Gelesen: Sebastiani, André: Anthroposophie – Eine kurze Kritik

Die Anthroposophie ist eine fette Filzlaus im verfilzten Fell der Weltanschauungen. Ein Konglomerat menschenverachtender Aussagen und Ansichten, die sich ein einzelner Mensch ausgedacht hat und diese per quasi-religiöser Behauptung von Visionen versuchte zu legitimieren.

Ihr merkt, bei dem Thema geht mir die Galle auf. Und deswegen freue ich mich sehr, dass André Sebastiani sich mit der Anthroposophie sachlich und nüchtern auseinandergesetzt hat. Meinen allergrößten Respekt dafür, mir fiele dies schwer.

Sein Buch „Anthroposophie – Eine kurze Kritik“ ist im Alibri-Verlag erschienen und mit seinen 176 Seiten eine hervorragende Übersicht über diese Weltanschauung. Der Autor ist selbst Lehrer und so hat er schon von Berufswegen Interesse an Waldorfpädagogik und der dahinterstehenden Weltanschauung. Hierüber hat er beispielsweise auch schon mal beim skeptischen Podcast Hoaxilla erzählt.

André Sebastiani beginnt mit einer umfassenden Übersicht zur Anthroposophie und ihrem Erfinder Rudolf Steiner und kommt schon hier zu der Erkenntnis, dass man die Anthroposophie auf Grund der fehlenden Intersubjektivität und Überprüfbarkeit nicht als Wissenschaft bezeichnen kann. Spätestens im Abschnitt „Planetenentwicklung und Kulturstufen“ wird aufgezeigt, welche elendige Schwurbelei Steiners Gedankenkonstrukt ist. Ich hoffe jedenfalls, dass der Autor für die Beschäftigung mit diesem Blödsinn ein Schmerzensgeld bekommen hat, ich bekam nur Kopfschmerzen davon.

Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich mit dem Menschenbild Steiners und dessen Rassenlehre, die ja auch bei den Nationalsozialisten großen Anklang gefunden hatte. Nicht umsonst war die Verbindung zwischen den anthroposophischen Einrichtungen und den Nazis recht eng. Auch hierzu gibt es bei Sebastiani einen umfangreichen Abschnitt.

Wie gesagt, der Autor ist Lehrer, deswegen richtet er seinen besonderen Augenmerk natürlich auf die Waldorfpädagogik, die im zweiten Kapitel erläutert wird. Vom bekannten „Namen tanzen“ im sog. Eurythmieunterricht bis hin zur Frage, warum Waldorfschulen wird in den jeweiligen Abschnitten fundiert und sachlich eingegangen.

An dieser Stelle möchte ich auch noch darauf eingehen, was mir in der Konzeption des Buches sehr gut gefallen hat. Wir haben fünf Hauptkapitel, die wieder in Unterkapitel gegliedert sind. Diese Unterkapitel wieder beginnen mit einer Behauptung zum Thema. Beispiel: „Waldorfschulen unterrichten keine Anthroposophie.“ Worauf eine ausführliche Aufarbeitung dieser Behauptung folgt. Zum Schluss kommt dann noch ein Fazit, wo diese Aufarbeitung kurz und knapp zusammengefasst wird. Das gefällt mir sehr gut, hat man damit doch prägnante Zusammenfassungen, aus denen man sich – beispielsweise in Diskussionen – schnell und fundiert informieren kann. Das gibt schon ein goldenes Sternchen als Sonderlob im Klassenbuch 😉

Vergleichsweise kurz, aber doch ausführlich genug, werden die Bereiche „Anthroposophische Medizin“ und „Biologisch-Dynamische Landwirtschaft“ behandelt. Und gerade hier, in diesen Bereichen zeigt sich für mich der Irrwitz der Anthroposophie am besten auf, treffen doch esoterische Vorstellungen auf Naturwissenschaften. Und jetzt mal ehrlich, die Vorstellung, dass die Hörner einer Kuh Antennen sind, die kosmische Schwingungen auffangen, ist halt doch schon etwas arg lächerlich. Aber ich werde schon wieder polemisch…

Um zu einem Fazit zu kommen: André Sebastiani gehört großer Dank, dass er das komplexe Thema der Anthroposophie auf kurze, aber doch fundierte Art und Weise hier aufgearbeitet hat. Der Stil ist sachlich-nüchtern und auch so, dass sich Laien in diesem Thema zurecht finden.

Von daher lautet das Onkel Michael-Prädikat für gelesene Bücher: SEHR GUT! Wer sich für das Thema Anthroposophie interessiert kommt um dieses Buch nicht herum. Geht gleich los und holt es euch!

7 Gedanken zu “Gelesen: Sebastiani, André: Anthroposophie – Eine kurze Kritik

  1. „Sachlich und nüchtern mit der Anthroposophie auseinandergesetzt“ hat sich auch Harry Rowohlt – Schriftsteller, Kolumnist, Übersetzer, Rezitator und Schauspieler.
    Harry Rowohlt wurde immer wieder öffentlich als “prominenter Waldorfschüler” genannt. Er hat aber nie eine Waldorfschule besucht. Sondern die “Walddörfer Schule” in Hamburg, was er in einem pointierten Leserbrief an die “taz” klar stellte. Bernd Durstewitz befragt Harry Rowohlt dazu in einem Telefoninterview.
    Durstewitz: “Haben Sie etwas dagegen, mit der Waldorfschule in Verbindung gebracht zu werden?”
    Rowohlt: “Alles. Wegen der ewigen Verwechselung habe ich mich mal mit den Schriften Rudolf Steiners beschäftigt. Da fand ich eine schöne Textstelle: ‘Der Blonde, Blauäugige ist dem Dunkelhaarigen, Braunäugigen intellektuell überlegen, weil bei Letzterem zuviel Geisteskraft in die Pigmentierung fließt’. Das wäre geeignet gewesen für ein Quellenverzeichnis von Hitlers ‘Mein Kampf’. Töne wie aus einer undichten Gummizelle!”
    Was hat Harry Rowohlt da nur gelesen? Das … siehe hier: https://hpd.de/artikel/10216

    1. „Das Buch mußt Du in der Übersetzung von Harry Rowohlt lesen. Im Original geht da viel verloren!“

      was kein Grund sein soll, nicht doch mal einen Blick auf den Steiner-Original-Wahn zu werfen, es gibt noch mehr als „blond und blauäugig“ …: https://hpd.de/artikel/10216

  2. Sebastiani sachliche Auseinandersetzung mit einer selbst von großen Firmen (Bosch, Siemens, Mahle) finanziell reichlich unterstützen Sekte des selbsternannten Sehers Rudolf Steiner sollte für alle Eltern, die erwägen, ihre Kinder auf die Waldorfschule zu schicken, Pflichtlektüre sein.
    Steiners zusammenfantasierten Mumpitz-Wahn kann kein normaler Mensch ohne geistige Blähungen verdauen. Die Zitate, die André Sebastiane immer wieder einfügt, reichen völlig aus, um das Urteil des „Spiegel“ zu bestätigen: „Einer der großen Irren der deutschen Kulturgeschichte.“
    Ich möchte hier auch auf meinen Artikel hinweisen, der am 1. Juli in der Humanistischen Presseschau erschienen ist: „Erziehung auf der Basis eines Geistersehers.“ https://hpd.de/artikel/erziehung-basis-eines-geistersehers-16973?nopaging=1

    1. … wie tief verankert die Anthroposophie in der deutschen Gesellschaft ist, zeigt die deutsche Nachrichtensendung Nummer eins:

      “Werbeunterbrechung für Waldorfschulen in den Tagesthemen
      Öffentlich-rechtliche Berichterstattung sollte ausgewogen sein und bei strittigen Themen stets alle Seiten zeigen. Doch genau dies geschah in einem völlig kritikfreien Beitrag über Waldorfschulen, der gestern [3.9.2019] von den ARD-Tagesthemen ausgestrahlt wurde, nicht. Ob es daran liegen könnte, dass die Journalistin, die den Beitrag erstellt hat, selbst eng mit der Waldorfschul-Welt verbunden ist?
      “Wir unterbrechen die Tagesthemen für eine Werbesendung der Waldorfschulen”, wäre meine Anmoderation für den Beitrag “100 Jahre Waldorfschule” in den Tagesthemen vom 3. September 2019 gewesen – Caren Miosga sagt aber (ab 0:23:40):
      (…)“
      weiter beim „Humanistischen Pressedienst“, „hpd“: https://hpd.de/artikel/werbeunterbrechung-fuer-waldorfschulen-den-tagesthemen-17166

  3. Wie wird eine öffentliche Debatte um Rudolf Steiners Rassismus verhindert? Wie werden Waldorfeltern, die von Steiners „Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse“ irritiert sind, beruhigt? Mit der „Stuttgarter Erklärung“ …:

    „Rudolf Steiners Rassismus und die ‘Stuttgarter Erklärung’

    Humanistischer Pressedienst, 23. Juni 2020

    Wenn irgendwo über Rudolf Steiners Rassismus gesprochen wird, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der erste Anthroposoph zur Verteidigung Steiners die „Stuttgarter Erklärung“ präsentiert. Der „erste Anthroposoph“ ist dann auch schon mal der Sprecher und Vorstand des „Bundes der Freien Waldorfschulen“, Henning Kullak-Ublick (…)“

    weiter: https://hpd.de/artikel/rudolf-steiners-rassismus-und-stuttgarter-erklaerung-18182

    1. „Offener Brief an Henning Kullak-Ublick,
      Sprecher und Vorstand des ‘Bundes der Freien Waldorfschulen’.

      Berlin, 10. Juli 2020

      Sehr geehrter Herr Kullak-Ublick,

      ich bitte um Ihre Stellungnahme zur „Stuttgarter Erklärung“ des „Bundes der Freien Waldorfschulen“, zum Artikel des Humanistischen Pressedienstes: „Rudolf Steiners Rassismus und die ‚Stuttgarter Erklärung‘“.

      Meine Frage an Sie: Wieso spricht der „Bund der Freien Waldorfschulen“ in der „Stuttgarter Erklärung“ noch im Jahre 2020 von „vereinzelten Formulierungen“ Rudolf Steiners, die diskriminierend „wirken“?

      Unabhängige Anthroposophie-Experten wie Prof. Helmut Zander, Prof. Peter Staudenmaier und andere haben schon vor Jahren nachgewiesen, dass Rudolf Steiners Rassismus durch seine anthroposophische „Evolutionslehre“ – Steiners „Menschheitsentwickelung“ – verursacht ist. Steiners „Menschheitsentwickelung“ ist zentraler Bestandteil der Anthroposophie, ihr Beweggrund und Ziel. Steiners Rassismus ist also wesenhafter Bestandteil der Anthroposophie.

      Rudolf Steiner weist menschlichen „Rassen“1 unterschiedliche Wertigkeit zu. Nur die „Weiße Rasse“ ist laut Steiner zur Höherentwicklung fähig, andere „Rassen“ sind dem Untergang geweiht, Zitat Steiner:

      „Der Neger hat also ein starkes Triebleben. Und weil er eigentlich das Sonnige, Licht und Wärme, da an der Körperoberfläche in seiner Haut hat, geht sein ganzer Stoffwechsel so vor sich, wie wenn in seinem Innern von der Sonne selber gekocht würde. Daher kommt sein Triebleben. (…) Und so ist es wirklich ganz interessant: Auf der einen Seite hat man die schwarze Rasse, die am meisten irdisch ist. Wenn sie nach Westen geht, stirbt sie aus. Man hat die gelbe Rasse, die mitten zwischen Erde und Weltenall ist. Wenn sie nach Osten geht, wird sie braun, gliedert sich zu viel dem Weltenall an, stirbt aus. Die weiße Rasse ist die zukünftige, ist die am Geiste schaffende Rasse. (…) Und so werden in der Zukunft gerade aus den Rasseeigentümlichkeiten solche Dinge hervorgehen, die man kennen muss, damit man sich richtig hineinstellt ins Leben.“ (Rudolf Steiner, „Vom Leben des Menschen und der Erde. Über das Wesen des Christentums“, GA 349)

      Dazu sagt Prof. Helmut Zander: „Diese Aussagen, die Steiner 1923, zwei Jahre vor seinem Tod, von sich gab, sind kein Betriebsunfall in seinem Denken, sondern eher ein zusammenfassender Schlussstrich unter Überzeugungen, die Wurzeln in seiner Kindheit haben und die er seit seiner theosophischen Zeit evolutionstheoretisch aufgeladen und immer wieder geäußert hatte. ‚Degenerierte Indianer‘ und ‚passive Negerseelen‘ gehörten schon 1909 zu seinem weltanschaulichen Inventar, dazu kommen vergleichbare Vorstellungen zum Judentum (…)“ (Helmut Zander: „Die Anthroposophie – Rudolf Steiners Ideen zwischen Esoterik, Weleda, Demeter und Waldorfpädagogik“, Ferdinand Schöningh, 2019, Seite 196)

      Mit freundlichen Grüssen

      Andreas Lichte“

      veröffentlicht bei „Humanistischer Pressedienst“: https://hpd.de/artikel/anthroposophie-und-rassismus-18249

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