Verschwörungsmythen, Verschwörungserzählungen oder Verschwörungstheorien, egal wie man sie nun nennt, sie sprießen aktuell an allen Ecken und Enden. Bester Nährboden sind hier die „sozialen“ Netzwerke wie Facebook oder Telegram. Dort verbreiten sich diese kruden Erzählungen wie Lauffeuer und nichts kann so abstrus sein, dass es nicht irgendwo einen Abnehmer findet. Der große Vorteil, den die Erfinder dieser Verschwörungen haben ist der, dass sie nichts belegen müssen. Sie stellen eine Behauptung auf und niemand von ihren Apologeten macht sich die Mühe, diese auch nachzuprüfen. Und so verbreiten sich diese Behauptungen nach dem Prinzip der Stillen Post. Mal wird was weggelassen, mal kommt etwas dazu und so entstehen wieder neue Erzählungen und das ganze Spiel geht von vorne los.
Was in der momentanen Situation allerdings äußerst bedenklich ist, ist dass diese Verschwörungserzählungen eben durch die sozialen Netzwerke in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Es ist plötzlich nicht nur der komische Vetter Heiko, der bei Familienfeiern eh nur in der Ecke saß und jeden mit seinen Erzählungen vollgeblubbert hat, der nicht entkommen konnte, sondern mittlerweile sind auch Menschen, von denen man es nie geglaubt hätte, unreflektierte Anhänger solcher Verschwörungen. Aber was macht man, wenn man in der Familie, am Arbeitsplatz oder in der Freizeit mit solchen Menschen konfrontiert ist? Hierüber hat Inge Brodnig ein wirklich interessantes Buch geschrieben. Quasi ein Leitfaden für Diskussionen mit schwierigen Patienten.
Ingrid Brodnig ist eine österreichische Autorin und Kolumnistin und ist eine ausgewiesene Expertin zu diesem Thema. Verwiesen sei hier beispielsweise auf ihre Bücher „Lügen im Netz“ und „Hass im Netz“, in denen sie sich bereits mit den Thematiken der „Fake News“ und der zunehmenden Verrohung des Internets auseinandersetzte. Im österreichischen Nachrichtenmagazin „Profil“ zeichnet sie für die wöchentliche Digitalkolumne verantwortlich.
Diese ausgewiesene Expertin hat nun einen Leitfaden erstellt, wie man Diskussionen mit Anhängern derartiger Erzählungen begegnen sollte. Dabei schöpft sie immer wieder aus ihren persönlichen Erfahrungen, die sie in den Untiefen des Internets gemacht hat. Und sie bleibt auch immer verständig und weiß, wie schwierig derartige Diskussionen für einen rationalen Menschen sind, wie wir bspw. im Abschnitt „Warum es so schwierig ist, gelassen zu bleiben“ erfahren.
Die Autorin zeigt auf, wie Verschwörungserzählungen entstehen und welche Motivation Menschen haben, sich für diese zu öffnen, so daß man dies auch als Außenstehender nachvollziehen kann. Und man versteht auch, warum man gerade bei Diskussionen in diesen Bereich nicht nur Fakten und Argumente, sondern auch die emotionale Ebene berücksichtigen muss und wie wichtig dabei auch der eigene Diskussionsstil ist. Denn, […] wenn das Ziel ist, die Person, mit der man diskutiert, inhaltlich zu erreichen, dann sollte man stark auf die eigenen Worte achten, um damit nicht eine zusätzliche Hürde zu schaffen.
Weiters zeigt Ingrid Brodnig klassische Logik-Fehler auf und zeigt anhand von Beispielen, wie man diesen begegnen kann. Oder wie man erkennen kann, wer tatsächlich Expertise für ein Thema hat, bzw. wer unsere. Und anhand von Impfmythen zeigt sie auf, wie man eine erfolgreiche Richtigstellung dieser Behauptungen aufbaut. Aber natürlich liefert die Autorin hier auch kein Patentrezept. Das weiß sie aber auch und das ist nicht ihr Ziel. Vielmehr ist diese Aufklärungsarbeit mühsam und man muss sehr sensibel sein und mit kleinen Schritten zufrieden sein. Doch, selbst die kleinsten Risse im festen Gefüge der Verschwörungsgläubigen werden irgendwann breiter.
Alles in allem sollte dieses Buch in jedem Skeptiker-Bücherschrank stehen und vor allem auch aufmerksam gelesen werden. Gemeinsam mit dem „Fake Facts“ von Katharina Nocun und Pia Lamberty [Besprechung HIER] bildet es eine hervorragende Basis, gegen Fake News und Verschwörungserzählungen vorzugehen. Ich für meinen Teil kann „Einspruch!“ nur wärmstens empfehlen, habe ich doch durch die Lektüre des vorliegenden Bandes viel dazu gelernt.
Brodnig, Ingrid: Einspruch!: Verschwörungsmythen und Fake News kontern – in der Familie, im Freundeskreis und online.
Brandstätter, 2021. 160 S.
Taschenbuch:
ISBN 9783710605208. – 20.–€
E-Book:
ISBN 9783710605284. – 15,99€