Warum ich den Begriff „Schlacke“ nicht mehr hören kann!

Ich kann es nicht mehr hören! Ich kann es wirklich nicht mehr hören! Es geht mir so auf den Zeiger! Worüber ich mich aufrege? Über dieses unsägliche Gelaber von den „Schlacken“ im Körper. Gerade schlage ich das hiesige VHS-Programm auf und was lese ich? Einen Kurs mit dem Titel „Reinigungsprogramme für die inneren Organe“. Ich weiß nicht genau, wie man sich das vorstellen muss. Wird da die Milz gekärchert? Oder hängt dann die Leber auf der Leine? Man weiß es nicht. Jedenfalls kam in der Kursbeschreibung dann mein Lieblingswort vor. Hier mal die komplette Kursbeschreibung zum Genießen: Viele Menschen duschen sich täglich, aber eine innere Reinigung findet so gut wie nie statt. Dabei ist es weitaus wichtiger, die inneren Organe (Leber, Niere, Darm, Blut) mindestens zwei Mal im Jahr ebenfalls zu reinigen. Mit Kräutern, Lebensmitteln und etwas Zeit, kann das jeder selbst zu Hause durchführen. Mit den Reinigungen lassen sich gesundheitliche Störungen, die durch Schlacken verursacht werden, bessern oder auch ganz zum Verschwinden bringen. Somit steigern Sie Ihr Wohlbefinden und Ihre Leistungsbereitschaft im Alltag.

Ich weiß ja nicht, wie sich diese Menschen die Vorgänge im menschlichen Körper vorstellen, aber wo sollen denn Schlacken herkommen? Schlacken sind Rückstände, die bei Verbrennungsvorgängen zurückbleiben. Sowas gibt es schonmal im menschlichen Körper nicht. Deswegen hat sich die „Alternativmedizin“ eine eigene Definition zurechtgezimmert. So heißt es auf einer Homepage: Schlacken sind mit Mineralstoffen und Spurenelementen neutralisierte und anschliessend im Organismus abgelagerte Säuren und Gifte. Die Neutralisation der Säuren und Gifte ist eine dringend erforderliche Massnahme des Körpers, um seine Organe vor Verätzung zu schützen.

Übrigens, ich verlinke die Seiten hier nicht und entgegen aller Regeln werde ich auch nicht die Quellen angeben. Warum? Ganz einfach: ich möchte derartigen Schwurbelseiten nicht noch mehr Traffic bescheren. Also, lassen wir das.

Aber zurück zum Thema. Das ganze Gedöns haben sich zuerst die alten Hindus einfallen lassen, es ist nämlich ein Teil des Ayurveda, wo es unter dem Begriff Panchakarma praktiziert wird. Nun ist Ayurveda selbst schon sehr umstritten, werden doch deren Heilmitteln selbst gerne mal Schadstoffe wie Blei, Quecksilber oder Arsen beigemischt.

Der Begriff Entschlackung als Analogie zur Reinigung von Hochöfen oder des Feuerkessels von Dampflokomotiven wurde erstmals von Otto Buchinger verwendet, einem Anfang des 20. Jahrhunderts tätigen Arzt und Erfinder einer Fastenmethode. (1)

Die Vorstellung, dass sich in unserem Körper irgendwelche Giftstoffe festsetzen ist natürlich blanker Humbug. Zwar nimmt der Mensch auf den verschiedensten Wegen Giftstoffe in sich auf, aber dafür hat sich der Körper etwas ganz Famoses ausgedacht: den Stoffwechsel. Die Leber reguliert Zucker, Protein- und Fetthaushalt. Sie filtert Alkohol aus dem Blut und baut ihn über Zwischenschritte zu Essigsäure um. Am Ende der Kette steht ausgeatmetes Kohlendioxid. Das beim Aufspalten von Aminosäuren freiwerdende toxische Ammonium wandeln Leber und Nieren in Harnstoff um, der den Körper über den Urin verlässt. (2)

Also wie man sieht, der Körper braucht das keine Unterstützung in Form des ganzen „Detox“-Gedöns. Übrigens auch beim Saunieren werden keine Giftstoffe „ausgeschwitzt“. Was unseren Körper hier verlässt ist hauptsächlich Wasser und einige Salze.

Also braucht man die ganzen angepriesenen „Detox“-Produkte gar nicht. Sie haben ja auch gar keine Wirkung: Tees, Duschgels, Shampoos und Nahrungsergänzungsmittel werden als Detox-Produkte gekennzeichnet, die dem Körper angeblich bei der Entgiftung helfen sollen. Die gemeinnützige Stiftung ‚Sense About Science‘ hat 15 Produkte mit Detox-Label untersucht, vom Wasser bis zum Peeling, und alle Produkte als wirkungslos eingestuft. (3)

Dies sieht auch die Justiz so. Im Jahr 2015 wurde einem Teehersteller durch das Landgericht Düsseldorf (38 O 119/14) untersagt, seinen Tee, der aus einer Mischung von Grünem Tee, Löwenzahnkraut, Melisse, Wacholderbeeren, Rotbusch, Mate, Brennesselnkraut und Pfefferminze bestand unter der Bezeichnung „Detox“ zu verkaufen.

Nun versuchte der Hersteller nicht, die Wirksamkeit seines Produktes zu beweisen, sondern erklärte, der vielfältig verwendete Kunstbegriff ‚Detox‘ impliziere beim maßgeblichen, normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher keinen Zusammenhang zwischen Tee und der Gesundheit des Verbrauchers, sondern beinhalte lediglich einen Hinweis auf eine bestimmte Lebenseinstellung, die sich im Drange des derzeitigen Wellnesstrends insbesondere durch ein Streben nach innerer Ausgeglichenheit und allgemeinem Wohlbefinden auszeichne. Der Kontext der Gesamtaufmachung ergebe nichts anderes. (4)

Das Landgericht führte in seiner Urteilsbegründung aus, dass der Begriff „Detox“ auf einem Produkt eben doch bei einem „normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“ den Eindruck erweckt, dass bei bestimmungsgemäßem Gebrauch des Lebensmittels eine Entgiftung des Konsumenten eintritt. (4)

Besonders interessant ist aber folgende Ausführung des Gerichts: Eine nicht unerhebliche Anzahl von Verbrauchern ist wohl aufgrund der Anschaulichkeit des Bildes und mangelhafter Aufklärung der Meinung, der menschliche Körper sei einer solchen Entgiftung oder Entschlackung zugänglich. Mit der Verwendung des Begriffs ‚Detox‘ als Produktname wird, wenn nicht schon von einem Suggerieren auszugehen ist, jedenfalls mittelbar zum Ausdruck gebracht, dass ein Zusammenhang zwischen Gesundheit und Produktkonsum besteht. (4)

Auch das Oberlandesgericht bestätigte in seinem Urteil die Sichtweise des Landgerichts. (20 U 75/15)

Soweit so gut! Mich fasziniert es ja immer wieder, welch naiven Vorstellungen manche Menschen über ihren Körper anhängen. Irgendwie stellen die sich das anscheinend tatsächlich vor wie beim Ölwechsel oder am Hochofen. Was diese Leutchen allerdings immer wieder vergessen: das Prinzip der Entschlackung/Entgiftung war über Jahrhunderte, ja sogar Jahrtausende hier in Mitteleuropa vollkommen unbekannt und was soll ich sagen? Die Menschen haben trotzdem gelebt. Ganz ohne Detox.

Also, verlasst euch auf eure Leber und eure Nieren, die schaffen schon raus, was nicht in den Körper gehört und fallt nicht auf falsche Versprechungen herein!

(1) https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Entschlackung&oldid=177438789

(2) https://www.salonkolumnisten.com/mythenjagd-4-detox-der-koerper-kann-entschlackt-werden/

(3) http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/trend-detox-der-mythos-um-die-boese-schlacke-und-gift-im-koerper-a-892115-druck.html

(4) https://openjur.de/u/854120.html

Vielen Dank auch an Kumi, der mir die Verwendung seiner tollen Grafik hier erlaubt hat. Wenn ihr Kumi und seinen Blog „Grafikpolizei“ noch nicht kennt, dann schaut doch mal vorbei. Lohnt sich immer!

5 Gedanken zu “Warum ich den Begriff „Schlacke“ nicht mehr hören kann!

  1. Feedback: Ein hervorragender Artikel, weiter so!
    Der Schluss hat mich allerdings enttäuscht, denn er endet mit einem Nicht-Argument: „Die Menschen haben trotzdem gelebt. Ganz ohne Detox.“
    Menschen haben immer gelebt, aber die Frage ist ja, mit welcher Lebensqualität und Lebenserwartung. Genau solche Phrasen verwenden auch gerne zweifelhafte Gruppen.

    1. Mir ist beim Lesen genau der gleiche Gedanke gekommen wie Matthias:
      Guter Artikel, aber das Argument am Ende mag zwar in puncto „Detox“ richtig sein, ist der Sache nicht dienlich. Denn leider liest man auch oft „Agrumente“ nach demselben Muster:
      „Die Menschen haben trotzdem gelebt. Ganz ohne Impfung.“
      „Die Menschen haben trotzdem gelebt. Ganz ohne die giftigen Antibiotika.“
      etc.

  2. Schöner Artikel, verständlich erklärt. Danke dafür!
    Abgesehen davon, dass ich den gleichen Gedanken bezüglich des Schlussargumentes hatte wie die beiden Vor-Kommentierer, frage ich mich (als medizinischer Laie) auch, ob die Begrenzung auf normale Stoffwechselendprodukte nicht etwas zu eng gefasst ist. Gibt es nicht auch Fremdstoffe (Mikroplastik, Aluminium, Quecksilber, …), die im Körper angereichert werden, ohne dass dieser sie auf natürlichem Wege loswerden könnte?
    Dass da natürlich auch Sauna und ein Teechen nicht helfen, bleibt unbenommen. 🙂

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