann Gottlieb Rhode. Friedrich Schlegel dehnt den Begriff „Arier“ 1819 auf die alten Inder, die Griechen und die Germanen aus und der norwegische Indologe Christian Lassen wendet den Begriff „arisch“ als erster speziell für die „Indoeuropäer“ an. Eine Ausdehnung, die hauptsächlich auf Lesefehler und Übersetzungsirrtümer zurückgeht. Die Begriffe „indogermanisch“, „indoeuropäisch“ und „arisch“ werden zu dieser Zeit gleichwertig in der Sprach- und Kulturforschung benutzt.

Der Begriff „Indogermanen“ sorgte und sorgt ja gelegentlich für Irritationen. Wie auch der Begriff „Arier“ bzw. „arisch“ stammt „Indogermanen“ aus der Linguistik. Die Wikipedia fasst die Definition prägnant zusammen: Als Indogermanen oder Indoeuropäer werden nach linguistischem Verständnis die Sprecher der heutzutage rekonstruierbaren indogermanischen Ursprache bezeichnet – es handelt sich also nicht um „Germanen“, die Bezeichnung ist vielmehr ein Klammerbegriff, gebildet aus den Namen der beiden zur Zeit der Entdeckung am weitesten auseinander wohnenden bekannten Sprechergruppen.

Joseph Arthur de Gobineau

Bis 1853 wird der Begriff „Arier“ bzw. „arisch“ auch nur im Kontext der Sprach-, Religions- und Kulturwissenschaft benutzt. Erst durch Joseph Arthur de Gobineau wurden die Begriffe in andere Fächer wie beispielsweise die Anthropologie, die Vorgeschichte oder die „Rassenkunde“ eingeführt.

Gobineau war ein französischer Diplomat, der sich auch als Schriftsteller und Rassenideologe betätigte. Sein Standardwerk hierzu ist das aus vier Bänden bestehende Werk „Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen“ oder im Original „Essai sur l’inégalité des races humaines“. Hierin spricht er erstmals von einer „arischen Herrenrasse“ und legte so den Grundstein zu der im Laufe der Zeit erweiterten und veränderten Rassentheorie, die 90 Jahre später Millionen Menschen das Leben kosten sollte.

Dieses Werk ist durchzogen von dem pessimistischen Weltbild Gobineaus, das aus seinem Lebensweg entstand, fühlte er sich doch oft von der Welt betrogen. Auch litt er unter stark schmerzhaften Nervenleiden, die ihn jahrelang zusetzten.

Gobineau führt zu Anfang seines Essays aus, dass der wahre Grund zu Zerfall und Untergang von Reichen bzw. Staaten nicht etwa wie viele seiner Zeitgenossen schrieben Verweichlichung, Dekadenz und Sittenlosigkeit seien, sondern wenn eine Mischung der Rassen erfolge und diese dann aus „degenerierten“ oder „entarteten“ Mischlingen bestünde. Dies begründet er eben aus der Tatsache heraus, dass die – seiner Meinung nach – drei existierenden großen Menschenrassen nicht gleichwertig seien, sondern auf Grund von physiologischen Unterschieden verschiedene Wertigkeiten besitzen würden.

So steht auf der „untersten Stufe der Leiter“ die schwarze Rasse, die Gobineau mit einem „Charakter von Thierheit“ ohne (oder höchsten nur mit mittelmäßigen) Denkvermögen ausgestattet, der seine fehlende Intelligenz mit seinen niedersten Instinkten ausgleicht und nur einen außergewöhnlichen Geschmacks- und Geruchssinn als Besonderheit sein Eigen nennt. Die Angehörigen der schwarzen Rasse sollen eine enorme Lust am Töten, nur um des Tötens Willen auszeichnen, die wegen der ebenso ausgeprägten Feigheit nur aus dem Hinterhalt erfolgen würde.

Auf der zweiten Stufe dieser Rassenleiter steht die gelbe Rasse, die als „mittelmäßig“ beschrieben wird. Im Gegensatz zum Schwarzen, der den Exzess lieben soll, wird den Gelben ein „beständiger, aber ruhiger Sinn für materielle Genüsse“ attestiert. Genauso wie eine „Liebe zum Nützlichen, Achtung vor der Regel, Bewußtsein von den Vortheilen einer gewissen Dosis von Freiheit. […] Ihre Wünsche beschränken sich darauf, so angenehm und so bequem als möglich zu leben.“ Die Gelben sind laut Gobineau ein quasi Rasse gewordener Kleinbürgerstand.

Die höchste Stufe ist natürlich die weiße Rasse, die laut Gobineau Völker mit besonnener Energie, einem Sinn sowohl für das Nützliche, als auch für das Höhere, Kühnere, Idealere. Mit einer ausgeprägten Liebe zum Leben, einem ausgeprägten Ehr- und Kulturbegriff, allerdings auch mit einem, gegenüber den Schwarzen und Gelben, schlechter ausgeprägten Hang zur Sinnlichkeit.

Gobineau begründet die Charakterisierungen der Völker zum größten Teil nicht. Er stellt Behauptungen über rassische Merkmale auf, die er gelegentlich aus der Physiognomie und dem Körperbau ableitet. Aber wie gesagt, Größtenteils zaubert er die Behauptungen aus dem Hut.

Die Arier kommen aber erst dann wieder ins Spiel, wenn Gobineau die zehn menschlichen Zivilisationen aufzählt, die alle auf einen arischen Einfluss zurückgehen.

Ich habe gesagt, daß der großen Civilisationen der Menschheit nur zehn an der Zahl sind, und daß alle aus der Initiative der weißen Race hervorgegangen sind. An den Anfang der Aufzählung haben wir

  1. die indische Civilisation zu setzen. Sie ist in den indischen Ocean und über den Brahmaputra nach dem Norden und Osten des asiatischen Festlandes zu vorgedrungen. Ihr Brennpunkt lag in einem Zweige des weißen Volksstammes der Arier.
  2. Es kommen dann die Aegypter. Um sie gruppiren sich die Aethiopier, die Nubier und einige kleine westlich der Oase des Ammon wohnende Völker. Eine arische Ansiedlung aus Indien, die sich im oberen Nilthale niedergelassen, hat diese Gesellschaft ins Leben gerufen.
  3. Die Assyrer, denen sich die Juden, die Phönicier, die Lyder, die Karthager, die Himjariten anschließen, haben ihre socialen Einsichten den großen Einfällen jener Weißen verdankt, für die man die Bezeichnung der Nachkommen Hams und Sems beibehalten kann. Die Zoroastrier-Iranier ihrerseits, welche in Vorderasien unter den Namen Meder, Perser und Baktrierer herrschten, waren ein Zweig der arischen Familie.
  4. Die Griechen waren dem gleichen arischen Stamme entsprossen, und erst die semitischen Elemente brachten Wandlung darin hervor.
  5. Das Seitenstück zu dem, was sich mit Aegypten zutrug, finden wir in China. Eine aus Indien gekommene arische Ansiedlung brachte die sociale Aufklärung dorthin. Nur löste sie sich, anstatt, wie an den Ufern des Nil, mit schwarzen Bevölkerungen sich zu vermischen, in malayischen und gelben Massen auf und empfing außerdem von Nordwesten her ziemlich zahlreiche Zuschüsse von weißen Elementen, die gleichfalls arisch, aber nicht mehr indisch waren.
  6. Die ehemalige Civilisation der italischen Halbinsel, aus welcher die römische Cultur hervorging, war eine Mosaik von Kelten und Iberern, Ariern und Semiten.
  7. Die germanischen Volksstämme gestalteten im 5. Jahrhundert den Charakter des Abendlandes um. Sie waren arisch.
  8. 9. 10. Unter diesen Ziffern reihe ich die drei Civilisationen Amerikas ein, die der Alleghanier, der Mexikaner und Peruaner.

Von den sieben ersten Civilisationen, denen der alten Welt, gehören sechs, wenigstens zum Theil, der arischen Race an, und die siebente, die assyrische, verdankt dieser selben Race die iranische Wiedergeburt, die der glänzendste Moment ihrer Geschichte geblieben ist. Fast das gesammte europäische Festland wird gegenwärtig von Menschengruppen bewohnt, deren Ursprung weiß ist, bei denen aber die nichtarischen Bestandtheile die zahlreicheren sind. Keine wahrhafte Civilisation bei den europäischen Völkern, wenn die arischen Zweige nicht die Herrschaft gehabt haben.
Bei den zehn Civilisationen erscheint nicht eine schwarze Race unter den Cultivirenden. Nur die Mischlinge bringen es zu Cultivirten. Desgleichen von selbst keine Civilisation bei den gelben Völkern, und Stillstand, wenn das arische Blut sich erschöpft zeigt.
(aus: Gobineau, Joseph Arthur de: Versuch über die Ungleichheit der Menschenracen. Erster Band, Stuttgart, 1902. S. 287ff.)

Für Gobineau zeigte sich die edelste Ausbildung des Ariertums im französischen Adel und so versuchte er auch fast manisch, die Abstammung seiner eigenen Familie vom germanischen Gott Odin zu beweisen. Im Laufe seines Textes (insbesondere im dritten Buch, abgedruckt in Bd. 2 S.181ff.) versieht Gobineau die Arier mit den höchsten und edelsten Eigenschaften, die sie durch ihre Wanderbewegungen bspw. an die germanischen Stämme weitergeben. Dabei bildet er den Begriff einer „Herrenrasse“ heraus, der alle kulturtragenden Völker angehören sollen. Was seinem Werk allerdings komplett fehlt ist eine antisemitische Komponente. Diese sollte erst später durch Houston Stewart Chamberlain hinzugefügt werden.

Gobineaus Werk wurde gerade in Deutschland gut rezipiert, vor allem, da es im Bayreuther Clan um Richard Wagner geradezu begeistert aufgenommen wurde. Richard Wagner selbst veranlasste Kalr Ludwig Schemann, das Buch ins Deutsche zu übersetzen und setzt sich selbst in seiner kleinen Schrift „Heldenthum und Christenthum“ (1881) ausführlich mit den Theorien des französischen Adligen auseinander, wenn er darin auch in einem grundlegenden Punkt Gobineau widerspricht: nicht im französischen Adel sei die edelste Ausbildung des Ariertumes zu finden, sondern in den germanischen Stämmen des Nord-Osten und begründet dies einmal durch die Annahme des römisch-katholischen Christentums und das ausgeprägte Ehrgefühl, wie es in der ritterlichen Minne des Mittelalters zu finden ist.

Houston Stewart Chamberlain

Cosima Wagner war es auch, die dem Freund der Familie und späteren Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain die Lektüre von Gobineaus Essay empfahl. Chamberlain, ein gebürtiger Brite und Verehrer Deutschlands und ganz besonders Wagners, schrieb daraufhin das zweibändige Buch „Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts“, in dem er die Thesen Gobineaus mit einem primitiven und vulgären Antisemitismus vermischte und damit die Grundlagen für den rassischen Antisemitismus, der Alfred Rosenberg und Adolf Hitler prägen sollte.

Chamberlain führte aus, dass alleine die arischen Germanen als Schöpfer einer neuen Kultur in Europa zu sehen sind. Insbesondere die „germanische Treue“ ist ein Wesenszweig, auf den der Autor seitenweise herumreitet. Dem Germanen gegenüber steht „der Jude“, der in Europa ein fremdes Element sei. Die vermeintliche Minderwertigkeit der Juden gegenüber den germanischen Völkern führt Chamberlain auf die Physiognomie, Körperbau und andere körperliche Merkmale der Juden zurück. So versteigt sich der Autor in die Behauptung, dass bereits ein arischer Säugling sofort anfängt zu weinen, wenn sich ihm „Rassejude“ nähert. Auch sei Jesus Christus zwar Angehöriger der jüdischen Religion, aber kein rassischer Jude gewesen. Lediglich einzelnen Juden könne ein „Adel im vollsten Sinne des Wortes“ zugestanden werden.

„Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts“ wurden ein großer Erfolg in Deutschland und konnten auf 24 Auflagen bis 1944 blicken. Aber auch in England wurde es begeistert aufgenommen, als es 1910 in einer Übersetzung erschien. Zum herausragenden Erfolg des Buches konstatiert Wanda Kampmann: „Man war am Ende des positivistischen Jahrhunderts der Detailforschung und ihrer widersprüchlichen Ergebnisse müde. (…) und dann war es wohl der Kulturenthusiasmus, die Verklärung von Kunst, Kultur und Religion als schöpferische Leistung des germanischen Geistes, die der Bildungschwärmerei einer breiten Leserschicht entgegenkam, ferner die Rassentheorie, die eine unsicher gewordene Generation in ihrem Selbstgefühl stärkte und nicht zuletzt die Überredungskraft, die von Simplifikation jederzeit ausgeht.“ [Zitiert nach https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Die_Grundlagen_des_neunzehnten_Jahrhunderts&oldid=211537986]

1930 veröffentlichte Alfred Rosenberg, einer der führenden NS-Ideologen und „geistiger Priester der Herrenrasse“, wie er während des Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozesses bezeichnet wurde, sein Hauptwerk „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“, das als direkte Fortsetzung von Chamberlains „Grundlagen“ konzipiert war.

Helena Petrowna Blavatsky

Bevor wir uns aber mit Rosenberg auseinandersetzen, müssen wir uns mit den Ausführungen von Helena Petrowna Blavatsky, der Erfinderin der Theosophie, zum Thema „Arier“ auseinandersetzen. In ihrem Buch „Die Geheimlehre“, einem Standartwerk der Theosophie, formuliert sie auch den Mythos der so genannten „Wurzelrassen“, der bald auch schon in anderen Lehren, wie eben der Anthroposophie oder der Ariosophie aufgegriffen und für die eigenen Zwecke umgearbeitet wurde.

Helena Blavatsky hat sich tatsächlich einen komplett neuen Schöpfungsmythos ausgedacht, in der der Mensch als älteste Lebensform auf der Erde diese beherrscht. Entstanden ist er daraus, dass der göttliche Geist in Materie gefahren sei und seitdem bestrebt ist, die materielle, menschliche Hülle wieder abzustreifen und in das Stadium des reinen Geistes zurückzukehren.

Laut Frau Blavatsky erfolgt diese Rückkehr in das Stadium des reinen Geistes dadurch, dass die Menschheit eine Entwicklung durch sieben aufeinander abfolgende Wurzelrassen durchlaufen muss, wobei sich jede Wurzelrasse wieder in sieben so genannte „Zweigrassen“ oder „Familienrassen“ aufteilt. Dies geschieht in einem mehrstufigen System aus Reinkarnationen, die auf dem Gesetz des Karmas beruhen. Hat eine Wurzelrasse die ihr gestellte Aufgabe erfüllt, geht sie unter und nimmt ihren Kontinent, auf dem sie gelebt hat, gleich mit. In der ungeschönten Sprache der damaligen Zeit erklärt sie, dass „Rothäute, Eskimos, Papuaner, Australier, Polynesier usw. – Alle sterben aus. […] Und ihre Auslöschung ist […] eine karmische Notwendigkeit.“ Übrig blieben nach ihrer Überzeugung nur drei Rassen, nämlich der „Arier“, der „Gelbe“ und der „afrikanische N****“.

Wir sehen also, auch hier finden wir die gleiche Rassenaufteilung, wie sie Gobineau gut dreißig Jahre früher formulierte.

Diese Entwicklung ist in ihrer Vorstellung nicht spontan, wie es beispielsweise die Evolutionslehre kennt, sondern beruht auf einem Zuchtprogramm, welches von „übernatürlichen Wesen“ für die Menschheit entwickelt wurde. Insgesamt geht es bei ihr anders herum, nicht der Mensch passt sich an seine Umwelt an, sondern der Mensch passt seine Umwelt an sich an.

Ganz besonders angetan war Helena Blavatsky vom damals populären Atlantis-Erzählung von Ignatius Donelly. Insgesamt bedient sie sich munter aus allen möglichen Bereichen der Esoterik und der damaligen Wissenschaft wie Atlantis-Erzählung, Arier-Mythos, Theologie, Medizin oder Paläontologie.

Die fünfte Wurzelrasse besteht aus den Ariern, die nach der Blavatsky vor etwa einer Million Jahren in Nordasien entstanden. Nachdem Atlantis untergegangen war, soll sich der europäische Kontinent aus dem Meer erhoben haben, den die Arier besiedelten.  Mit dieser Wurzelrasse sei „der perfekte Meridianpunkt der perfekten Ausrichtung von Geist und Materie überschritten worden – oder das Gleichgewicht zwischen dem Hirn-Intellekt und der spirituellen Wahrnehmung“. Die Hauptvölker der Arier sind laut Blavatsky die Europäer und die Inder. Aktuell bilden die Europäer die fünfte Unterrasse der fünften Wurzelrasse. Mit dem Erscheinen der nächsten beiden Unterrassen soll auch ein neuer „Lehrer der Menschheit“ die Bühne betreten. Allerdings sollte dies bereits im letzten Viertes des 20. Jahrhunderts geschehen sein.

Ist die Erzählung von den Wurzelrassen von Frau Blavatsky rassistisch? Ja, auf jeden Fall. Sie reproduzierte die damals gängigen rassistischen Stereotypen. So waren die Schwarzen in Afrika für sie nur Kinder, die die Anleitung durch überlegenere Rassen benötigen. Asiaten, mit Ausnahme der Inder, werden als gottgegebene Dienstboten oder „Kulis“ dargestellt. Allerdings muss man auch feststellen, dass die Blavatsky in Relation zu anderen Schriftstellern ihrer Zeit, die sich mit ähnlichen Sujets beschäftigten, nicht besonders extrem war in ihren Äußerungen.

Genauso war es mit ihren antisemitischen Äußerungen. Zwar rechnete Helena Blavatsky die Juden zu den arischen Völkern, doch behauptete sie bereits in ihrem Buch „Die entschleierte Isis“, dass die Semiten das am wenigsten Spirituelle Volk seien, das nicht im Stande sei, moralische oder allgemein intellektuelle Gedanken durch ihre Sprache auszudrücken. Ihre gesamte Kultur sei eine Sammlung von verschiedensten Anleihen höherstehender Völker. Die Juden seien ein Hybridvolk, das es darauf anlege, sich mit möglichst vielen anderen Völkern zu vermischen. Damit deutet Blavatsky laut dem israelischen Historiker Isaac Lubelsky an, dass das Judentum selbst keine originäre, sondern nur eine Mischkultur hätte entwickeln können. Lubelsky erklärt diese Polemik mit Blavatskys Absicht, das auf dem Judentum basierende Christentum zu delegitimieren. Im Vergleich zu den antisemitischen Vorurteilen, die in dem russischen Milieu, aus dem Blavatsky stammte, gang und gäbe waren, erscheine ihre Haltung eher zurückhaltend.

Guido von List und Jörg Lanz von Liebenfels

Im Kielwasser der Theosophie entstanden neben der Anthroposophie noch einige andere abstruse esoterische Strömungen. Eine dieser Ableger war die sogenannte „Ariosophie“, die sich um die Wende vom 19. Zum 20. Jahrhundert Guido von List und Jörg Lanz von Liebenfels ausdachten.

Grundstock waren die zentralen Lehren der Theosophie in Kosmologie, Symbolik und Wurzelrassen, die sie mit den Rassentheorien von Arthur de Gobineau und pseudogermanischen Runenglauben vermengten. War Helena Blavatsky, die Erfinderin der Theosophie, noch der Meinung, dass es keine Unterschiede zwischen den Rassen gäbe und die höchste Evolutionsstufe der Menschheit eine Rasse sei, die aus der Vermischung aller bisherigen Rassen hervorging, so sahen die Ariosophen die Erfüllung der Menschheit in einer aristokratischen Rassentrennung, in der die einzelnen Rassen verschiedene Entwicklungsstufen inne hätten und in einer okkulten Hierarchie übereinander stehen würden. Gewürzt wurde diese krude Mischung dann noch mit ein bisschen Kabbala, Zahlenmystik, Astrologie und anderem esoterischen Kokolores. List und Lanz verschmolzen also die esoterischen Elemente mit beinhartem Rassismus und völkischem Nationalismus.

Die am höchsten entwickelte Rasse war natürlich die der „Arier“, die in einem „Goldenen Zeitalter“ in vorgeschichtlicher Zeit von einer weisen Priesterschaft angeführt worden seien. Durch die Vermischung mit niederen anderen Rassen, verloren sie ihre spirituelle Reinheit.

Lanz von Liebenfels verknüpfte seine Rassenlehre mit der Idee eines „arischen Christentums“ und stellte dann den Kampf der Arier gegen die „Niederrassen“ in den Vordergrund. Ganz konkret ging es ihm um die Verhinderung von Rassenmischung und der aus dieser Vermischung resultierenden Schwächung der „arischen Heldenrasse“. Um dies zu verhindern, schlug er weitreichende Zuchtprogramme für Arier und Sterilisationsmaßnahmen für minderwertige Rassen vor. Liebenfels deutete die Bücher der Bibel und die Geschichte des Christentums in Zeugnisse eines angeblichen Rassenkampfes um.

Alfred Rosenberg

Kommen wir nun zum bereits angesprochenen Alfred Rosenberg mit seinem Buch „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“, der durchaus als einer der Chefideologen der nationalsozialistischen Bewegung benannt werden kann. Der „Mythus“ war als direkte Fortsetzung von Houston Stewart Chamberlains „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts“ konzipiert.

In diesem Buch fordert Rosenberg nicht nur, eine neue „Religion des Blutes“, die dem von „jüdischen Einflüssen“ zersetzten Christentum entgegengesetzt werden soll, sondern zementierte auch die von Chamberlain begonnene Feindschaft zwischen dem edlen, reinen arischen Germanen auf der einen und seinem durchtriebenen Antagonisten, dem Juden auf der anderen Seite. Dazu teilte er die Völker in „Kulturschaffend“ (ausnahmslos die arisch-germanischen Völker), „Kulturbewahrend“ (die slawischen oder keltischen Völker) und „Kulturzerstörend“ (die jüdisch-semitischen Völker) ein. Diese Einteilung wird auch öfters von Adolf Hitler in seinen Reden angeführt.

Rosenberg sah im arischen Deutschen ein Volk, das nur durch seine Stärke dazu prädestiniert sei, andere Völker zu unterdrücken und zu führen. Diese Stärke begründete er mit einer arisch-germanischen Rassenseele, die eine besonderes Kraft in sich tragen soll, die nur durch die brutale Durchsetzung ihres Willens andere Völker beherrschen soll. So schreibt Rosenberg: Dazu bedarf es Mut. Mut eines jeden Einzelnen Mut des ganzen heranwachsenden Geschlechts, ja vieler noch folgender Generationen. Denn ein Chaos wird nie von Mutlosen gebändigt und noch nie ist von Feiglingen eine Welt gebaut worden. Wer vorwärts will, muß deshalb auch Brücken hinter sich verbrennen. Wer sich auf eine große Wanderung begibt, muß alten Hausrat liegen lassen. Wer ein Höchstes erstrebt, muß Minderes beugen. Und auf alle Zweifel und Fragen kennt der neue Mensch des kommenden Ersten Deutschen Reichs nur eine Antwort: Allein ich will!

Die Züchtung einer reinen, arischen Rasse, der die „Beimengungen artfremden Blutes“ herausgezüchtet wurden, war ebenfalls eine seiner Theorien: Aber die Werte der Rassenseele , die als treibende Mächte hinter dem neuen Weltbild stehen sind noch nicht lebendiges Bewußtsein geworden. Seele aber bedeutet Rasse von innen gesehen. Und umgekehrt ist Rasse die Außenseite einer Seele. Die Rassenseele zum Leben erwecken, heißt ihren Höchstwert erkennen und unter seiner Herrschaft den anderen Werten ihre organische Stellung zuweisen: in Staat, Kunst und Religion Das ist die Aufgabe unseres Jahrhunderts: aus einem neuen Lebens-Mythus einen neuen Menschentypus schaffen.

Was nach Rosenberg durch das „Allein ich will!“ geschah, wissen wir heute: millionenfacher Mord, Verschleppung, Leid, Kummer, Tot. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden mit Einrichtungen wie dem „Ahnenerbe“ und unzähligen Publikationen, egal ob Bücher, Zeitschriften oder Zeitungen, das antisemitische Ariertum immer tiefer ins Bewusstsein der Menschen eingebrannt, dass es da noch heute sitzt. Der aktuelle Antisemitismus hat seine Wurzeln noch immer in dem hanebüchenen Unsinn, den die Nationalsozialisten damals in die Welt trugen.

Schlusswort

Zur Vorbereitung dieses Artikels habe ich vier Bände Gobineau, zwei Bände Chamberlain, einen Band Blavatsky, zwei Bände Rosenberg und zahlreiche Aufsätze beispielsweise aus den Schulungsbriefen der NSDAP durchgearbeitet. Zusammen mehr als tausend Seiten. Dazu gibt es noch tausende und abertausende Publikationen, die im Laufe der Zeit herausgebracht wurden und die nur einen Zweck haben: den Menschen zu erklären, dass es verschiedene Rassen von ihnen gibt und diese verschiedenen Rassen wiederum verschiedene Wertigkeiten besitzen.

Und wisst ihr was? Diese Millionen und Abermillionen Seiten von Papier, die beschrieben wurden, sind heutzutage obsolet. Warum? Weil wir durch die Entdeckung der DNA wissen, dass der Mensch ein Mensch und nur ein Mensch ist. Zwar haben sich auf Grund der verschiedenen Lebensbedingungen verschiedene Phänotypen herausgebildet, die für ihre Umgebung am besten angepasst sind, aber das hat absolut nichts damit zu tun, ob die Menschen schlau oder dumm, nett oder doof, freundlich oder unfreundlich sind. Wenn man unter die Haut schaut (und ich bitte das jetzt NICHT WÖRTLICH zu nehmen!) ist der Mensch der Gleiche wie der andere, egal ob er aus Afrika, Europa oder Asien stammt.

Natürlich gab es auch schon damals Stimmen aus der Wissenschaft, die davor gewarnt haben, dass man wie bei den Ariern rein sprachliche Kategorien nicht in die Anthropologie übertragen kann. Aber das wurde ignoriert. Ein Fakt, der sich heute auch nicht wirklich geändert hat.

Am 4. Oktober 1963 trat der Neguse Negest, Kaiser Haile Selassie I. vor die UN-Vollversammlung in New York und hielt eine vielbeachtete Rede, in der er unter anderem sagte:

Solange nicht die Denkweise, die eine Rasse für überlegen und eine andere für minderwertig hält, endgültig diskreditiert und überholt ist; solange es Bürger erster und zweiter Klasse in irgendeiner Nation gibt; solange, bis die Hautfarbe eines Menschen nicht mehr von Bedeutung ist als die Farbe seiner Augen; bis zu dem Tag, an dem die Menschenrechte für alle gleichermaßen garantiert sind, ohne Rücksicht auf ihre Herkunft: so lange wird der Traum vom dauerhaften Frieden und Weltbürgertum eine flüchtige Illusion bleiben, der man beständig nachjagt, die aber nie erreicht wird.

Und mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

2 Gedanken zu “Die Sache mit den Ariern – oder: wie man eine Superrasse konstruiert

  1. Die Rassenlehre ist eine Geschichte fur sich. Es kommt immer darauf an wer der Author ist. Wenn er weiss ist kann man davon ausgehen dass er die Uberlgenheit der weissen Rasse beweisen will. Das gilt umgekehrt auch fur schwarze Authoren. Diese beweisen in ihren Stellungnahmen die Uberlegenheit der schwarzen Rasse. In den USA war Ivan van Sertima dafur bekannt die absolute Uberlegenheit der schwarzen Rasse beweisen zu konnen.
    Die deutschen Nazis waren auch fur ihre Rassenlehre bekannt. Da wurden die Germanen zur Superrasse erklart. Die Russen dagegen wurden als Slawen zu Untermenschen deklariert.
    Da fragt man sich wo bleiben da die Indoarier? Die wurden von den Briten im letzten Weltkrieg genutzt um zu beweisen dass die intelligenteste Rasse der Welt die Indoarier sind. Als Indoarier wurden neben den Briten und Franzosen auch die Inder und Perser gezaehlt.
    Die Deutschen gehoerten jedoch nicht zu dieser Superrasse. Sie waren vielmehr der gleichen Rasse wie die Russen zugehorig. Damit wollte man im Vereinigten Konigreich unterstreichen dass es uberhaupt keine Gemeinsamkeit von Briten und Deutschen geben kann.
    Diese Glaubenslehre ist inzwischen abgeebbt. Es gibt ancestry.com wo man seine Herkunft feststellen lassen kann. Die Deutschen sind die Nachkommen der Franken, die Englander die Nachkommen der Sachsen und die Norweger die Nachkommen der Wikinger. Wer keltische Vorfahren hat sollte nicht verzweifeln. Diese werden jetzt zu Schotten,Irlandern und Walisern deklariert.

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