Die Sache mit dem Illuminatenorden

Hach ja, der Illuminatenorden. Den gibt es seit fast 250 Jahren nicht mehr, aber angeblich steckt er ja mit den Freimaurern, den Juden und den Jesuiten hinter allem Übel dieser Welt.

Gegründet wurde der Illuminatenorden am 1. Mai 1775 noch unter dem Namen „Bund der Perfektibilisten“ mit der Eule der Minerva als Wappentier von Adam Weishaupt, einem Professor für Kirchenrecht und praktische Philosophie an der Universität Ingolstadt. Weishaupt wollte damit an der Aufklärung interessierte Studenten um sich scharen, um die starke Dominanz der ehemaligen Jesuiten, die nach dem Verbot ihres Ordens 1773 an der Universität Ingolstadt dort als Professoren angenommen wurden, zu brechen. Weishaupt wollte ganz im Geist der Aufklärung Wissen ansammeln. Den Namen Illuminatenorden bekam der Bund erst 1778.

1780 hatte der Orden in etwa 60 Mitglieder, war vollkommen chaotisch in der Organisation und die Führung untereinander oftmals im Streit.

Dies änderte sich, als am 1. Juli 180 Adolph Freiherr Knigge (Ja. Genau. DER Knigge) eintrat. Ursprünglich war Knigge Freimaurer in Frankfurt am Main, wurde aber von einem Mit-Freimaurer für die Illuminati angeworben worden. Er führte eine Struktur ein, die derer der Freimaurer sehr ähnlich war, ebenfalls mit einem System von Gradstufen, die als Hochgrade der Freimaurer fungieren sollten. Mit der Mischung der beiden Organisationen sollte die Welt erleuchtet werden.  Knigge entwickelte dazu ein Narrativ, das er Weishaupt am 13. Juli 1781 brieflich mitteilte: Demnach habe es schon immer eine kleine Gesellschaft von Männern gegeben, „welche sich dem Verderbniß, und den Pfaffen-Künsten entgegengesetzt haben“ und die ältesten Quellen von Religion und Philosophie genutzt hätten, um diese zu reinigen. Sie seien die wahren Urheber der Aufklärung. Sie hätten den Freimaurer „Spartacus“ in ihre Weisheit eingeweiht, der daraufhin die Gesellschaft der Illuminaten gegründet habe. Diese Vorstellung, einer jahrhundertealten Verbindung beitreten zu können, die durchsetzungsstärker sei als alle anderen Geheimbünde, erwies sich als enorm werbewirksam.

Der Orden wuchs nun recht schnell und begann auch, prominente Persönlichkeiten seiner Zeit für sich zu gewinnen. Darunter Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried Herder, Wolfgang Amadeus Mozart, Johann Heinrich Pestalozzi oder Maximilian von Montgelas. Nun begannen sich die bayerischen Behörden für den Orden zu interessieren, da auch immer mehr, auch recht hohe, Beamte und Würdenträger dort Mitglied wurden. Am 22. Juni 1784 wurden dann per Dekret des bayerischen Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz alle Zusammenschlüsse, die ohne seine Genehmigung gegründet worden waren, verboten. Dies wurde am 2. März 1785 erneuert und erstreckte sich auch explizit mit auf die Freimaurer. Auch Pius VI. erklärte die Mitgliedschaft bei den Illuminaten für unvereinbar mit dem katholischen Glauben.

1785 suspendierte sich der Bund selbst, aber es gab durch einzelne Mitglieder immer wieder versuche, den Orden am Leben zu erhalten. Im August 1787 erließ der bayerische Kurfürst ein weiteres Verbot, in dem die Anwerbung von neuen Mitgliedern für den Illuminatenorden und die Freimaurerei die Todesstrafe nach sich zog. Danach war der Orden Geschichte.

Allerdings nicht für Verschwörungstheoretiker und Aluhutträger jeglicher Fasson. Die Illuminaten wurden immer wieder mit der ganz langen Kette aus der Versenkung hervorgeholt, wann immer irgendetwas in der Welt passiert.

Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg? – Die Illuminaten (eher nicht, der fand vor der Gründung des Ordens statt)

Die Französische Revolution? – Die Illuminaten waren es (auch das eher nicht… Wir kennen heute die Ereignisse, die zum Ausbruch der Revolution führten und weder Illuminaten noch Freimaurer spielten da eine Rolle)

In den Vereinigten Staaten kam es 1798 zu einer regelrechten Illuminaten-Panik, als puritanische Geistliche wie Jedidiah Morse und Timothy Dwight IV. Robisons und Barruels Verschwörungstheorien auf die innenpolitische Situation ihres Landes bezogen. Für sie stellten die Demokratisch-Republikanische Partei und namentlich deren Gründer Thomas Jefferson, der sich 1785 bis 1789 in Paris aufgehalten hatte, die aktuelle Ausprägung der Illuminaten dar, die angeblich nicht nur die gemäßigt-konservative Regierung der Föderalistischen Partei unter Präsident John Adams, sondern gleich das gesamte Christentum abschaffen wollten. Ein Ergebnis dieser weitverbreiteten Befürchtung waren die Alien and Sedition Acts, die es Ausländern erschwerten, die amerikanische Staatsbürgerschaft zu erwerben und jede „falsche, skandalträchtige und bösartige Veröffentlichung gegen die Regierung der USA“ unter Strafe stellten.

Mit dem Aufkommen des pseudowissenschaftlichen Rassismus und der Rassenlehre im ausgehenden 19. Jahrhundert kamen dann auch die Juden ins Spiel und Freimaurer und Illuminaten wurden zu willigen Vollstreckern des Weltjudentums, die Schuld an der Arbeiterbewegung, Oktoberrevolution, Sozialismus, Kommunismus und sonstigen Gedöns gaben. Auch die Gründung des Völkerbundes als überstaatliche Organisation sahen sie als Vorstufe zur Weltregierung an. Als dann nach dem Ersten Weltkrieg auch noch die „Protokolle der Weisen von Zion“ populär wurden, meinten die Verschwörungstheoretiker dann, eine legitime Quelle für ihre Behauptungen zu haben.

Der Mythos vom Fortbestand des Ordens wurde im 20. Jahrhundert unter anderem von einigen okkultistischen oder theosophischen Gruppen genährt, die versuchten, sich selbst als die angeblich jahrzehntelang im Untergrund verschwundenen Illuminaten zu stilisieren. 1896 gründete zum Beispiel der Okkultist Leopold Engel den Weltbund der Illuminaten, der die Nachfolge von Weishaupts Orden beanspruchte. 1929 wurde dieser eingetragene Verein wieder aus dem Berliner Vereinsregister gelöscht. Auch der 1912 entstandene sexualmagische Ordo Templi Orientis oder die 1978 gegründeten Illuminaten von Thanateros versuchen, sich in eine Traditionslinie mit den bayerischen Illuminaten zu stellen, doch haben sie mit dem aufklärerisch-rationalistischen Orden Weishaupts, Bodes und Knigges nichts zu tun.

Auch die in den Büchern von Jan Udo Holey, der unter dem Namen „Jan van Helsing“ bekannt ist, nimmt der Illuminatenorden einen prominenten Platz ein, wobei Holey von einer geheimen Weltverschwörung ausgeht. Die Illuminaten selbst seien „von außerirdischen gesteuerte jüdische Blutsauger“.

Warum ist das aber so? Warum wird der Illuminatenorden noch gut 250 Jahre nach seinem Ende immer wieder Teil von Verschwörungstheorien?

Ein Teil der Faszination kommt sicherlich daher, dass der Orden eine tatsächliche Geheimgesellschaft war. Die Geheimhaltung, die mit solchen Organisationen einhergeht, und ihre historische Bedeutung als eine der bekanntesten Geheimgesellschaften tragen dazu bei, dass sie auch nach ihrem Ende weiterhin faszinierend sind.

Man kann diese Verschwörungssache auch als eine Art „Perpetuum Mobile“ sehen. Dadurch, dass der Illuminatenorden in verschiedenen Verschwörungstheorien als zentrale Figur dargestellt wird, die angeblich die Weltregierung oder andere Formen von geheimen Machenschaften kontrolliert, trägt dies dazu bei, das Bild des Ordens als eine mysteriöse und mächtige Organisation zu festigen, wodurch er auch immer wieder bei neuen Verschwörungstheorien auftaucht. Auch werden die Symbole und Ideen des Illuminatenordens von verschiedenen Gruppen und Bewegungen heute weiterverwendet, sei es aus historischem Interesse, aus esoterischen Gründen oder einfach als Symbol für Geheimhaltung und Macht.

Ein großer Part, dass die Illuminaten noch immer so prominent in den verschiedensten Verschwörungstheorien eingewoben sind, liegt sicherlich auch an der ständigen Rezeption in der Populärkultur. Seien es die Bücher von Robert Shea und Robert A. Wilson, Umberto Eco oder Dan Brown. Überall tauchen die Illuminaten mit ein. Nach der Verfilmung von Dan Browns „Illuminati“ („Angels & Demons“ im Original) setzte ein richtiggehender Illuminatenhype ein.

Nachdem die Schriftsteller und Regisseure ihre Bücher und Filme ja unabhängig von Fakten fabrizieren, verbreiten sie zahlreiche Behauptungen und Darstellungen, die in keinster Weise der historischen Wahrheit entsprechen, aber trotzdem von einem Teil des Publikums geglaubt werden.

Besonders populär ist die in einigen dieser Romane verbreitete Idee, die Illuminaten verständigten sich über geheime Zeichen und Codes und hätten bestimmte Symbole verwendet, um ihre Existenz für Eingeweihte und findige „Symbolologen“ erkennbar zu machen, darunter das Allsehende Auge, auch als Abschlussstein der unfertigen Pyramide auf der amerikanischen Ein-Dollar-Note, die Zahl 23 und Ambigramme. Keines dieser Symbole lässt sich jedoch historisch mit den Illuminaten in Verbindung bringen; sie benutzten nur ein Emblem, die Eule der Minerva, Symbol der Weisheit.

Ich selber wusste ja nie, was es mit der „23“ auf sich hat und warum diese Zahl die Zahl der Illuminaten sein soll. Bekannt war mir nur, dass die Zahl 23 laut Carl Gustav Jung das Symbol für Synchronizität und Zufall ist. In Jungs Konzept der Synchronizität geht es darum, scheinbar zufällige Ereignisse oder Muster zu erklären, die keine kausale Verbindung haben. Aber das hat mit den Illuminaten ja nichts zu tun.

In der „normalen“ Zahlenmystik und im Okkultismus wird die Zahl 23 als eine Art mystische Zahl betrachtet, die mit Geheimnissen, Transformation und spiritueller Erkenntnis verbunden ist. Sie kann als ein Symbol für die Verbindung zwischen dem Materiellen und dem Spirituellen angesehen werden. In der Numerologie, einer esoterischen Praxis, die Zahlen mit bestimmten Eigenschaften und Bedeutungen verknüpft, wird die Zahl 23 oft als eine Kombination aus den Eigenschaften der Zahlen 2 und 3 betrachtet. Die Zahl 2 steht oft für Dualität, Partnerschaft und Harmonie, während die Zahl 3 für Kreativität, Ausdruck und Vollständigkeit steht. Zusammen können sie verschiedene Bedeutungen haben.

Die Verbindung zum Illuminatenorden wurde von den schon genannten Autoren Robert Shea und Robert A. Wilson in ihrer „Illuminatus!“-Trilogie behauptet. In den Büchern spielt die Zahl 23 eine prominente Rolle und wird als eine Art universelle Zahl des Chaos und der Synchronizität dargestellt. Mit dem 1785 verbotenen bayerischen Orden hat die Zahl nachweislich nichts zu tun. Vielmehr kann die Mystifikation von Shea und Wilson um die Zahl als ein „Mindfuck“ verstanden werden, ein erhellendes Experiment am eigenen Bewusstsein, das dessen Manipulierbarkeit verdeutlichen soll: Da im Buch immer wieder betont wird, welche große und unheilvolle Bedeutung die Zahl angeblich habe, achtet der Leser, ohne es bewusst zu merken, vermehrt auf diese Zahl, sodass sich der unheimliche Eindruck einstellt, sie tauche sowohl im eigenen Leben als auch in der Weltgeschichte überproportional häufig auf. Dieser Effekt ist aber nicht in der Realität, sondern in der durch die Lektüre des Buches auf die Zahl fokussierten selektiven Wahrnehmung begründet. Nachdem dieses 23-Ding dann von anderen Autoren oder Regisseuren aufgegriffen wurde, fand es immer weiter Verbreitung.  

Wenn ich mir die Rezeption in der Populärkultur so anschaue, dann erschreckt es mich schon zu sehen, wie bereitwillig Menschen Romanen oder Unterhaltungsfilmen Glauben schenken. Mit der historischen Realität hat dies alles jedoch nichts zu tun. Der Illuminaten-Orden wurde verboten und hat sich daraufhin in alle Winde zerstreut.

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