Was unterscheidet Glauben und Wissen? – Ein Text von Heinz Oberhummer

Vorbemerkung: Es war Anfang des Jahres 2014, als ich für eine Publikation der Bibliothek in der ich arbeite, Heinz Oberhummer um ein Grußwort bat. Warum Heinz Oberhummer? Nun, es ging darin um Bibliotheken und Wissensvermittlung und da war er als einer der Gründer des Wissenschaftskabarett „Science Busters“ geradezu prädestiniert.
Die positive Rückantwort kam E-Mail wendend. Und es wurde ein wirklich schöner Text zu dem Thema. Nachdem ich es wirklich schade finde, dass dieses Grußwort in den Regalen verstaubt, dachte ich mir, ich bringe es einmal hier, auch als Hommage an einen großartigen Wissenschaftler und echt netten Kerl.
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Bücher sind einer der größte Schätze der Menschheit und Bibliotheken die Schatzkammern in denen diese aufbewahrt werden. Und diese Schätze können auch von allen Menschen gelesen, ausgeliehen und auch nach Hause mitgenommen werden. Erst Bücher haben es ermöglicht den Funken der Aufklärung zu einem weltumspannenden Feuer anzufachen, das große
Bevölkerungskreise erreicht hat. Es hat zu allen Zeiten immer Menschen gegeben, die anderen gesagt haben, wie es geht. Die gerne die Bestimmer sein wollten und den anderen ihren vorwissenschaftlichen Glauben einredeten und aufzwangen. Früher waren es die Religionen, und als der Einfluss von diesen mit der Zeit abgenommen hat, da haben sich andere gefunden, die mit erfundenen esoterischen Geschichten diese Lücke ausfüllen.

Zum einen um sich selber wichtig zu machen, und zum anderen den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Der natürliche Gegner von solchen vor-wissenschaftlichen esoterischen oder religiösen Glauben ist Wissen. Und erst Bücher haben es ermöglicht dieses Wissen auch in einer weiten Bevölkerungsschicht zu verbreiten.

Was aber unterscheidet Wissen und Glauben? Beide sind im menschlichen Gehirn beheimatet, unterscheiden sich aber fundamental und haben nicht viel miteinander zu tun. Wissenschaft ist das, was „Wissen schafft“, also die Methode mit der man Wissen gewinnt. Wissen ist grundverschieden vom Glauben. Die wichtigsten Tugenden der Wissenschaft sind Selbstkritik und Kritik. Wissen wird von Wissenschaftlerinnen ununterbrochen überprüft, modifiziert, und verbessert. Viele glauben ja, die Fortschritte der Naturwissenschaften kommen von Genies, es ist aber die Methode. Sie hinterfragt, prüft, checkt, und verändert ständig. Wissenschaft ist immer im Fluss – was vor zehn Jahren noch gegolten hat, wird in zehn Jahren vielleicht nicht mehr gelten. Wissenschaft ist dynamisch. Glaube hingegen beruht nicht auf Fortschritt, sondern auf unsichtbaren Feldern, nicht existierenden Dingen und Geisterwesen oder auf irgendwelchen göttlichen Offenbarungen. Glaube ist fundamentalistisch dogmatisch, unveränderlich und starr.

Als ein Beispiel für Wissen vs. Glauben möchte ich Ferdinand Sauerbruch und Samuel Hahnemann vergleichen. Ferdinand Sauerbruch war einer der berühmtesten Chirurgen und hat mit seinen Operationsmethoden vielen Menschen das Leben gerettet. Er ist vor 50 Jahren gestorben. Heute würde man ihm in keinen Operationssaal mehr lassen, weil er mit den modernen medizinischen Geräten und Therapien restlos überfordert und eine Gefahr für die Patienten wäre. Samuel Hahnemann, der Erfinder der Homöopathie, hingegen ist vor 150 Jahren gestorben. Er könnte aber heute genauso seinen Geschäften nachgehen wie früher, weil sich an der pseudo-wissenschaftlichen Homöopathie kaum etwas geändert hat.

Fast 40 Jahre war ich an der Technischen Universität Wien tätig. Während dieser Zeit hatte ich immer einen großen heimlichen Wunsch. Nämlich den Menschen und insbesondere der jungen Generation zu erzählen, wie fantastisch Naturwissenschaft und Technik sind. Während meiner aktiven Zeit an der Universität konnte ich mir diesen Wunschtraum aber noch nicht erfüllen, weil einfach neben Forschung und Lehre nicht genügend Zeit dafür übrig war. Erst als ich vor fünf Jahren in Rente ging, konnte ich mir durch die Gründung des Wissenschaftskabaretts „Science Busters“, zusammen mit dem Physiker Werner Gruber und dem Kabarettisten Martin Puntigam mein großes Ziel erfüllen. Ganz klein angefangen in einem Hörsaal erreichen die Science Busters heute über hunderttausende von Menschen. Die Science Busters begeistern dabei aber nicht nur die an Naturwissenschaft und Technik interessierte Schicht, sondern auch den Mann und die Frau von der Straße und vor allem Jugendliche. Um eine möglichst große Breitenwirkung zu erzielen, verwenden die Science Busters verschiedenste Medien wie Theater, Bücher, Radio, Fernsehen, DVDs, Web 2.0 und Podcasts.

Die Programme der Science Busters sind immer eine Gratwanderung zwischen Wissenschaft und Klamauk. Zu wissenschaftlich bedeutet unverständlich und langweilig, aber bei einem zu großen humoristischen Anteil verschwindet die Wissenschaft. Mit anderen Worten man soll sich bei unseren Programmen unterhalten, dabei aber trotzdem etwas lernen. Besonders freut mich, dass wir höchste Quoten auch bei Jugendlichen erreichen. Ich werde praktisch bei jeder Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln angesprochen, was mir früher als Professor an der Universität nie passiert ist. Dann rufen mir Jugendliche auch zu: „Professor, Supercool, Science Busters!“

Beitragsbild: Von Heinz Oberhummer – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17332155

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