Warum ich Kritik an der Homöopathie wichtig finde – Heute: Prof. Dr. Dr. Ulrich Berger

Prof. Dr. Dr. Ulrich Berger ist Wirtschaftswissenschaftler und Mathematiker an der Wirtschaftsuniversität Wien. Dort leitet er seit 2011 das Institut für Analytische Volkswirtschaftslehre, wobei seine besonderen Interessen im Bereich der Spieltheorie und Netzwerkökonomie liegen
Im Bereich der Skeptiker-Bewegung ist er ein „Schwergewicht“. Er leitet die Gesellschaft für kritisches Denken (GkD) und ist Mitglied des Wissenschaftsrates der GWUP. Auf dem Portal Scienceblogs betreibt er den Blog „Kritisch gedacht„, wo er über Pseudowissenschaften und verwandte Themen schreibt.
Ich freue mich außerordentlich, dass Prof. Berger diesen Artikel für meine kleine Serie geschrieben hat
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Ich werde oft gefragt, wie ein Ökonom wie ich eigentlich dazu kommt, als Homöopathiekritiker aufzutreten. Wenn ich schlecht gelaunt bin, antworte ich, dass eigentlich jeder, der noch alle Tassen im Schrank hat, die Homöopathie kritisieren sollte. An besseren Tagen fasse ich die Frage als reiner Neugier oder historischem Interesse geschuldet auf und beginne damit, von meiner Jugend zu erzählen:

Als Teenager, Mitte der 80er Jahre, bekam ich nämlich von einem Tag auf den anderen Heuschnupfen, und gegen die tränenden Augen wurde mir von allen möglichen Seiten ein Mittel namens Similasan empfohlen, das kurz zuvor auf den Markt gekommen war. Es handle sich dabei um ein homöopathisches Mittel, wurde mir erklärt, aber damals konnte ich mit dem Begriff Homöopathie noch nichts anfangen. Was immer das ist, es klingt jedenfalls kompliziert und wird in Apotheken verkauft, also sollte es wohl auch wirken – so dachte ich damals in meiner kindlichen Naivität. Es wirkte freilich nicht, und ich wechselte nach kurzer Zeit zu anderen Tropfen.

Zu etwa der selben Zeit hatte ich ein großes Interesse an Naturwissenschaften, speziell an Physik und Mathematik, aber auch an allen möglichen Rätseln und Mysterien entwickelt und verschlang neben den populärwissenschaftlichen Büchern von Carl Sagan und Co. leider auch jene von Charles Berlitz und Erich von Däniken. Die populären Mathe-Rätselbücher des amerikanischen Unterhaltungsmathematikers Martin Gardner brachten mich wieder auf die richtige Spur, denn wie es der Zufall will, war Gardner auch einer der Gründerväter der amerikanischen Skeptikerbewegung. Über diesen Umweg stieß ich schließlich auf skeptische Literatur (in echten Bibliotheken, denn damals gab’s noch kein Internet!), las, was immer ich kriegen konnte und verstand langsam, warum UFOs nicht von fremden Sternen kommen, warum die Mondlandung nicht in einem Hollywood-Studio gefaked worden war, warum im Loch Ness wahrscheinlich doch kein Monster wohnt, warum Wünschelruten nicht funktionieren und nicht zuletzt, warum Homöopathie nicht wirkt. Rückblickend fühlte ich mich von Charles Berlitz, Erich von Däniken und den Similasan-Verkäufern belogen und betrogen, was mich richtig ärgerte. Also erklärte ich die Pseudowissenschaft zu meinem Feind und beschloss, sie fortan zu bekämpfen.

Die Homöopathie interessierte mich anfangs nicht besonders; sie erschien mir auch als allzu leichtes Opfer mit ihren dümmlichen Grundpfeilern des „Ähnlichkeitsprinzips“ und der unendlichen Verdünnung, mit ihren „geistartigen Kräften“ und ihren lächerlichen „Arzneimittelbildern“. Nur eine verschwindende Minderheit konnte solchen Unsinn ernsthaft glauben, war ich überzeugt. Ein großer Irrtum, wie sich schnell herausstellte. Tatsächlich ist die Homöopathie heute mit Abstand die bekannteste und am weitesten verbreitete aller Pseudowissenschaften; neben ihr verblassen Wünschelruten, Handy-Chips, Quantenmedizin und Co. Sie wird in Apotheken verkauft, von der Ärztekammer diplomiert, in Universitätslehrgängen gelehrt und durch gewaltige Marketingkampagnen propagiert.

Nachdem der Lancet 2005 aus Anlass der negativen Metaanalyse von Shang et al. etwas voreilig das Ende der Homöopathie verkündet hatte, warfen die heimischen Homöopathen die Medienmaschinerie an und gingen vermehrt mit „Informationsveranstaltungen“ zur Homöopathie an die Öffentlichkeit. Ich besuchte damals einige dieser Vorträge und fühlte mich bald wie Roy Batty in Blade Runner: „I have seen things you people wouldn’t believe…“. Das Wissenschaftsverständnis der meisten Homöopathen, soviel war mir bald klar, erschöpfte sich in einer sinnlosen Aneinanderreihung der Worte „Wassercluster“, „Information“ und „moderne Quantenphysik“. Nie werde ich vergessen, wie ein prominenter Homöopath tirumphierend eine CD in die Höhe hielt und meinte, wenn ein Chemiker diese untersuchen würde, fände er nur Kunststoff und Aluminium, und doch sei wie durch Magie die Musik von Mozart darauf gespeichert. Und ganz analog verhalte es sich mit der Homöopathie. Ein andermal diskutierten Globulifreunde mit einem „Wissenschaftsexperten“ des heimischen Homöopathenvereins, was man denn am besten gegen die fehlende Anerkennung durch die Wissenschaft tun könne. Man einigte sich auf die grandiose Idee, einen dicken Packen von hunderten von Heilungserfolgsberichten zu sammeln und diesen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zu übermitteln, verbunden mit der Forderung, diese möge doch bitte die Lehre von den Kügelchen jetzt offiziell wissenschaftlich anerkennen. Zum Glück für die Akademie kam es allerdings nie dazu.

Zu dieser Zeit, Mitte der Nullerjahre, war publizierte Homöopathiekritik Mangelware. Zwar gab es die Zeitschrift „Skeptiker“ der GWUP, Lambecks Büchlein „Irrt die Physik?“ und das Handbuch „Die andere Medizin“ von Federspiel & Herbst sowie die profil-Titelgeschichte contra Homöopathie (die dem Magazin massenhaft Abokündigungen bescherte), doch ansonsten glich die mediale Aufklärung über Homöopathie damals einer Wüstenlandschaft. Zu dieser Zeit war Muchs „Der große Bluff“ noch nicht erschienen, Berndts „Pillendreh“ gab es noch nicht, „Die Homöopathielüge“ von Weymayr & Heißmann war noch nicht geschrieben und auch Ernst & Singhs „Gesund ohne Pillen“ war genauso Zukunftsmusik wie Schmacke & Hontschiks „Glaube an die Globuli“, Austs „In Sachen Homöopathie“ oder Grams‘ „Homöopathie neu gedacht“; die ScienceBlogs und Psiram waren noch nicht geboren, vom Informationsnetzwerk Homöopathie (INH) ganz zu schweigen. Auch die Wissenschaft setzte damals noch vorrangig auf „nicht einmal ignorieren“; die Homöopathie-kritischen Stellungnahmen der europäischen Akademien der Wissenschaften sowie der britischen und australischen Gesundheitsbehörden lagen noch in ferner Zukunft.

Damals trat ich der GWUP und den Wiener Skeptikern bei, quälte mich durch Dutzende von methodisch schlechten Homöopathie-Studien und schrieb zuerst in meinem Blog „Kritisch gedacht“, später auch im Standard, im profil wissen und im Magazin „Das österreichische Gesundheitswesen“ gegen die Homöopathie an, nahm an 10:23-Aktionen ebenso Teil wie an Heinz Oberhummers „homöopathischem Vollrausch“, hielt homöopathiekritische Vorträge und machte bei Podiums- und TV-Diskussionen zur Homöopathie mit.

Aus Zeitmangel trete ich inzwischen etwas leiser, aber heute gibt es zum Glück viele gute, kritische Blogs (wie diesen hier), exzellente homöopathiekritische Literatur und Leuchttürme der Aufklärung über die Globulisierung wie das INH. Und das ist auch notwendig, denn die Homöopathie ist nach wie vor weit verbreitet und versteht es geschickt, sich als Naturheilkunde und sanfte Alternative zu tarnen. Sie ist auch nach wie vor gefährlich, und zwar weniger durch direkte Schädigung von Patienten (wie sie bei der Einnahme von hochdosierten Tiefpotenzen vorgekommen ist), sondern vor allem durch indirekte Gefährdung. Einerseits ist hier die Verschleppung oder Verhinderung einer wirksamen Therapie zu nennen, andererseits bietet die Homöopathie auch ein Einfallstor für Impfverweigerer nach dem Motto „Wer einen Unsinn glaubt, glaubt bald auch jeden anderen.“ Nicht zu vergessen ist die schleichende Volksverdummung durch die intellektuellen Zumutungen und die impertinenten Lügen, die das Kugerlmarketing verbreitet. Diese Verdummung hat reale Konsequenzen, und zwar keine positiven. Wer einmal auf den Mumpitz mit den heilenden Schwingungen hereingefallen ist, dem kann man danach etwa auch leichter esoterische Wasserbeleber und funktionslose Handy-Chips andrehen, die ja angeblich ebenfalls mit solchen Schwingungen arbeiten. Homöopathiekritik ist also nach wie vor wichtig. Genau genommen bin ich ja der Ansicht, dass jeder, der noch alle Tassen im Schrank hat, die Homöopathie kritisieren sollte. Aber das sagte ich, glaube ich, bereits.

8 Gedanken zu “Warum ich Kritik an der Homöopathie wichtig finde – Heute: Prof. Dr. Dr. Ulrich Berger

  1. Die Erde ist doch eine Scheibe, nicht wahr – – – ?

      1. Und wenn ihr euch mal schlau macht und kritisch hinterfragt (cui bono!), statt den Mainstream-Medien nach dem Mund zu reden, wüsstet ihr auch, dass genau diese Tatsache der Grund dafür ist, dass seit den frühen 70er Jahren die Molkereimafia weitere Mondflüge verhindert. Die haben quasi die komplette Raumfahrt-Industrie mit beiden Händen fest am Euter!
        Käsebergbau am Mond wäre praktisch das Aus eines weltweit agierenden Milchkartells.

  2. Meiner Familie haben homöopathische Präparate, vor allem bei Erkältungskrankheiten immer sehr gut geholfen, während klassische Medikamente wirkungslos blieben.

    1. Naja, nachdem Erkältungen erfahrungsgemäß ohne Medikamente 7 Tage und mit Medikamenten eine Woche dauert, dürften die homöopathischen Präparate höchsten auf Basis des Placeboeffekts etwas zur Steigerung des subjektiven Wohlbefindes beigetragen haben.

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