Ein Leserkommentar von Udo Endruscheit zum Artikel von Cornelius Courts

Wer wollte der ebenso pointierten wie eloquenten Kritik an der Homöopathie von Cornelius Courts widersprechen? Und doch… es gibt etwas darin zur Homöopathiekritik (dem Thema dieser kleinen Reihe), das ich durchaus geraderücken, dem ich etwas gegenüberstellen möchte, das ich für sehr, sehr wichtig halte.

Aus der wissenschaftlichen Sicht betrachtet mag die Homöopathiekritik ein intellektuelles Leichtgewicht, eine Feder sein. In der Praxis ist sie alles andere als das. Das kommt durch den Himalaya von Reputation und Fehlinformation, mit dem sie in breitesten Kreisen der Öffentlichkeit einhergeht, das kommt von dem enormen wirtschaftlichen Interesse, das durch die Homöopathiekritik ganz direkt tangiert wird, das kommt durch das Festhalten der Politik an einer unsinnigen Scheinmethode, auf dem sowohl die Reputation als auch die wirtschaftlichen Möglichkeiten einer bestens aufgestellten Lobby beruhen.

All das macht Homöopathiekritik in der Praxis, anders als der geschätzte Cornelius Courts das aus seinem Blickwinkel sehen mag, zu einer alles anderen als vergnügungssteuerpflichtigen Veranstaltung – und auch durchaus nicht zu einer intellektuellen Lockerungsübung.

Die Kritik muss sich ständiger scheinwissenschaftlicher „Nachweise“ einer rührigen weltweiten Liga von randständigen „Wissenschaftlern“ immer wieder neu erwehren. Ich stimme Cornelius Courts in seiner Forderung, die Homöopathie nicht ständig mit scheinwissenschaftlichem Treibstoff neu zu „betanken“, völlig zu – nur leider kann man nicht einfach den Hahn zudrehen. Erst recht nicht von seiten der Kritiker. Die Kritik ist der Notwendigkeit, ständig präsentierten, teils ausgeklügelten Unsinn ständig zu widerlegen, ständig ausgesetzt. (Am Rande: ich bin kein Anhänger der „Verabsolutierung“ einer Scientabilität im Sinne von Christian Weymayr, u.a. weil diese einen Bruch mit den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin bedeuten würde – ich wäre vielmehr für den Lösungsansatz von Steven Novella und seinen Mitstreitern von Science Based Medicine. Der liegt darin, bei der Beurteilung der Relevanz von Studienergebnissen nicht allein auf lineare Statistik zu setzen, die immer nur das Umfeld der einzelnen, individuellen Studie betrachtet. Novella und Co. setzen darauf, in jede Aussage einer Wirksamkeitsstudie mit den Methoden der Bayesschen Statistik den Grad der bisherigen Evidenz dessen, was man gerade untersucht, durchaus im Sinne der EBM mit einzubeziehen – das würde letztlich zu einem – völlig richtigen – „Absterben“ der homöopatischen Wirkungsforschung führen, indem sie sich sozusagen selbst widerlegt. Aber das nur am Rande.) Und diese Auseinandersetzung mit dem sich nach wie vor ständig erneuernden scheinwissenschaftlichen Schleier, der auch (vor allem?) der Beeindruckung des Publikums dient, ist keine intellektuelle Trivialität. Und ändern daran wird sich so schnell nichts. Die Kritik an den linearen statistischen Methoden zur Bewertung der Ergebnisse klinischer Studien mehren sich derzeit zwar enorm (vor allem wird das sogenannte p-value-hacking scharf kritisiert) und auch sehr prominente Wissenschaftskritiker wie John Ioannidis melden sich dazu zu Wort – aber bis die weltweite Wissenschaftsgemeinde einen solchen methodischen Paradigmenwechsel vollzieht und der sich durchsetzt, so lange sind die derzeitigen Homöopathiekritiker längst in Rente… Ganz abgesehen davon, dass die Hardcore-Homöopathieverteidiger längst begonnen haben, das Feld von der Auseinandersetzung über Wirksamkeitsstudien und dergleichen auf dasjenige der Epistemologie, der Auseinandersetzung darüber, was Wissenschaft überhaupt ist und sein soll, zu verlegen. Und das ist eine Front, die nicht preisgegeben werden darf, weil dies sonst einen Dammbruch zugunsten der Beliebigkeit in der Wissenschaft nach sich ziehen würde.

Das ist das eine. Das andere ist die beherrschende Rolle, die die Homöopathie als Vorreiterin und Wegbereiterin esoterisch geprägter Scheinmedizin insbesondere hier in Deutschland spielt. Die Homöopathie bereitet den Boden für die Reputation auch anderer pseudomedizinischer Scheinmethoden, nach ihrer Blaupause würden gerne Akupunktur (der ist es fast gelungen mit ihrer Verankerung in der Therapielandschaft), Osteopathie (die hats auch schon weit gebracht dabei), Reiki, Ayurveda und werweißwas alles einen Platz „innerhalb der Medizin“ einnehmen. Die Homöopathie treibt die Bugwelle der Aufklärungsfeindlichkeit im Gesundheitsbereich. Und allein die schiere Menge der Überzeugten und die wirtschaftliche und logistische Power der Methode machen es dem kleinen schwankenden Boot der Homöopathiekritik nicht leichter. Wie gesagt – aus einer Elfenbeinturmsicht (bitte nicht böse sein wegen dieser Metapher) mag die Homöopathiekritik wie eine Anfänger-Segeltour aussehen, sie ist aber ein Ruderboot bei hochgehender See – nach wie vor und durch den Widerstand, den sie hervorgerufen hat, vielleicht mehr denn je. Nicht zuletzt auch wegen der teils unglaublichen persönlichen Anfeindungen, denen die Homöopathiekritiker vielfach ausgesetzt sind. Deshalb rufen wir ja den Elfenbeinturm auch immer zu Hilfe und seine Insassen als Zeugen an.

Ansonsten unterschreibe ich jedes Wort von Cornelius‘ Kritik – er wird mir diesen kleinen Rant hier nicht übelnehmen (hoffe ich).

5 Gedanken zu “Ein Leserkommentar von Udo Endruscheit zum Artikel von Cornelius Courts

  1. Vielen Dank für den ergänzenden Kommentar.
    Gerade für wissenschaftlich interessierte Laien wie mich, die nicht immer zweifelsfrei gute von schlechten Studien unterscheiden können, denen Teilweise Zusammenhänge und Fachtermini fehlen und die auch beim H-Schwurbel nicht permanent auf dem aktuellen Stand sind, haben es in den Diskussionen ganz besonders schwer. Dabei sehe ich uns in der Pflicht, abseits vom fachlich/wissenschaftlichen Diskurs (kann es den beim Thema H. überhaupt geben?), die Basis-Arbeit zu leisten.
    Wir brauchen für die erforderliche Recherche aber um Größenordnungen länger als jemand, der 24/7 voll im Thema steht. Wir können den vorgebrachten Schwurbel häufig gar nicht so schnell wiederlegen, oder mit plausiblen Gegenargumenten ad absurdum führen, wie der Unfug von Seiten der Befürworter nachgelegt wird.
    So lange der ganze Quacksalber-Quatsch angeblich alternativer Heilmethoden von Ärzten, Apotheken und „guten Freunden“ angepriesen wird, als stünde bereits morgen die Erlösung vor der Tür, rennen wir gegen Windmühlen an.
    Gerade die scheinbar so intellektuelle, aber zumindest ausreichend wohlhabende Mittelschicht, die nach meiner Erfahrung die meisten Opfer dieser Schwurbelkampagnen zu beklagen hat, leidet meines Erachtens auch an einem völlig falschen Bild der Natur. Von ihren Eltern seiner Zeit in den 70ern und 80ern stolz in diverse Waldorf-Einrichtungen verbracht, müssen die heute erwachsenen Kinder jetzt den anthroposophischen Schwachsinn ausbaden, der ihnen, als Bildung getarnt, mehr oder minder stark konzentriert ins Hirn geträufelt wurde. Eben jener absurde Mumpitz, der meiner Ansicht nach überhaupt erst die Basis dafür legt, solchen hanebüchenen und evidenzresistenten Schmierlappen auf den Leim zu gehen.
    Da fehlt es oft auch an der Fähigkeit oder vielleicht auch nur dem Willen zur Differenzierung. Chemie ist grundsätzlich schlecht, Atome sind doof und Gene sowieso. Jedenfalls solange der Mensch da seine Finger drin hatte. Alles was die Natur selbst hervorgebracht hat (also eigentlich ja auch Atome, Gene, Chemie…) ist hingegen alles super und vor allem auch absolut perfekt. Von Gott gebaut, quasi. Warum dann meine Tollkirsch-Knollenblätterpilzsuppe mit 100% natürlichen Zutaten stirnrunzelnd abgelehnt wurde, verstehe ich in dem Zusammenhang zwar nicht, aber was soll’s…
    Mit solchen Leuten ist es schwer, zu diskutieren, ihnen was beizubringen, sie zu kritischem Denken zu ermutigen. Zumal sie ja selbst von sich überzeugt sind, kritisch zu sein, weil sie „kritisch“ alles ablehnen was irgendwie ins Feinbild passt.
    Solche Leute hat jeder in seinem Bekannten-/Kollegenkreis und leider zu oft auch in der Familie. Man kann sich da ja nicht mal gescheit aus dem Weg gehen, was bei so wichtigen Themen auch überhaupt keine Option sein darf.
    Von daher kann man gegenüber den Angeboten des INH und seinen vielen Mitstreitern, sowie auch den anderen zahlreichen Wortmeldungen von wissenschaftlicher Seite und nicht zuletzt auch dem Onkel Michael und seinem herrlichen Blog nur dankbar sein.
    Es ist sehr wichtig, dass unermüdlich gegen den Unsinn argumentiert und ohne Unterlass dagegen angeschrieben wird. Diese Arbeit hilft uns, immer wieder Argumente gegen den neuesten Schwurbel zu finden und ohne diese Arbeit würden wir an der Basis irgendwann einfach kapitulieren.

    1. Danke für diesen Kommentar, sage ich einfach mal!

  2. „er wird mir diesen kleinen Rant hier nicht übelnehmen“

    Iwo! Auch wenn ich über die inzwischen erreichte Metaebene (Kritik der Kritik der Kritik) etwas schmunzeln mußte 🙂

    Ich werde mich nun auch nicht zu einer Kritik der Kritik der Kritik der Kritik versteigen, sondern begnüge mich mit der Feststellung, daß ein Großteil des von Udo Endruscheit sehr richtig Gesagten nicht nur nicht im Widerspruch zu meinem Text steht, sondern mehr oder weniger exemplifiziert, warum ich mich – immerhin titelgebend für meinen Artikel – immer noch zur H.-Kritik bekenne und sie notwendig finde. Nämlich: die große Beliebtheit der H., woraus auch die Macht ihrer Lobby, ihr wiedergängermäßiges Nichttotzukriegensein und der Furor einiger ihrer Missionare (s. auch Bandwagon-Fehlschluß, https://www.logicalfallacies.info/relevance/bandwagon/) herrührt, sowie ihre kollateralschädigende Wirkung als esoterische Bahnung wenn nicht Dammbruch.

    Ich bleibe zwar dabei, daß die H.-Kritik auserzählt ist, daß H. keine weitere Forschung mehr verdient und daß die intellektuelle Befassung damit wohlfeil und in etwa so originell ist, wie auf dem Jakobsweg zu pilgern. Ich will aber gerne einräumen, daß die Verfechtung der H.-Kritik „im Feld“ zuweilen wirklich eine abscheuliche Zumutung sein kann, die Respekt gegenüber den Wackeren, die das auf sich nehmen, abnötigt. So, wie eine Partie Golf für einen guten Zweck zu spielen, obwohl man keine Lust und Blasen an den Füßen hat, bei Graupelschauer und 5° C auf einem matschigen, abschüssigen Platz. Gegen Trump.

  3. Ich melde mich mal unter meinem (Noch-)Pseudonym, meinem Blognamen, bin aber trotzdem Udo Endruscheit…

    Ich wusste doch, dass wir uns einig sind, lieber Cornelius Courts. 🙂 Ich gehe sogar so weit, zu sagen, dass jede erscheinende neue „Studie“ zur Homöopathie nichts weniger ist als ein Ärgernis, eine Zumutung. Ich bin da völlig auf Seiten von Novella / Gorski / Hall mit ihrem SBM-Konzept, das ja scharf kritisiert, dass auf unplausible Methoden der „verengte“ Blick der „reinen “ EBM nach Sackett angewandt wird.
    Aber, um es überflüssigerweise noch mal zu wiederholen: Die Verhältnisse, sie sind nicht so…

    Ein guter Teil der Homöopathiekritik ist zudem eine Art Geschichtswissenschaft, das kommt auch noch dazu.

    Aber die Sache mit dem Golfen bei schlechtem Wetter, mit Blasen an den Füßen und ungünstigen Geländeverhältnissen, gegen Trump. der womöglich noch mit Kellyanne Conway als Caddy antritt, die gefällt mir.

    Und die Sache mit dem Bandwagoning – damit habe ich mich auch schon mal beschäftigt. https://die-erde-ist-keine-scheibe.de/2017/12/04/der-trugschluss-der-globalen-erklaerung/

    Und zum Warum der Homöopathiekritik gibts von mir auch was bei Psiram, die mal zur Kommentierung dieses Problems aufgerufen hatten:
    https://blog.psiram.com/2018/11/homoeopathie-nur-ein-irrtum/

    Nur so zum Angeben. Muss man nicht lesen, wenn man nicht will. 😉

    Fazit: Wir machen weiter.

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