Warum ich Kritik an der Homöopathie wichtig finde – Heute: Sascha

Sascha ist – wie der Onkel – ein Unterstützer des Informationsnetzwerks Homöopathie (INH) und setzt sich für wissenschaftlich-kritisches Denken ein. Von ihm stammen übrigens die tollen Susannchen-Cartoons, die ihr euch –hier– anschauen und herunterladen könnt.

Ich habe mich ein bisschen mit ihm über Homöopathie-Kritik und über Skeptiker im Netz unterhalten.

Sascha, Du bist als Skeptiker und Aufklärer zur Homöopathie im Internet unterwegs. Wie kam es dazu?

Ich bin seit 1995 im Internet unterwegs. Damals startete AOL im Kreis Gütersloh (zuerst noch unter dem Namen „Bertelsmann Online“) mit einer Beta-Test-Phase. Ich war schon seit den frühen 80ern sehr computerbegeistert und über dieses „Internet“ hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon viel gelesen. Klar, dass ich mich sofort beworben habe. Nachdem das 28,8k-Modem gefühlte Stunden gesurrt und geknattert hatte, eröffnete sich mir eine Welt ungekannter Möglichkeiten zur Kommunikation. Eine Quelle unendlicher Informationen.

Mir kam das damals wie der Beginn des goldenen (Informations-)Zeitalters vor. Informationen für alle, über alles, überall, jederzeit. Eine Bibliothek des gesamten Wissens der Menschheit im Wohnzimmer.

In AOL konnte man damals schon chatten und es gab sogenannte Newsgroups, in denen je nach Thema lebhaft, konstruktiv, sachlich, ironisch und vor allem kompetent diskutiert wurde. In dieser frühen Zeit des Internets waren meines Erachtens nach hauptsächlich Nerds, Studenten und IT-Spezialisten online, die fachlich und sachlich auf hohem Niveau kommunizierten. Man nahm sich ernst, respektierte die Meinung des Anderen und hielt mit Fakten dagegen. Bullshit wie die „Flache Erde“, die „Mondlandungslüge“ oder „Chemtrails“ fielen in die gleiche folkloristische Abteilung wie die „Bielefeld -Verschwörung“. Jeder kannte diese Geschichten, aber niemand wäre auf die Idee gekommen, das ernstzunehmen; man hätte sich in der Community lächerlich gemacht. Und so sah mein wunderbares Internet im Großen und Ganzen aus, bis 2004 unser allseits geliebtes Facebook aufpoppte.

Und wie kamst Du zum Thema Homöopathie?

Berührungspunkte mit der Homöopathie und anderen alternative Behandlungsmethoden hatte ich bis dahin ausschließlich im realen Leben. 2000 zog ich vom Land in die große Stadt. Hamburg! Ich musste mir einen neuen Hausarzt suchen und entschied mich für den Herrn Doktor um die Ecke. Das Schild zu der Gemeinschaftspraxis wies keinerlei Besonderheiten auf. Da stand lediglich „Dr. med. XYZ, Allgemeinmediziner, Öffnungszeiten“, usw. – nichts, was mir in irgendeiner Art und Weise besonders aufgefallen wäre.

In den folgende Jahren hatte ich ab und an eine Erkältung oder andere harmlose Zipperlein und brauchte einen „gelben Schein“ für meinen Arbeitgeber, weswegen ein Arztbesuch manchmal nicht vermeidbar war. Meistens verließ ich die Praxis mit einem Rezept für nicht-verschreibungspflichtige „Medikamente“. Dem Begriff „Homöopathie“ schenkte ich damals keine besondere Aufmerksamkeit, hörte sich ja irgendwie medizinisch an. Ich habe diese Kügelchen anfänglich auch nach Vorgabe eingenommen, bemerkte aber nie irgendeine Wirkung. Der Beipackzettel gab auch keine erhellenden Informationen darüber preis, womit ich es genau zu tun hatte. Da ich bis dahin eher selten Medikamente wie z.B. Aspirin oder Ibuprofen und noch seltener Antibiotika zu mir genommen hatte – eben immer nur, wenn das notwendig war – wusste ich, dass in vielen Fällen ein deutlicher Wirkeffekt spürbar war. Nur bei dieser „Homöopathie“ merkte ich überhaupt nichts. Also habe ich mich an den Computer gesetzt (das war 2001 – glücklicherweise!). Das erste Suchergebnis (damals noch AltaVista und nicht Google) beschrieb die homöopathische Methode des „Ähnliches mit Ähnlichem“ behandeln, was sich irgendwie noch schlüssig anhörte. Aber dann kam der Teil, wie homöopathische „Mittel“ hergestellt werden. Ich konnte nicht glauben, was ich da von unendlichen Verdünnungen (Potenzierungen) seltsamster Wirkstoffe las. Ich hatte Physik Leistungskurs in der Oberstufe gehabt und was da beschrieben wurde, war vollkommen absurd.

Naiv wie ich war konfrontierte ich meinen Hausarzt mit meinen Erkenntnissen und der Frage, wieso er mir teure aber vollkommen wirkungslose Zuckerkugeln verschreiben würde? Die Antwort darauf war überraschend unfreundlich. Ich sollte mich aus seinem Kompetenzbereich heraushalten. Er sei von der Wirkung der Homöopathie überzeugt, sowas wie ich sei ihm noch nicht untergekommen und er müsse sich als Mediziner nicht rechtfertigen. Das hat mein Vertrauen in Ärzte nachhaltig geschädigt.

Zeit den Arzt zu wechseln.

Und wie ging es im Internet weiter?

2004 startete Facebook und mir war noch nicht klar, was das für das Internet, wie ich es kannte und schätzte, bedeuten würde. Der Zugang zum Internet wurde immer einfacher und inzwischen war schon so mancher
Vollpfosten und Aluhut online. In den folgenden Jahren verschwanden immer mehr Newsgroups und freie Internetforen und gingen in Facebook als sogenannte „Gruppen“ auf, öffentliche, geschlossene, geheime. Perfekter Nährboden für jeden Unsinn, den sich menschliche Gehirne ausdenken konnten und in denen sich alle gegenseitig bestätigten. Die Echokammern waren geboren – nur kannte damals noch niemand diesen Begriff und die Probleme, die sie noch bereiten würden. Die inhaltliche Qualität der Diskussionen ließ rapide nach. Meinungen bekamen den gleichen Stellenwert wie Fakten. Beleidigungen, „Whataboutism“ und „ad hominem-Angriffe“ wurden gängige „Argumentationswerkzeuge.“ Es war und ist nur schwer zu ertragen – Facebook war für mich das Ende des goldenen Informationszeitalters.

Damals entschied ich mich, diese beängstigende Entwicklung erst einmal zu ignorieren, da sie ausschließlich im Internet stattfand und mein reales Leben nur wenig berührte. Man konnte den grassierenden Bullshit im Internet noch als Online-Phänomen ohne Auswirkung auf die Realität belächeln.

2008 hatte ich eine schlimme Bronchitis und kam um einen Arztbesuch bei meiner damaligen Hausärztin (Dr. med. + Naturheilkunde) nicht herum. Die Dame hörte mich ab und schickte mich mit ihrer hauseigenen Tee-Mischung und einem Rezept für Prospan nach Hause – also praktisch mit leeren Händen. In der darauf folgenden Nacht dachte ich, der Husten würde mich umbringen. Ich sah Sternchen und mein Kopf drohte zu explodieren. Am nächsten Tag gleich wieder in die Praxis. Glücklicherweise hatte meine Hausärztin genau ab diesem Tag Urlaub und wurde durch eine weniger „sanfte“ Kollegin vertreten. Diese hörte mich ab und schickte mich sofort zur Röntgendiagnostik. Ihr Verdacht bestätigte sich: Lungenentzündung! Antibiotikum!

Nach zwei Tagen ging es mir DEUTLICH besser. Nach einer Woche war ich wieder fit.

Gerd Globulus

Zeit, mal wieder ins Internet zu gehen um zu überprüfen, was dieses positiv besetzte „Naturheilkunde“ eigentlich bedeutet. Diesmal schon mit Google und immer noch weitestgehend sachlichen Suchergebnissen. Ernüchterung! „Naturheilkunde“ bedeutet anscheinend nicht, dass auf medizinischer Evidenz basierende Naturheilmittel zum Einsatz kommen, sondern: alles außer evidenzbasierter Medizin – egal wie unsinnig. Homöopathie, Akupunktur, Bachblüten, Schüßler-Salze, TCM u.v.m.– alles vermeintliche Naturheilkunde. Jedes dieser Verfahren ist medizinisch gesehen ähnlicher Unsinn wie Homöopathie. Ein Gedankengerüst, das sich irgendwie schlüssig anhört, aber in jedem Fall wissenschaftlich unhaltbar ist.

Zeit, mal wieder den Arzt zu wechseln…

2012 hatte ich die ersten Erlebnisse, die Schlimmes befürchten ließen. Das Internet mit all seinem gefährlichen Halbwissen und Bullshit schien auf die Realität abzufärben. In meinem Bekanntenkreis wurde von tollen Erfahrungen mit Homöopathie, Osteopathie (bei Säuglingen), Akupunktur, Geistheilen und Handauflegen berichtet. Alle hatten da entweder etwas von einem Freund gehört oder „was bei Facebook gelesen“. Ich wurde hellhörig und steuerte mit meinen Informationen aufklärerisch dagegen. Wieder einmal bin ich naiverweise davon ausgegangen, dass meine Informationen zur Potenzierung bei der Homöopathie, den spinnerten Meridianen bei der Akupunktur, der gewalttätigen Herkunft der Osteopathie, den Präparaten von aussterbenden Tierarten, die bei der TCM zum Einsatz kommen, u.v.m., bei meinen Bekannten ähnliche „Aha!“-Effekte wie bei mir hervorrufen würden. Weit gefehlt! Ich war der Schlechtmacher, der nicht über den Tellerrand schauen wollte und sich mal lockermachen sollte. Wissenschaft hätte auch nicht alle Antworten. Wir kennen alle die hohlen Floskeln der Gläubigen. Meistens vermied ich weitere Aufklärungsversuche – um des lieben Friedens willen, aber ab und zu konnte ich einfach nicht schweigen. So etwas kostete und kostet immer noch Freundschaften.

Mit den Homöopathen kamen auch die Impfgegner in meinen Freundeskreis und immer hatte das alles etwas mit dem Internet zu tun. Zeit, mal wieder ins Internet zu gehen. Zeit, das Internet zu reparieren. Oh! Was war ich naiv …

In den folgenden Jahren war ich Einzelkämpfer bei Facebook, Google+ und Youtube. Die Skeptikerszene schien sich im Internet bzw. in den sozialen Medien noch nicht formiert zu haben. Ich war natürlich nicht der einzige Einzelkämpfer, aber wir waren klar in der Unterzahl, was das Verhältnis zwischen „Aufklärern“ und der „Mir hats aber geholfen/Pharmamafia“-Fraktion anging.

Und wie kamst Du zum INH?

Irgendwann schenkte mir meine Frau eine Mitgliedschaft bei der GWUP zu Weihnachten und damit auch ein Abo des „Skeptiker“. Dadurch wurde ich auch auf das INH und „Susannchen“ aufmerksam, die zu diesem Zeitpunkt noch von jemand anderem gezeichnet wurde.

Erwin Einhorn

Da ich aus der Werbung komme und ein bisschen Know-how mitbringe, was Gestaltung und Corporate Design angeht, erkannte ich schnell, dass ich hier mit meiner beruflichen Qualifikation etwas wirklich Sinnvolles anstellen könnte. Susannchens erster Auftritt war zwar sehr liebevoll gezeichnet und enorm engagiert, wirkte aber etwas bunt zusammengewürfelt. Es fehlte der gestalterische „rote Faden“. Deswegen nahm ich Kontakt mit dem Team rund um Susannchen auf, weil ich dachte, das lässt sich mit überschaubarem Aufwand noch ein wenig optimieren.

Anfangs stieß ich wohl auf eine gewisse Skepsis, da meine Motivation und meine Absichten nicht ganz klar waren (weswegen ich bei der ersten Frage auch so weit ausgeholt habe), aber als ich dann einen ersten Entwurf eines neuen Susannchens und auch ein entsprechendes Logo vorlegte, kamen wir schnell miteinander ins Gespräch.

Wir haben uns über die zentralen Themen und die Zielgruppe ausgetauscht und die „Susannchen-Memes“ entwickelt, die es auf einige Plakatwände geschafft haben und inzwischen auch recht präsent in den deutschsprachigen sozialen Netzwerken sind. Kurze, knackige Aussagen zum Thema Homöopathie, Impfen und Kinderkrankheiten, die das entsprechende Halbwissen zu diesen Themen aufgreifen und mit einfachen Worten richtig stellen – immer in Kombination mit „Susannchen“, „Max“, „Bello“ oder „Hannibal“ , dem Kater. Dass auch Tiere in Susannchens Mikrokosmos vorkommen, ist uns sehr wichtig, weil sie neben Kleinkindern ganz besonders hilflose „Opfer“ homöopathischer (Nicht-) Behandlungen sind.

Danach riefen wir die Webseite „Susannchen.info“ ins Leben, die farblich und gestalterisch zum „Susannchen“-Gesamtkonzept passen sollte. Die Zusammenarbeit mit Susanne Aust, Udo Endruscheit und Natalie Grams ist großartig.

Ich bin also weniger im Team-INH, sondern vielmehr im Team-„Susannchen“

Was sagst Du zum Vorwurf der „Gegenseite“, dass wir Skeptiker von irgendwelchen Lobbygruppen bezahlt würden?

Was soll ich dazu sagen? Man glaubt es kaum, aber wir Skeptiker sind wirklich derart bekloppt, dass wir das unentgeltlich machen – im Gegensatz zu den Werbe-, Marketing- und Social-Media-Agenturen, denen von Seiten der namhaften Homöopathie-Hersteller (Hier könnte man den Umsatz der namhaften Hersteller einsetzen) geschätzte 6- bis 7-stellige Beträge als Budget zur Verfügung stehen, um die Werbetrommel FÜR die magischen Zuckerkugeln und GEGEN die Aufklärer zu rühren.

Obwohl… Wenn ich ganz ehrlich bin, erhalte ich aus der „Susannchen-Propaganda-Zentrale“ von Zeit zu Zeit ein Care-Paket als Ausgleich für meine Bemühungen in Form von selbstgebackenem Eierlikörkuchen und Plätzchen mit Globuli-Streuseln. Ja! Ich bin käuflich! Shame! Shame! Shame!

Du bist ja schon einige Zeit im Netz zu diesem Thema vertreten. Hat sich die Diskussion im Laufe der Jahre geändert?

Die Diskussion mit den Homöopathie-Anhängern hat sich in den letzten zehn Jahren nicht großartig verändert. Sie haben ihre in Beton gemeißelten Überzeugungen und kommen immer und immer und immer wieder mit ihren tausendfach widerlegten Pseudo-Argumenten, wie „Wer heilt hat recht“, „aber bei Tieren und kleinen Kindern wirkt es doch auch“, „du hast keine Ahnung von Homöopathie“ und dem ganzen Sermon, den wir alle zur Genüge kennen. Jemanden aus dieser Klientel zu erreichen, mit Fakten und sachlichen Argumenten zu überzeugen und aus seinen festgefahrenen Denkmustern zu befreien, ist so gut wie unmöglich. Bei Facebook diskutiere ich mit solchen Leuten eigentlich nur noch wegen der stillen Mitleser, die sicherlich sehr schnell erkennen, wie wertlos die vermeintlichen Argumente der Homöopathie-Fans sind.

Eines stelle ich aber immer wieder fest: Der Widerstand gegen die Homöopathie und vergleichbare haltlose ‚Heilsleeren‘ hat in den letzten zwei Jahren in den sozialen Netzwerken und auch in den Medien deutlich zugenommen. Homöopathie wird deutlich kritischer beleuchtet. Was mir Sorgen bereitet, ist aber auch, dass der Ton gegenüber den Homöopathie-Anhängern sehr viel rauer und in einigen Fällen sehr unsachlich geworden ist. Das lässt uns Skeptiker und Aufklärer manchmal etwas doof dastehen. Gerade dem „Informationsnetzwerk Homöopathie (INH)“ wird inzwischen fast alles „zugeschrieben“, was an – mehr oder weniger qualifizierten – homöopathiekritischen Äußerungen im Netz zu finden ist.

Ich bin wirklich kein Vertreter der Political Correctness und stehe zu klaren Ansagen, die innerhalb der Skeptiker-Community auch schon auf Kritik gestoßen sind, aber ich denke, wer die knallharten wissenschaftlichen Fakten auf seiner Seite hat, braucht nicht unsachlich oder gar beleidigend zu werden.

Woran liegt es deiner Meinung nach, dass das Internet heute so ist, wie es ist?

Ich zitiere mal das Duo Oliver Welke/Dietmar Wischmeyer: „Das Internet: ‚Da treffen sich alle Dorftrottel und bestätigen sich in ihrer Vertrotteltheit.‘“

Was können wir dafür tun, dass es wieder besser wird?

Wenn jemand Unsinn von sich gibt – egal wo – immer sachlich dagegenhalten. Auch wenn man diesen jemand nicht direkt erreicht, es gibt sie immer: die stillen Mitleser/-hörer, die man noch mit vernünftigen Argumenten erreichen kann.

Eine Frage noch zum Abschluss. Du zeichnest ja die Susannchen-Cartoons. Wie ist das, wenn man sein eigenes Werk groß auf Plakatwänden sieht?

Ich habe die Hoffnung, dass wir mit unseren Themen die Menschen erreichen und etwas Aufklärung in die Welt bringen. „Susannchen“ ist unsere Greta.

Vielen Dank, lieber Sascha für dieses interessante Interview. Wir sind natürlich alle gespannt, was für tolle Memes Du noch in petto hast.

Ach ja, die Familienseite des INH „Susannchen braucht keine Globuli“ könnt ihr HIER besuchen. Solltet ihr machen!

Ein Gedanke zu “Warum ich Kritik an der Homöopathie wichtig finde – Heute: Sascha

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