Sprechen wir über die Toten

Kennt ihr die Lutherstadt Wittenberg? Sie liegt im Osten von Sachsen-Anhalt und hat 45.752 Einwohner*. Laut dem Robert-Koch-Institut sind bis zum 16. Jänner 2021 45.974 an Covid 19 verstorben. Könnt ihr euch das vorstellen? Eine Stadt wie Wittenberg, einfach ausgelöscht. Keiner mehr übrig, in Wittenberg. So viele Menschen sind tot. Verstorben an dieser verdammten Krankheit.

Und wisst ihr was passiert, wenn bei Facebook über diese Zahlen, über diese Toten, berichtet wird? Regelmäßig besteht ein großer Teil aus Lachsmileys. Lachsmileys. Wie charakterlich verkommen muss ein Mensch sein, der bei einer Meldung von fast 50.000 Toten auf den Lachsmiley klickt?

Aber das wundert mich nicht, wenn ich sehe, wie allgemein über die Toten gesprochen wird. Das sind ja nur die Alten und Vorbelasteten, die Risikogruppe. Jeder 2. Tote ist über 80 Jahre alt, da kann man ja sterben, da hat man sein Leben gelebt. So ist jedenfalls der Tenor, den man in den Kommentaren zu den Berichten so liest. Hinter den gesichtslosen Zahlen verstecken sich aber Menschen. Mütter, Väter, Onkel, Tanten, Freundinnen, Freunde – Menschen. Das darf nicht vergessen werden, auch nicht in der hitzigsten Diskussion.

Was mich aber auch immer wieder so abstößt, ist, wie leichtfertig hier über Menschen geurteilt wird. Wie leichtfertig hier selektiert wird, wie leichtfertig hier die noch verbleibenden Lebensjahre einfach in Abrede gestellt werden. Halten sich diese Diskutanten eigentlich vor Augen, was sie da tun? Wie sie sich aufspielen als Herren über Leben und Tod?

Was geht in solchen Menschen vor, die so nonchalant den Stab über Menschen brechen? Ist das nicht die widerwärtigste Form des Sozialdarwinismus? Sollen doch die Schwachen verrecken, damit die Starken überleben? Pfeif auf die Alten und Kranken, damit ich Skifahren/Verreisen/Feiern gehen kann?

Ist das unsere vielbeschworene Solidarität mit den Schwächsten? Können und dürfen wir uns einen solchen Umgang leisten? Ich denke nicht. In die gesamte Diskussion sollte vielleicht ein bisschen mehr Demut einkehren.

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