Dr. Bock, die Gartenlaube und die Homöopathie

Die „Gartenlaube“ war die zu ihrer Zeit wohl bekannteste Zeitschrift in Deutschland. Sie wurde 1853 in Leipzig mit dem kompletten Titel „Die Gartenlaube – Illustrirtes Familienblatt“ im Verlag von Ernst Keil gegründet. Mit einer Auflage von bis zu 382.000 Exemplaren (im Jahr 1875), war die Zeitschrift in allen Schichten der Bevölkerung beliebt, auch wenn sie sich am bürgerlichen Wertekodex orientierte.

Von 1853 bis 1938 erschien sie unter dem Namen „Die Gartenlaube – Illustrirtes Familienblatt“ und von 1938 bis 1944 unter „Die neue Gartenlaube“, hier hat sie ihr erscheinen eingestellt. Zwischen 1974 und 1978 sowie 1982 und 1984 gab es wenig erfolgreiche Versuche, die Zeitschrift zu reaktivieren.

Die Gartenlaube verstand sich als volksaufklärerische Schrift, die sich auf die Säulen der moralischen Erbauung, der Belehrung und der Unterhaltung stützte. So war in jeder Ausgabe mindestens ein Fortsetzungsroman und mehrere kurze Geschichten abgedruckt. Auch gab es mehrere, teilweise parallel laufende Serien aus allen Bereichen der Wissenschaft. Von Medizin über Geschichte bis hin zur Paläontologie. Bekannte Autoren waren u.a. Alfred E. Brehm (Brehms Tierleben), Theodor Fontane, Ludwig Ganghofer, Friedrich Gerstäcker, Paul Heyse, Max Ring, Friedrich Rückert oder Carl Ludwig Schleich.

Einer der wichtigsten Autoren der Gartenlaube war der Anatom Carl Ernst Bock. Bock wurde am 21. Februar 1809 in Leipzig geboren und bereits sein Vater August Carl Bock war Anatom und Prosektor. Sein Studium der Medizin und Chirurgie schloss er 1830 mit dem Doktorgrad ab. 1831 ging er nach Warschau, wo er als Feldarzt im Russisch-polnischen Krieg diente.

Hierauf habilitierte er sich und war ab 1839 als außerordentlicher Professor für Medizin an der Universität Leipzig tätig und ab 1845 dann als ordentlicher Professor für pathologische Anatomie, erhielt aber keinen eigenen Lehrstuhl. Dies war auch darauf zurückzuführen, dass Bock auch in der Revolution von 1848 sehr engagiert war und hier hier freiheitlich-demokratische Werte vertrat, was ihn bei den königlichen Behörden natürlich per se verdächtig machte. Um das Jahr 1870 erkrankte Bock schwer und verstarb am 19. Februar 1874 während eines Kuraufenthaltes in Wiesbaden an einem Schlaganfall.

Seine großen Verdienste liegen in der Wissenschaftskommunikation. Bock schafft es wie kein anderer Mediziner seiner Zeit, auch komplexe Sachverhalte verständlich zu beschreiben. Dies zeigt sich vor allem ab 1853, als er anfing in der Gartenlaube Artikel zu medizinischen Themen zu veröffentlichen. Sein erster Artikel trug den Titel „Drei Uebel des menschlichen Mundes“.

Immer wieder schrieb er ganze Artikelserien bspw. „Vom Baue des menschlichen Körpers“, „Des Menschen erste Lebenszeit“ oder „Zur Gesundheitspflege und Erziehungslehre“, die sich auch über mehrere Jahrgänge der Zeitschrift hin erstreckten und in denen er die Grundlegenden Funktionen des menschlichen Körpers oder der menschlichen Entwicklung erläutert.

Ein Hauptanliegen Bocks war auch die Aufklärung zu „Charlatanischen Laienheilern“ und „pseudomdicinischen Mysticismus“, wie er es selbst nannte. In zahlreichen Ausgaben der Gartenlaube klärte er seine Leserschaft über unwirksame und teilweise gefährliche (und immer obskure) Pseudotherapien und Schlangenöle auf. Hier scheute er sich auch nicht, Roß und Reiter zu nennen, wie beispielsweise die „Curirunverschämtheit“ des Lohgerbers Dittmann, das „Hösch’sche Arcanum gegen Epilepsie“, die „Morison’schen Pillen“ und alle anderen Mittelchen, die damals populär waren. Zahlreiche dieser Artikel fand man in der Serie „An die Dummen, welche nicht alle werden“.

Bock war auch erklärter Gegner der Homöopathie und sezierte fundiert deren Fehlschlüsse. Besonders das Treiben des Postsekretärs Lutze machte Bock immer wieder zum Gegenstand seiner Artikel. Sehr beachtet wurde hier auch seine „Strafpredigt gegen curirende Laien, Naturärzte und Homöopathien“ oder sein Artikel „Die Homöopathie: ein Gewebe von Täuschungen, Unwissenheit und Unwahrheit“. Auch die Argumentationen der Homöopathen beleuchtete Carl Ernst Bock, wie beispielsweise in dem Artikel „Post hoc, ergo propter hoc: Weil’s darauf kommt, – darum’s auch daraus kommt, oder: weil darnach, also auch darum“.

Er kritisierte aber nicht nur, sondern zeigte auch Alternativen zu diesen pseudomedizinischen Verfahren auf. In seiner Serie „Bausteine zu einer naturgemäßen Selbstheillehre“ erklärte er beispielsweise, wie man medizinische Therapien mit bspw. phytotherapeutischen Mitteln und Maßnahmen unterstützen konnte. Außerdem nahm die Krankheitsprophylaxe einen breiten Raum ein.

Was war jetzt aber so bemerkenswert an Bocks Artikeln? Kritik an der Homöopathie gab es ja seit sich Samuel Hahnemann diese „Lehre“ ausgedacht hatte. Nun, vorher fand die Homöopathiekritk hauptsächlich in medizinischen oder homöopathischen Zeitschriften oder Publikationen statt. Hier gab es zwar auch richtige „Artikelschlachten“, aber wie gesagt, vor Fachpublikum. Mit seinen Artikeln in der Gartenlaube allerdings trug Bock die Aufklärung zu Medizin-Spökes direkt in die deutschen Wohnzimmer und Stuben hinein, genau dahin, wo oftmals, gerade im Bürgertum, auch das Klientel der Homöopathie saß. Dies war für die damalige Zeit ein einzigartiger Vorgang. Mit seiner Kritik erreichte Bock nicht nur das Fachpublikum sondern gerade auch die „normale“ Bevölkerung. Dadurch, dass die Gartenlaube nicht nur in allen Schichten vom Bauernstand bis zum gehobenen Bürgertum gelesen wurde, sondern auch in unzähligen Kaffehäusern und Gaststätten für die Besucher auslagen, hatten seine Artikel einen hervorragenden Impact.

Interssant ist hier auch die Sprache, derer sich Bock bediente. Er passte sich seinen Lesern an und erklärte deutlich und verständlich die jeweiligen Sachverhalte. Dabei war er auch nicht zimperlich, sondern recht deutlich, was ihm auch oftmals harsche Kritik einbrachte, wovon er sich allerdings nicht beirren ließ. 1855 brachte er sein zweibändiges Werk „Das Buch vom gesunden und kranken Menschen“ heraus, das bis 1929 in gut zwanzig Auflagen erschien und sogar in den USA weite Verbreitung fand.

Somit können wir aus der heutigen Sicht sagen, dass Carl Eduard Bock einer der ersten großen Wissenschaftskommunikatoren und Medizin-Aufklärer war.

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