Warum ich Kritik an der Homöopathie wichtig finde – Heute: Dr. Natalie Grams

Dr. Natalie Grams ist sicherlich eine, wenn nicht sogar die prominenteste Kritikerin der Homöopathie. Früher selbst praktizierende Homöopathin, hat sie sich erstmalig zur Widerlegung eines skeptischen Buches auch mit den Gegenpositionen beschäftigt und kam ins Grübeln. Am Ende schloss sie ihre Praxis und schloss sich den Skeptikern an. Heute ist sie als Wissenschaftskommunikatorin tätig und schreibt u.a. in der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft. Auch veröffentlichte sie zwei Bücher zu dieser Thematik: Homöopathie neu gedacht und Gesundheit!
Gemeinsam mit Dr. Norbert Aust rief sie 2016 das Informationsnetzwerk Homöopathie ins Leben.
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„Wer nichts weiß, muss alles glauben“ (Science Busters)

An die Homöopathie habe ich selbst ja mal so richtig geglaubt. Ich gebe es gerne zu – das war eine tolle Zeit. Frei von Zweifeln, voll von Überzeugung, auch der, das Richtige zu tun. Heute weiß ich aber, in welchen Punkten ich hätte zweifeln sollen, ja müssen, und worin die Fehler bei diesem Glauben lagen. Die Hoffnung, dass andere diese Fehler nicht auch machen und auf die Homöopathie regelrecht hereinfallen, ist nun meine Motivation, täglich darüber aufzuklären.  

Am wichtigsten ist wohl für mich gewesen, zu erkennen, dass Glauben nicht Wissen ist. So banal das klingt, so entscheidend ist es doch. Denn in der Tat habe ich meine Kenntnisse über Homöopathie für Wissen gehalten. Vielleicht sogar für das bessere Wissen und deshalb auch nicht daran gezweifelt. Den Einstiegsfehler habe ich – wie sicherlich viele andere Menschen auch – darüber gemacht, dass ich eine persönliche Erfahrung mit Homöopathie als Beweis für ihre Wirksamkeit genommen habe. Wann immer ich heute also Menschen begegne, die sagen, „mir hat es aber geholfen“ oder „meinem Kind oder meiner Katze geht es damit besser“, fühle ich mich an mich selbst in früherer Zeit erinnert. Heute finde ich es deshalb wichtig, mit der Aufklärung gerade bei dieser persönlichen Erfahrung anzusetzen und den Menschen zu erklären, dass ihnen ihre positive Erfahrung mit Homöopathie oder beim Heilpraktiker niemand nehmen kann und möchte, dass es allerdings andere und sehr viel bessere Erklärungen für die wahrgenommene Verbesserung unter homöopathischer Therapie gibt, als die, die die Homöopathie selbst angibt. Klar kann man glauben, dass es an den Globuli oder einer bestimmten Energie darin gelegen hat, die die Wissenschaft einfach noch nicht erkennen kann. Dem gegenüber steht aber das Wissen aus Physik, Chemie, Physiologie und Pharmakologie, dass eine Wirkung nicht durch einen Stoff in Abwesenheit stattfinden kann, und dass bei der Potenzierung eben keine „Energie“ oder „Information“ entsteht, schon gar keine, die auf die Globuli übergeht und darin auf Dauer verbleibt. Auch das Wissen, dass wir uns als Menschen in unserer Erfahrung täglich und vielfältig täuschen und täuschen lassen und erstaunlich vielen Denk- und Wahrnehmungsvermögen unterliegen, spricht gegen einen Beweis über die Erfahrung. Denn wir wissen auch, dass in Studien zur Homöopathie keine sicheren Nachweise über den Placebo-Effekt hinaus zu finden sind.

Das alles sollte man wissen (und muss es nicht nur glauben), wenn man sich für die Homöopathie entscheidet. Und dieses Wissen möchte ich anbieten. Ich kann gut verstehen, dass sich viele Menschen ohne dieses Wissen, oder manchmal sogar mit ihm, der Homöopathie und anderen sogenannten alternativen Verfahren zuwenden. Die Attribute „sanft, natürlich, nebenwirkungsfrei und ohne Chemie“ sind einfach zu verführerisch. Die Assoziation mit guter Naturheilkunde liegt zu nahe, als dass man sich dieser Alternative intuitiv versperren würde. Viele Menschen würden die Homöopathie jedoch nicht wählen, wenn sie wüssten, dass all diese Attribute fingiert sind und die Homöopathie letztlich vor allem eines schuldig bleibt: eine Hauptwirkung. Ich finde es einfach fair, wenn man das weiß, bevor man sich für die Homöopathie entscheidet. Wer in Kenntnis all dieser Punkte immer noch auf die Homöopathie setzen möchte, kann das von mir aus gerne tun. Ich würde niemanden im persönlichen Gespräch die Homöopathie ausreden wollen. Allenfalls erklären. Denn wer mehr darüber weiß, weiß auch besser, wann man besser nicht auf Homöopathie setzt: bei schweren Erkrankungen, bei denen guter Glaube, Zuwarten und etwas Placebo nichts ausrichten kann. Bei Kindern, damit sie nicht auf Globulisierung „geeicht“ werden und später bei jedem Wehwehchen nach einem Medikament verlangen. Und natürlich bei allen Erkrankungen, bei denen wir wissen, dass es eine wirklich wirksame Therapie gibt.

Was mich jedoch massiv stört, ist die falsche rechtliche Positionierung der Homöopathie. Sie gilt immer noch als Arzneimittel, muss ihre Wirkung aber nicht wie richtige Arzneimittel nachweisen, weil es für sie eine rechtliche Sonderstellung mit erleichterten Bedingungen gibt. Diese bestehen im Grunde genommen daraus, dass Homöopathen sich die Wirksamkeit einfach gegenseitig selbst bestätigen. Das kann in der heutigen Zeit einfach nicht mehr der Maßstab sein und auch Krankenkassen sollten nicht mehr für die Homöopathie erstatten. Wer Homöopathie auf eigene Kosten und Verantwortung anwenden möchte, kann dies immer und gerne tun. Eigentlich wäre es aber doch gerade für diese Menschen eine große Erleichterung, wenn sie Homöopathika dann auch in jedem Super- und Drogeriemarkt erhielten.

Das Ziel meiner Aufklärungsarbeit über Homöopathie wäre erreicht, wenn all die Menschen, die Homöopathie jetzt intuitiv und wegen der verführerischen, aber leider falschen Attribute anwenden und damit glauben, etwas Gutes für sich und ihre Lieben zu tun, wüssten, worum es sich dabei wirklich handelt und danach eine wirklich freie Entscheidung treffen. Frei nach dem etwas abgewandelten Motto der Science Busters: Wer mehr weiß, muss nicht mehr alles glauben.

Beitragsbild: Dorothée Piroelle

4 Gedanken zu “Warum ich Kritik an der Homöopathie wichtig finde – Heute: Dr. Natalie Grams

  1. Darf ich kurz Werbung machen? 🙂

    Wer die Bücher von Natalie Grams noch nicht hat bzw. gut geschriebene und aufklärerische Geschenke für jemanden sucht, soll sie unbedingt kaufen.

    1. Als Ergänzung zu dieser trefflichen Feststellung: in der Einführung findet ihr die Amazon-Links zu den wirklich hervorragenden Büchern!

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