Warum ich Kritik an der Homöopathie wichtig finde – Heute: Dr. Norbert Aust

Ein Wort zuvor

In den Diskussionen der letzten Zeit fiel mir immer wieder eine Argumentation der Homöopathen auf. Sie unterstellten den Skeptikern nämlich, dass sie bezahlte Agitatoren der Pharma-Industrie wären. Altruistische Motive sprachen sie ihnen komplett ab. Deswegen habe ich einige der bekanntesten Homöopathiekritiker gefragt, warum sie dies alles auf sich nehmen und Aufklärung betreiben, obwohl sie durchaus von Seiten der Homöopathen – teilweise äußerst persönlich – angefeindet werden.

Für den Premierenartikel konnte ich Dr. Norbert Aust gewinnen, den ich an dieser Stelle ganz herzlich danke! In unregelmäßiger Reihenfolge werdet ihr noch Beiträge von bspw. Dr. Christian Lübbers, Iris Hundertmark oder Prof. Dr. Ulrich Berger lesen können.
Aber erst einmal viel Vergnügen bei dem heutigen Gastbeitrag!

Euer
Onkel Michael

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Warum ich Kritik an der Homöopathie wichtig finde

Klar, man braucht was, um sich als Ruheständler zu beschäftigen, damit einem nicht langweilig wird. Etwas, das die kleinen grauen Zellen beweglich hält. Aber wie kommt man als Ingenieur ausgerechnet dazu, sich mit der Homöopathie auseinanderzusetzen? Und dies dann auch noch vehement über längere Zeit fortzuführen?

Nein, auch wenn es die Leser, besonders die anderen, vielleicht nicht glauben werden: Ich werde nicht für meine Aktivitäten bezahlt. Nicht von der Pharma, nicht von Ärzten, nicht von Apothekern, schlicht und einfach gar nicht. Warum haben eigentlich ausgerechnet Homöopathen, Alternativmediziner und deren Anhänger so große Schwierigkeiten damit zu akzeptieren, dass es Leute gibt, die sich aus Idealismus engagieren?

Warum nun Homöopathie?

Ich habe selbst erlebt, wie man auf Homöopathie reinfallen kann, denn ich hielt das, wie so viele andere auch, für eine etablierte Therapieform. Schließlich mussten wir die Mittel in der Apotheke kaufen und sie, so steht es auf der Packung, für Kinder unzugänglich aufbewahren. Wie richtige Arzneimittel eben. Und als ich dann herausfand, dass es sich dabei nur um Zucker handelt, habe ich mich gewundert. Als ich dann merkte, wie man mich für dumm verkaufen will, mit welchen Argumenten gearbeitet wird, habe ich mich geärgert. Als ich die vielen Regalmeter voller Ratgeber zur Homöopathie gesehen habe, die wirkungslosen Zucker auch in ernsteren Lebenslagen empfehlen, war ich entsetzt:

Wie soll jemand, der sich über die Homöopathie informieren will, zu einem anderen Schluss kommen, als dass es sich um wirksame Medizin handelt? Das kann keine gute Sache sein. Weder für den einzelnen Patienten, der sich möglicherweise auch bei potenziell gefährlichen Beschwerden einer unwirksamen Behandlung unterzieht. Auch für die Gesellschaft als Ganzes kann die Entwicklung nicht von Vorteil sein, wenn sich die Homöopathie weiter ausbreitet. Die Dauermedikation der Kinder beispielsweise, bei jedem Wehwehchen oder kleinstem Verlassen der Komfortzone (der Eltern), trainiert Abhängigkeit. Ja selbst ganz normale Lebensäußerungen wie Beklemmungen vor Prüfungen in der Schule werden als Einsatzgebiet proklamiert. Das kann auf Dauer nicht gut sein.

Die Homöopathie ist das Einfallstor für Scharlatanerie und Quacksalberei – und wird von den Institutionen des Gesundheitswesens geadelt, indem sie an Universitäten gelehrt wird, von den Ärztekammern entsprechende Fort- und Weiterbildungen angeboten werden und darüber hinaus im Arzneimittelrecht gesonderte Privilegien genießt, die einen Hersteller von einfachen Süßwaren neidisch machen können. Der muss nämlich gesundheitsbezogene Aussagen zu seinen Produkten begründen und belegen können, sonst kann er eine Klage wegen unlauteren Wettbewerbs an den Hals kriegen. Hier gibt es eine ganze Therapieform, die sich an kranke Menschen (und Tiere und Pflanzen) richtet, die ohne irgendwelche Verbindung zur Realität wahre Wunderleistungen von Verdunstungsrückständen von geschütteltem Wasser auf Zucker versprechen darf.

Ganz schlimm wird es dann, wenn wie so häufig mit der Hinwendung zur Homöopathie eine Abkehr vom öffentlichen Gesundheitswesen einhergeht, etwa in Form der Verweigerung des Impfens, oder auch nur dadurch, dass wirksame Therapien und Arzneimittel in der Hauptsache als Träger von üblen Nebenwirkungen dargestellt werden, was sicherlich nicht dazu dienlich ist, zwischen Arzt und Patient eine für den Genesungsprozess gedeihliche Beziehung aufzubauen.

Kurzum, an der Homöopathie ist nichts Gutes zu erkennen – außer der einen Tatsache, dass sie mir die Möglichkeit gibt, auch im Ruhestand die Welt vielleicht ein kleines bisschen besser zu machen, indem ich versuche, sachgerecht darüber zu informieren.

Norbert Aust