Gelesen: Koock, Ulrike: Frau Doktor, wo ich Sie gerade treffe…

Die Allgemeinmedizin ist wohl der Fachbereich der Medizin, der in den Augen der Öffentlichkeit den wenigsten Glamour hat. Keine dramatischen Notfälle a la Emergency Room und kein Schickimicki wie bei manchen Schönheitschirurgen. Dabei ist die Allgemeinmedizin als erste Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten die „Thin Red Line“ unseres Gesundheitssystems. Die klassische Ausprägung des Allgemeinmediziners finden wir im Landarzt, der nicht nur die medizinische Versorgung sicherstellt, sondern auch eine der tragenden Säulen einer dörflichen oder kleinstädtischen Gesellschaft darstellt.

Ulrike Koock ist eine dieser klassischen Landärztinnen, für die ihr Beruf mehr Berufung als reiner Broterwerb ist, und sie hat ein Buch geschrieben, in dem sie uns ihren Alltag näher bringt. Bereits der Titel „Frau Doktor, wo ich Sie gerade treffe…“ zeigt, dass es sich hier nicht um einen 9 to 5-Job handelt.

Anhand einer exemplarischen Arbeitswoche nimmt sie uns mit in ihre Praxis und wir lernen die verschiedenen Typen ihrer Patientinnen und Patienten mit ihren unterschiedlichen Wehwehchen und Krankheiten kennen. Dabei erstrecken sich die Probleme, die die Menschen in ihr Behandlungszimmer führen von Zecken an unzugänglichen Körperstellen über Schlaflosigkeit oder Würmer im Stuhl hin zu ernsthaften Erkrankungen. Diese Erkrankungen nimmt Koock dafür her, ihren Leserinnen und Lesern die jeweiligen Themenkomplexe verständlich zu erläutern. Dabei lernen wir nicht nur einiges über die Vorgänge in unserem Körper, sondern auch, dass selbst belächelte oder nach außen hin unbedeutende Beschwerden bei den Betroffenen einen ganz eigenen Leidensdruck hervorrufen.

Wir lernen aber auch die verschiedenen Typen von Patientinnen und Patienten kennen. Sei es den jungen Mann, der sich mit einem „gelben Zettel“ vor der anstehenden Klausur retten möchte, sei es die besorgte Mutter, die der Ärztin einen Beutel Kot der Tochter unter die Nase hält oder der freundliche Rentner, der einfach mal vorbei schaut, um einen Eimer Marillen vorbei zu bringen. Aber auch Menschen wie der barsche ältere Mann sind dabei, die sich partout nicht von einer Frau behandeln lassen wollen. (Ein noch immer verbreiteter Unsinn. Kompetenz lässt sich nicht an den Geschlechtsorganen der/s Behandlers/-in festmachen) Und vor allem lernen wir, dass für Landärzte der Spruch „Ab Freitag um Eins macht jeder seins“ nicht gilt. Egal ob beim Einkaufen oder bei der Gartenarbeit, man ist nie wirklich dienstfrei.

Es ist ein liebenswertes Buch, das Ulrike Koock hier abgeliefert hat. Man merkt ihr die Liebe zu ihrem Beruf und zu ihren PatientInnen mit jedem Wort an. Das macht das Buch authentisch und erzeugt eine angenehme Atmosphäre beim Lesen. Man fühlt sich einfach wohl bei der Lektüre. Obschon die Autorin bereits journalistisch gearbeitet hat, schreibt sie doch nicht wie eine Journalistin und das ist gut so. Das Buch liest sich eher wie ein Gespräch mit einer guten Freundin beim Sonntags-Nachmittags-Kaffee im Garten.

Auch bei Themen wie dem Rauchen oder Alkohol wird die Autorin nie oberlehrerhaft und lässt den moralisch erigierten Zeigefinger stecken, neigen andere ärztlichen Autorinnen und Autoren bei solchen Themen doch gerne zum eifern, wenn nicht sogar zum geifern. Es wird bei den erklärenden Teilen auch nicht zu fachlich-technisch, Koock erklärt hier selbst komplexe Zusammenhänge verständlich und übersichtlich.

Von daher kann ich nur das Fazit ziehen, dass „Frau Doktor, wo ich Sie gerade treffe…“ perfekts „Infotainment“ ist, also die Mischung aus Information und Entertainment, wie man heutzutage so schön sagt. Deswegen wünsche ich dem Buch viele, viele Leserinnen und Leser und empfehle es jedem.

Koock, Ulrike: Frau Doktor, wo ich Sie gerade treffe…
Broschiert: ISBN 9783426790915, 16,99€
E-Book: ISBN 9783426459591, 12,99€

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