Ich frage mich manchmal, was werden soll, wenn die letzten alten unbequemen Charakterschädel irgendwann nicht mehr da sind und statt ihrer nur noch diese aalglatten megakorrekt optimierten Grinser ohne Biographiebrüche, die nie anecken, das Karma dieses Landes verpesten. Man sieht es ja heute schon am besten auf Twitter, diejenigen, die Kante zeigen, nicht mit den Wölfen heulen und auch mal gegen den Strom schwimmen, werden mit einer Brutalität verfolgt und es wird immer und immer wieder auf sie eingedroschen. Die vereinigte (Pseudo-)Moralkeule und die Nazikeule werden geschwungen und drübergezogen, bis die ganzen SJWs ein feuchtes Höschen haben.
Die Gesellschaft hat schon jetzt einen Mangel: Charakterköpfe gibt es zu Zeiten dieser bleiernen, nach den Merkel-Jahren das Land wie einen Schimmelteppich bedeckenden Konsenssucht immer weniger, dabei hätte ich gerne mehr Zornige. Mitreißer. Mehr Leute, die auch mal beißen können. In den Clinch gehen. Und dabei vor Charisma fast platzen. Die will ich sehen. Die will ich hören. Die sollen sprechen. Denn ich kann diese ewige Watte nicht mehr ertragen, in die sich die blassen Langweiler hüllen, die den Diskurs beherrschen, diese Gestalten, diese Technokraten, diese Wortklauber, Rosinenscheißer, diese verdammten Puritaner, die mit 20 schon daherkommen wie Oberlehrer Lämpel bei Wilhelm Busch und die alles sind, nur nicht mitreißend.
Erinnert ihr euch an die Diskussionen Wehner ./. Strauß oder die großartigen Reden von Helmut Schmidt? Gibt es heute nicht mehr. Genauso wenig wie Politiker vom Format eines Gerhart Baum, Ben Wisch, Rita Süßmuth. Heute gibt es nur noch aalglatte Karrieristen. Erinnert ihr euch noch, als Helmut Kohl 1992 Willy Brandt das letzte Mal besucht hatte? Obwohl schon todkrank, hatte sich der SPD-Ehrenvorsitzende vollständig angekleidet und erwartete seinen Gast. Auf Kohls Frage, warum er denn aufgestanden sei, lautete Brandts Antwort: „Wenn mein Bundeskanzler kommt, bleibe ich nicht im Bett liegen.“
Das waren noch Politiker und keine Hanswürste, die vor ein paar Schreiern im Internet eingeknickt sind. Diese ekelhaft grinsenden Gutsteher, die nirgends anecken wollen, die man ja auf Twitter ja auch überall sieht. Die sich erheben müssen über andere, um sich zu präsentieren, als die Superguten, die Überkorrekten, die sich in ihrer Charakterlosigkeit bis zur Selbstaufgabe verbiegen, nur um sich als ach so korrekt darzustellen. Widerliche Typen. Ekelhafte Grinser.
Momentan kommt mir alles so weichgespült vor. Wie in der Waldorfschule. Keine Ecken, keine Kanten, wir fassen uns alle an den Händen und haben uns gaaaanz doll lieb.
Wo sind sie denn, die Bukowskis, die Kinskis, die Krugs? Wech sindze und ham uns alleine gelassen mit Arschlöchern, die sich sogar eine Bügelfalte in die Unterhose hobeln.
P.S. Und ja, wer will kann sich angesprochen/beleidigt/mißverstanden und was auch immer fühlen. Ist mir mittlerweilen vollkommen egal. Wer immer Everybodys Darling sein will, ist zum Schluss Everybodys Depp!
Das große Problem dabei ist das Peter-Prinzip, was gerade in den Parteien grassiert. Die Lösung dazu heisst: Diversität ermöglichen, dann haben wir auch bald wieder Leute mit Kante. Aber im Moment habens die wirklich schwer, sich gegen Geschwurbel, Fake News und etcpp durchzusetzen.
Das Peter-Prinzip wurde übrigens in Kanada in den 70ern festgestellt, u.a. deswegen wurden dann auch Reformen eingeleitet. Mit Erfolg.
Der heißt dann Trudeau oder kilowatt? Kanada ist aktuell eine große Drecksache. Findest nix öko- abartigeres auf der Welt. Australien ist schon beleidigt.
Der Schlusssatz ist gut. Der gehört zitiert und weiter verbreitet.