Der zwickende Aluhut

Wer mir bei Twitter (@OnkelBlogs) folgt, der merkt, dass ich in letzter Zeit mehr und mehr genervt auf die aktuelle Situation reagiere. Aber nicht die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen nerven mich, sondern das hysterische Geplärre, das sich mehr und mehr in der Öffentlichkeit breit macht.

Anscheinend sind den Kollegen aus der Abteilung „Verschwörungstheorien“ wieder einmal die Alu-Hüte eingelaufen und schnüren nun den Blutfluss in wichtigen Regionen ab. Anders kann ich es mir nicht erklären, was da alles im Netz zu lesen steht. Und mit welcher mokant-oberlehrerhaften Chuzpe sich diese Herrschaften dann noch aufspielen, man glaubt es kaum.

Egal ob „die Juden“, Bill Gates, Angela Merkel, Lothar Wieler, Christian Drosten, Mai-Thi Nguyen-Kim oder oder oder … alle geraten ins Visier der Aluhüte. Ihr neuester Guru ist dabei ja ein Herr, dessen Markenzeichen eine Kollektion von geschmack- und stillosen Hüten ist, und der einen eklatanten Mangel an Allgemeinbildung an den Tag legt. Und das ist der neue Star der Verschwörungsszene. Toll… Da hätte ich mir aber jemand besseres gesucht, ehrlich gesagt.

Nun, gerade das Thema des Mundschutzes scheint diese Herrschaften zu beschäftigen. Kürzlich las ich, dass eine Gesichtsmaske „im alten Rom“ (natürlich, sowas passierte immer im alten Rom) ein Merkmal für den Sklavenstand gewesen sei und wir deswegen jetzt einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen, um unsere eigene Stellung als Sklave zu dokumentieren.

Hm, hab ich mir gedacht und ein bisschen Quellenforschung betrieben. Und noch länger habe ich Quellenforschung betrieben. Und wo ich immer noch nichts gefunden habe, habe ich trotzdem noch ein bisschen weiter gesucht. Aber es blieb dabei, in keiner Quelle, auf keinem Bild wurde ich fündig. Dabei gab es im alten Rom tatsächlich eine Vielzahl von Masken. Priester trugen sie teilweise, Legionäre zum Schutz, Schauspieler, aber keine Sklaven. Ich habe dann nochmal weiter gesucht, bei den anderen antiken Völkern, auch in späteren historischen Epochen habe ich gesucht, aber das Ergebnis blieb gleich: Gesichtsmasken als Zeichen für den Sklavenstand gab es nicht.

Die Behauptung der Verschwörungstheoretiker ist erfunden.

Wenn ich mir allerdings überlege, wie viel Kreativität und Energie in diese Lügengeschichten gesteckt wird, kann ich nur mein langsam ergrauendes Haupt schütteln. Stellt euch mal vor, wie viel Positives man mit eben dieser Kreativität und Energie erreichen könnte. Aber nein, da werden alle Ressourcen mit so einem Klimbim verplempert.

Auf der anderen Seite tun mir diese Vögel schon ein bisschen leid. Die leben ja in einer selbst geschaffenen Blase aus Angst und Panik. Schaut mal her, unsereins muss sich „nur“ Gedanken machen über Corona, den Klimawandel, die Wirtschaft. Diese Wirrwuzzis wiederum müssen sich über Corona, den Klimawandel, die Wirtschaft, die jüdische Weltverschwörung, Chemtrails, Morgellons, Nano-Chips in Impfstoffen, den eigenen Sklavenstand und und und Gedanken machen. Das kann doch nicht gut enden…

Naja, sei es wie es will, mir gehen diese Herrschaften aus der Abteilung Verschwörungen A-Z momentan tierisch auf den Geist. Und diese Korinthenkacker, die mit dauer-erigiertem moralischen Zeigefinger durch die Welt kobolzen, die auch.

Achja, die Maskenpflicht mit der Pflicht, im Dritten Reich den Deutschen Gruß zu zeigen, zu vergleichen, ist schäbig, ekelhaft und einfach nur strunzdumm.

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Edit
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Ich habe einen netten Kommentar eines lupenreinen Wahnwichtels bekommen, die ich euch natürlich nicht vorenthalten möchte.

Aus der Erfahrung heraus, weiß ich, dass diese Herrschaften Feiglinge sind und sich nur zu „Hit and Run-Kommentaren“ verleiten lassen. Nichtsdestotrotz möchte ich dazu einiges sagen, da man an diesem Kommentar sehr schön sieht, mit welch infamen Mitteln der Rabulistik und Manipulation solche Personen arbeiten. Also.

  • Wie aus meinem Text klar hervorgeht, bezog sich das Meme, das ich bei Twitter sah auf Sklaven „im alten Rom“. Von daher habe ich nur die die Situation im Imperium Romanum geprüft, welches ja bekanntlich in der Spätantike sein Ende fand. Byzanz lassen wir mal großzügig unter dem Tisch fallen.
  • Ja, unter den Begriffen „slave“ und „mask“ finden sich bei Google zahlreiche Treffer, wobei die meisten etwas verstörend auf mich wirkten. Aber immerhin drei Treffer beschäftigten sich mit Sklavenmasken, die es wohl ab dem 17. Jahrhundert gelegentlich gab.
  • Warum ich nach der Spätantike noch gut 1.000 Jahre weiter recherchieren hätte sollen, erschließt sich mir zwar nicht, aber was schert diese Menschen schon die Vernunft? Auch interessant ist die Frage, warum ich nach den englischen Wörtern „slave“ und „mask“ suchen sollen und nicht – wie ich es tat – nach „servus“, „mancipium“, „chrestus“, „mediastinus“, „servio“ oder sogar „cinerarius“ sowie „persona“ oder „larva“. Hätte ich ja wissen müssen, dass der gebildete Römer die englische Sprache beherrscht.
  • In den Memes wird ja erwähnt, dass diese Masken als „Zeichen des Sklavenstandes“ dienten. Das ist gelogen. Vielmehr waren diese Masken äußerst perfide Mittel zur Bestrafung dieser armen Menschen, wenn sie nicht willfährig waren, wie man hier nachlesen kann. Sie waren also eine Abart der auch in Europa bekannten Schandmasken oder „Scolds Bridle„. Mit dem „Sklavenstand“ hat dies absolut nichts zu tun.

Aber wie gesagt, dieses Vorgehen zeigt sehr schön, wie manipulativ diese Personen sind. Es wird eine Gemengelage aus Halbwahrheiten produziert, in der Hoffnung, dass niemand nachliest und die Quellen prüft. Passiert dies, fällt das Kartenhaus aus Lügen und Falschbehauptungen in sich zusammen.

13 Gedanken zu “Der zwickende Aluhut

  1. Gib nicht auf!Gib nicht auf!
    Fakten statt Geschwurbel!!
    Außerdem sind die Fakten interessanter als diese vereinfachende doofe Interpretation von „gefühlten-Fakten-sowie-ich-sie-gerne-hätte“.
    Und ich habe den Eindruck gewonnen,das die Aluhutfraktion nicht besonders glücklich sein kann,da humor- und ironiebefreit. Ausgenommen die,die an den anderen Geld verdienen und sich an der Macht über ihre Anhänger ergötzen…
    Gib nicht auf!

  2. Der Fairness halber sei gesagt, dass das einzige Meme, das ich diesbezüglich las, nicht behauptet, der Sklavenstand wäre mit einer Maske gekennzeichnet worden, sondern lediglich einem widersprechendem Sklaven wäre eine Maske verpasst worden. Natürlich kein zeitdokumentarisches Bild, sondern eines mit moderner Atemschutzmaske.
    Was sofort klar macht, dass die Behauptung Unsinn ist, denn durch so eine Maske kann ja noch prima Widerworte geben.

    1. Ich gehe mal davon aus, dass es mehrere Memes zu der Thematik gibt. Dasjenige, welches ich sah war reiner Text ohne Bild und es wurde explizit auf den Sklavenstand „im alten Rom“ Bezug genommen.
      Wenn ich es wiederfinde poste ich es noch, aber irgendwie zieht es mich nicht hin, in dieser Kloake zu wühlen 😉

  3. Was bei diesen Aluhuträgern oft so paradox ist: Sie bejammern die vermeintliche Einschränkung ihrer Rechte, werfen dem Staat Unterdrückung vor und/oder schreien lautstark nach Freiheit. Und doch vertreten sie antiliberale, antidemokratische, autoritäre oder sogar totalitäre Konzepte.

    Das ist nicht nur eine Schere im Kopf, sondern eine Kettensäge.

  4. Ich habe etliche dieser Schwurbler in einem Blogbeitrag zusammen gestellt, mit täglichen Updates, weil dauernd ein neuer Depp die Bühne betritt.
    https://rechtemedieninfo.blogspot.com/2020/04/corona-sonderbeitrag.html

    Die Sklavenmasken mit den US-amerikanischen hat Heiko Schrang, eigentlich Esoteriker und „GEZ“-Rebell gepostet. Als Twitterer kennt man seinen geistigen Ziehsohn „Neverforgetniki“ – Niklas Lotz.

    Mein „Maskenfavorit“ ist Dr. David Berger von Philosophia Perennis mit einem Doppelbildnis (irgendwo weit unten im Blogbeitrag)

    1. Auweh, da hast Du ja eine schöne Menagerie zusammengestellt. Respekt dafür! Es ist wirklich beängstigend, aus welchen Löchern jetzt die ganzen Wirrwutzis herausgekrochen kommen und vor allem, wie offen sie mittlerweile agieren.

  5. Auf facebook gefunden:
    Da ja die Dichte von Verschwörungstrotteln, Esoterikern und paranoiden Selberdenkern immer grösser zu werden scheint, hier ein fast 30 Jahre altes Interview mit Umberto Eco.
    „Der Okkultist gibt den Spuren sofort eine falsche Deutung und macht damit endlos weiter, eine Art Neubildung von Zellen in falscher Richtung, ein geistiger Krebs, ein Krebs der unkontrollierten Interpretation.“ […] Magie funktioniert nicht ohne Geheimnis…[…] … und Geheimnis nicht ohne Verschwörung. Die Verbindung von geistigem Krebs, Geheimnis und Verschwörung – das ist die Botschaft meines Buches, davon handelt es. Denn wenn man vorgibt, ein Geheimnis zu haben, dann besitzt man die Macht; wenn aber dieses Geheimnis zufällig enthüllt wird, verliert man jede Macht. Damit ein Geheimnis Macht verleiht und nicht enthüllt werden kann, muß es ein leeres Geheimnis sein. All dies trifft auch auf viele Aspekte des politischen Lebens zu.“

    https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13530146.html?fbclid=IwAR3u2UJGvZQPJ3mhJIfY37fw00q2vl_mdsqqR3x-iRXwomONTRVtB84Ju7M

  6. Hallo Onkel Michael,
    bin heute über diesen Blog gestolpert und ich bin begeistert!
    Ich möchte mich ausdrücklich für Deine wertvolle Arbeit gegen die Aluhut-Fraktion bedanken.

    Also ein großes ernst gemeintes DANKESCHÖN

  7. Mach weiter so, ich finde es gut das dabei mithilfst für Aufklärung zu sorgen.
    Denn wenn Schwurbler und Wahnwichtel ihre Verschwörungsmythen verbreiten bleibt das leider viel zu oft unwidersprochen.

  8. Lieber Onkel Michael,
    ich teile deine Entnervung voll und ganz. Wann sind Verschwörungstheorien überhaupt so salonfähig geworden? Und wo ich vor ein, zwei Wochen noch dachte, dass das ja nur andere Menschen betrifft mit denen ich nie und nimmer etwas zu tun hätte, musste ich jetzt erfahren, dass meine Mutter und die meines Freundes wohl auch dafür anfällig sind. Beide in leicht anderen Geschmacksrichtungen, beide mit unterschiedlichen Quellen (denn auf solchen Mist kommen die wenigstens allein), aber trotzdem beide mit dem Gefühl, dass da mehr dahinter stecken muss. Umso froher bin ich, von Leuten zu lesen, die sich dadurch nicht beirren lassen.
    Ganz nebenbei, ist das nicht perfide, wie Verschwörungsanhänger einen immer an der eigenen Position zweifeln lassen? Aber wenigstens zweifeln wir noch. In ihrem Wahn, die Wahrheit zu kennen, sind die auf jeden Fall nicht mehr sonderlich zur Selbstreflexion fähig.
    Liebe Grüße,
    Anna

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